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Kirche und Habitus im »Christlichen
Ständestaat«200
Kenner der Verhältnisse offensichtlich. Die Pastoren[-]Familien[-]Mitglieder sind fanati-
sche Anhänger des Nationalsozialismus, fast bis zur Vernichtung des Katholizismus u. der
österr. Regierung u. nicht anders ist die wirkliche innere Gesinnung der prot. Kirche im
allgemeinen.
In Feffernitz scheint besonders seit der Maßregelung des Pastors Perner, der nach jah-
relangen Umtrieben von der Religions[-]Unterricht[-]Erteilung enthoben wurde, die ge-
heime Wühlarbeit gegen die kath. Kirche mit allen Mitteln betrieben zu werden. Der Hass
des Pastors, der ein abgefallener Benediktiner[-]Ordenspriester aus Admont ist u. seiner
Gattin, einer apostasierten Lehrerin, ist ungeheuer.312
Ludwig Perner war von 1926 bis 1940 Pfarrer von Feffernitz und als gebürtiger Wie-
ner zunächst ins Benediktinerstift Admont eingetreten, wo er auch die Priesterweihe
empfing. 1920 trat er aus dem Orden aus und studierte evangelische Theologie. Seine
deutschnationalen Sympathien sowie sein ausgeprägter Antisemitismus trieben ihn
selbst nach dem »Anschluss« in den Konflikt mit den evangelischen Kirchenoberen
und aus Feffernitz weg ins »Altreich«, wo er allerdings aus der Kirche austrat, bevor
er 1944 nach Feffernitz zurückkehrte.313
2.5.2 Soziale Trägerschichten und »milieusensible« Propaganda
Wie im letzten Zitat angedeutet, wurde der evangelische Pastor selten als alleini-
ger Propagandeur des Konfessionswechsels angesehen. Häufig agiere er »im Verein
mit einigen evangelischen Laien«314. Manchmal beruhte die Identität der beteiligten
Personen aufgrund des geheimen Charakters der Versammlungen freilich auf Speku-
lationen und Gerüchten. Dem Zweinitzer Pfarrer Brunner jedenfalls wurde
berichtet, daß im Geheimen an der Grenze der Pfarre gegen das Metnitztal Ende Dez. 1935
ein[e] Abfallagitation stattgefunden hat. Ein abgefallener Maschinenagent aus Oberhof u.
angeblich der Pastor aus Friesach haben ein paar Knechte u. Bauernburschen, Anhänger
der Hitler-Partei, dazu bewogen ihre Unterschrift zum Abfalle zu geben. Das Genaueste
läßt sich bei der Verschwiegenheit u. Verlogenheit, die dabei geübt wird, noch nicht fest-
stellen.315
Auffallend häufig stammten die Verbündeten des Pastors aus dem bildungsbürgerli-
chen Milieu. War oben bereits mehrmals von einem Rechtsanwalt die Rede, waren
312 Prosèn, A.: Apostasienausweis Pfarre Feistritz a. d. Drau (16.02.1936).
313 Hanisch-Wolfram, A.: Glaube. Gehorsam. Gewissen (2013b), 74.
314 Kohlmaier, A.: Abfallsbewegung Pfarre Millstatt (03.06.1935).
315 Brunner, O.: Abfallbewegung im Dez. 1935 (14.01.1936).
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Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Title
- Die Kirche und die »Kärntner Seele«
- Subtitle
- Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Author
- Johannes Thonhauser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23291-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 402
- Keywords
- Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Danksagung 11
- Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
- 1 Vorbemerkungen 13
- 2 Hinführung 17
- 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
- 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
- 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
- 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
- 1 Missionierung und Christianisierung 59
- 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
- 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
- 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
- 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
- 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
- 3 Das Nationale Zeitalter 103
- Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
- 1 Hinführung 129
- 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
- 2.1 Hinführung 151
- 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
- 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
- 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
- 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
- 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
- 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
- 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
- 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
- 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
- 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
- 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
- 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
- 2.1 Hinführung 151
- 3 Zwischenresümee 216
- Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
- 1 Hinführung 223
- 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
- 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
- 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
- 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
- 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
- 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
- 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
- 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
- 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
- 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
- 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
- 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
- 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
- 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
- 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
- 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
- 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
- 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
- Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
- 1 Rückblick 344
- 2 Ausblick 348
- 3 Zusammenfassung 350
- Anhang 353
- 1 Abkürzungsverzeichnis 353