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Zusammenfassung und
Ausblick350
ser Arbeit in weiterer Folge einem zumindest innerösterreichischen, womöglich aber
auch innereuropäischen Vergleich unterzogen werden sollten. Gerade im Hinblick
auf einige habituelle Entwicklungslinien und deren wechselseitige Abhängigkeit von
sozioökonomischen Verhältnissen und politischen Präferenzen erscheinen insbeson-
dere Regionen wie die Obersteiermark oder das Salzkammergut als ähnlich gelagert
wie Kärnten. Im Unterschied dazu könnte ein Vergleich mit dem wegen seiner tief
verwurzelten Katholizität als »Heiliges Land« bezeichneten Tirol ein noch besse-
res Bild im Hinblick auf die Akzeptanz der katholischen Kirche liefern. Stellt man
die Situation Kärntens dann noch einmal anderen Regionen oder Ländern jenseits
der österreichischen Staatsgrenzen gegenüber, wie etwa dem (offiziell) stark säku-
lar auftretenden Slowenien oder dem diesbezüglich offenbar völlig anders gelagerten
Kroatien, mit seiner starken ideellen Verbindung von Kirche und Nation, könnten
sich vielversprechende Vergleichsstudien ergeben. Gerade diese beiden letztgenann-
ten Länderbeispiele zeigen ob ihrer langen mit Kärnten und Österreich verbundenen
Geschichte die Notwendigkeit einer nicht nur interdisziplinären, sondern im wört-
lichen Sinne inter- und transnationalen, an historischen Regionen statt nationalen
Grenzen orientierten Wissenschaft vom Menschen und seinen Beziehungsgeflechten.
3 Zusammenfassung
In diesem Sinne lassen sich nun abschließend die wesentlichen Erkenntnisse dieser
Arbeit systematisch wiederum in sieben Punkten zusammenfassen :
1. Der europäische Säkularisierungsprozess im Hinblick auf kirchlich gebundene Re-
ligiosität beruht in hohem Maß auf dem »religionssoziologischen Typus Europa«,
also auf der Verflechtung kirchlicher und staatlicher Macht im Zuge des abendländi-
schen Disziplinierungs- und Zivilisationsprozesses. Je nach Verlauf dieses Prozesses
haben sich Teile der Bevölkerung von den jeweiligen lokalen oder territorialen kirch-
lichen Figurationen mehr oder weniger stark entfremdet. Im Vergleich mit anderen
österreichischen Bundesländern hat diese Entfremdung in Kärnten besonders starke
Ausprägung erfahren.
2. Die Wahrnehmung der katholischen Kirche durch die Kärntner Bevölkerung ist ei-
nem regionalspezifischen Habitus geschuldet, der jene Eigenheiten umfasst, die ge-
meinhin auch als »Kärntner Seele« bezeichnet werden können. So lässt sich dieser Ha-
bitus zunächst durch eine ausgeprägt widerständige Haltung gegenüber realen oder
vermeintlichen Zugriffsversuchen durch Autoritäten von außen charakterisieren. Damit
zusammen hängt ein tendenzielles Misstrauen gegenüber kirchlichen, aber auch zen-
tralstaatlichen oder überstaatlichen Institutionen. Der Kärntner Habitus lässt sich dar-
Open Access © 2019 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Title
- Die Kirche und die »Kärntner Seele«
- Subtitle
- Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Author
- Johannes Thonhauser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23291-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 402
- Keywords
- Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Danksagung 11
- Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
- 1 Vorbemerkungen 13
- 2 Hinführung 17
- 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
- 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
- 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
- 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
- 1 Missionierung und Christianisierung 59
- 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
- 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
- 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
- 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
- 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
- 3 Das Nationale Zeitalter 103
- Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
- 1 Hinführung 129
- 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
- 2.1 Hinführung 151
- 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
- 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
- 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
- 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
- 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
- 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
- 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
- 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
- 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
- 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
- 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
- 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
- 2.1 Hinführung 151
- 3 Zwischenresümee 216
- Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
- 1 Hinführung 223
- 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
- 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
- 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
- 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
- 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
- 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
- 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
- 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
- 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
- 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
- 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
- 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
- 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
- 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
- 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
- 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
- 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
- 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
- Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
- 1 Rückblick 344
- 2 Ausblick 348
- 3 Zusammenfassung 350
- Anhang 353
- 1 Abkürzungsverzeichnis 353