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Kirche und Habitus im kulturellen
Gedächtnis266
Schlösser und Burgen flohen und die Untertanen ihrem Schicksal überließen, wie
bspw. der kaiserliche Vizedom von Ortenburg. Dort, wo Angriffe zurückgeworfen
werden konnten, wie bspw. bei Maria Saal, wurde göttliches Eingreifen vermutet.191
Im Rückblick musste diese Zeit, vor allem aber das Jahr 1480, als Apokalypse für
die Kärntner Bevölkerung wahrgenommen werden, wie es Unrest, der noch dazu
von Unwettern und Ernteausfällen schreibt, bestätigt :
Das yeczgenannt achtzigist jar was dem lanndt Kernndten gar eyn verderblich jar, wann
es khamen die Turckhen und khamen die Vngrichen inn das lanndt und khamen auch die
haberschreckh und ward groß pestilenntz und was eyn unwetterlich jar, das vill traydt auff
dem veldt belyb und verdarb.192
Friedrich erwies sich als unfähig, Corvinus’ Truppen in die Schranken zu weisen.
Erst mit dem Tod Corvinus’ 1490 zogen die ungarischen Truppen ab und der seit
1486 als Kaiser amtierende Maximilian konnte die besetzten bzw. verlorengegange-
nen Gebiete zurückerobern.193
2.3.2 Gedächtnisgeschichtliche Metamorphosen der Türkeneinfälle in Kärnten
Unrests Schilderungen zählen zweifellos zu den wichtigsten Quellen für diese Zeit.
Die Ereignisse dieser Jahre sollten in weiterer Folge immer wieder Gegenstand der
heimatlichen Geschichtsschreibung werden, wenngleich die historischen Fakten im
Laufe der Zeit den Interessen der jeweiligen Geschichts- und Geschichtenschreiber
»angepasst« wurden.194
Wilhelm Neumann hat einige Mythen und Geschichtsfälschungen rund um die
Türkeneinfälle in Kärnten aufgeklärt.195 Wirkungsgeschichtlich einflussreich wurden
dabei die schon für die Erinnerungstradition der Fürsteneinsetzungszeremonien am
Zollfeld bedeutsamen Annales Carinthiae. Die Darstellung der Türkenzeit sollte da-
bei das Bild und die Rolle der Landstände vorteilhafter erscheinen lassen. »Gleich-
zeitig waren die mehrheitlich protestantischen Landstände daran interessiert, ihre
Loyalität gegenüber den habsburgischen Landesfürsten zu bekunden. Die Publika-
tion einer dynastisch loyalen Kärntner Landesgeschichte, die auf die Darstellung
191 Ebd., 613.
192 Unrest, J.: Österreichische Chronik (1957), 111.
193 Fräss-Ehrfeld, C.: Das Mittelalter (1984), 616 f.
194 Vgl. zur geschichtspolitischen Rolle der Konflikte mit dem Osmanischen Reich den Sammelband
Feichtinger, J./Heiss, J. (Hg.) : Geschichtspolitik (2013) und zur identitätsstiftenden Funktion des
Feindbildes der Türken Feichtinger, J.: Einleitung (2013) ; für Kärnten vgl. den Beitrag von Schlegl,
I.: ›Türkenbilder‹ (2013).
195 Neumann, W.: Die Türkeneinfälle (1985).
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Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Title
- Die Kirche und die »Kärntner Seele«
- Subtitle
- Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Author
- Johannes Thonhauser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23291-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 402
- Keywords
- Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Danksagung 11
- Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
- 1 Vorbemerkungen 13
- 2 Hinführung 17
- 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
- 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
- 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
- 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
- 1 Missionierung und Christianisierung 59
- 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
- 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
- 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
- 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
- 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
- 3 Das Nationale Zeitalter 103
- Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
- 1 Hinführung 129
- 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
- 2.1 Hinführung 151
- 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
- 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
- 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
- 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
- 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
- 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
- 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
- 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
- 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
- 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
- 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
- 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
- 2.1 Hinführung 151
- 3 Zwischenresümee 216
- Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
- 1 Hinführung 223
- 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
- 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
- 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
- 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
- 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
- 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
- 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
- 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
- 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
- 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
- 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
- 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
- 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
- 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
- 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
- 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
- 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
- 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
- Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
- 1 Rückblick 344
- 2 Ausblick 348
- 3 Zusammenfassung 350
- Anhang 353
- 1 Abkürzungsverzeichnis 353