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187Die
Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938
2. Jede Abfallsanzeige bei [der] BH soll erst nach einer einjährigen Überlegungsfrist auf
neuerliches Ansuchen der Partei zur Kenntnis genommen werden.
3. Diese Kenntnisnahme ist mit einer Stempelgebühr von nicht unter 30 S zu belegen.
4. Alle Abfallsagitatoren wären auszuforschen u. einer strengen polizeilichen Strafe zuzu-
führen.
[Unterzeichnet von 15 Klerikern des Dekanats Spittal, Anm. d. Verf.]241
Soweit bekannt, wurden die rechtlichen Rahmenbedingungen zum Kirchenaustritt
nicht, wie hier gefordert, noch weiter verschärft. Einzig das Bundesland Salzburg
ging einen Schritt weiter : Hier bestrafte die Sicherheitsdirektion den Kirchenaus-
tritt mit einer sechsmonatigen Arreststrafe – diese derart drastische Maßnahme
wurde vom Bundesgerichtshof aber wieder aufgehoben.242
2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution
»Wenn nur ein Mensch einen Grund hätte, seinen Zorn an der Kirche auszulas-
sen ! !«243, ist da in einem der Antwortschreiben an das Ordinariat zu lesen. Die
Unwilligkeit, oder gar Unfähigkeit mancher Kleriker, die Zusammenhänge kirch-
licher und politischer Machtstellung zu reflektieren, ist in einigen Berichten zum
Vorschein gekommen. Der Hass auf die Regierungsverhältnisse entlud sich häufig in
Unmutsäußerungen gegen die Kirche und ihre Vertreter.
2.4.1 Antiklerikalismus und die Person des Pfarrers
Viele Priester mussten persönliche Schmähungen durch die Bevölkerung hinnehmen
und empfanden die Austrittspropaganda häufig als »Hetze gegen die gegenwärtigen
Seelsorger«244. Auffallend ist die Verwendung stark emotional gefärbter Begrifflich-
keiten in der Beschreibung der Beziehung zwischen Seelsorger und Bevölkerung.
Die Pfarrer sind mit »persönliche[m] Haß«245 und »innere[m] Grimm«246, »Er-
bitterung u. Verletzung«247 sowie mit »gehäßigen Reden gegen die Kirche u. die
Ortsgeistlichkeit«248 konfrontiert. Der Kontakt im alltäglichen Leben war von Miss-
241 Habernig, J. u. a.: Abfallsbewegung Dekanalamt Spittal (21.06.1934).
242 Hanisch, E.: Der Politische Katholizismus (1988), 63.
243 Neuwirther, F.: Austrittsbewegung Stadtpfarramt Friesach (05.10.1934).
244 Dollinger, A.: Oberdrauburg : Abfallsbewegung (26.07.1933).
245 Rudolph, P.: Abfallsbewegung Pfarre Altenmarkt (04.05.1935).
246 Rudolph, P.: Abfallsbewegung Pfarre Altenmarkt (10.12.1935).
247 Haag, K.: Monatlicher Apostasie-Ausweis Pfarre St. Martin in Villach (27.07.1933).
248 Krainer, K.: Abfallsbewegung Pfarre Stall (10.08.1933).
Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Title
- Die Kirche und die »Kärntner Seele«
- Subtitle
- Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Author
- Johannes Thonhauser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23291-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 402
- Keywords
- Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Danksagung 11
- Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
- 1 Vorbemerkungen 13
- 2 Hinführung 17
- 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
- 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
- 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
- 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
- 1 Missionierung und Christianisierung 59
- 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
- 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
- 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
- 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
- 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
- 3 Das Nationale Zeitalter 103
- Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
- 1 Hinführung 129
- 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
- 2.1 Hinführung 151
- 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
- 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
- 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
- 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
- 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
- 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
- 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
- 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
- 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
- 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
- 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
- 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
- 2.1 Hinführung 151
- 3 Zwischenresümee 216
- Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
- 1 Hinführung 223
- 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
- 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
- 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
- 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
- 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
- 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
- 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
- 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
- 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
- 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
- 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
- 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
- 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
- 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
- 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
- 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
- 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
- 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
- Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
- 1 Rückblick 344
- 2 Ausblick 348
- 3 Zusammenfassung 350
- Anhang 353
- 1 Abkürzungsverzeichnis 353