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173Die
Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938
Immer wieder verfolgt, da und dort scheinbar vernichtet – ich weise hin auf Rußland, auf
Mexiko, auf Spanien –, geht sie aus allen diesen Verfolgungen immer wieder wie der Phönix
aus der Asche in der Kraft des Heiligen Geistes strahlend hervor und erfüllt weiter durch
die Jahrhunderte und durch die Jahrtausende bis zum Ende der Zeiten ihre große Bestim-
mung, ihre Kinder zum Reiche Gottes über uns, zum Himmel, zu führen189.
Ob Hefters Erklärungs- und Befriedungsversuche in der Silvesterpredigt Wirkung
zeigten, kann bezweifelt werden. Der Hirtenbrief hatte in ganz Österreich den Na-
tionalsozialisten Gelegenheit zum Massenaufstand gegeben. Besonders heftig fielen
diese in Kärnten aus.
2.2.2.3 Die Ausschreitungen im Jänner 1934
Laut Pressemeldung war es am 10. Jänner 1934 »zu teilweise schweren Ausschrei-
tungen der Insassen mehrerer Arbeitslager […] zweier privater Vereinigungen, und
zwar des sogenannten Österreichischen Arbeitsdienstes und des Studentischen
Arbeitsdienstes«190 gekommen. Genannt werden Ausschreitungen von Lagerinsas-
sen im Burgenland, in Wien, in mehreren Lagern in der Steiermark sowie in Kärn-
ten im Lager in Steindorf, wo etwa 40 Personen mit »Hakenkreuzarmbinden« und
»unter Vorantragung einer Hakenkreuzfahne nach Villach [marschierten], um dort
zu demonstrieren.«191 Zu Auseinandersetzungen mit Todesfolgen kam es in Kla-
genfurt. Der Angriff gegen das katholische Pressegebäude der »Carinthia« und auf
den Chefredakteur des Kärntner Tagblattes, den Geistlichen Michael Paulitsch, zeugt
deutlich die antiklerikale Motivation hinter den Ereignissen.
Besonders schwere Ausschreitungen ereigneten sich in Klagenfurt, wo 70 bis 80 Personen
aus dem […] Lager Hollenburg vor das Gebäude der Carinthia zogen, in dem sich die
Druckerei des ›Kärntner Tagblattes‹ und mehrere christlichsoziale Parteilokale sowie die
Wohnung des Chefredakteurs des genannten Blattes, Monsignore Michael Paulitsch, be-
finden, und dort demonstrierten. Sie schlugen mehrere Fensterscheiben ein, warfen einen
Sprengkörper in den Hof der Carinthia und fielen ohne jeden Grund unter ›Heil-Hitler‹-
Rufen über den vor dem Gebäude Posten stehenden Schutzkorpsmann her. Nachdem
dieser einen Alarmschuß abgegeben hatte, stürzten sich etwa 30 Demonstranten auf ihn,
stießen ihn zu Boden, schleiften ihn eine längere Strecke, warfen ihn über einen Zaun
und mißhandelten ihn durch Fußtritte. Der schwer bedrängte und verletzte Wachposten
189 Ebd.
190 »Schwere Ausschreitungen in nat.-soz. Arbeitslager«, in : Kärntner Tagblatt (12.01.1934), 1.
191 Ebd.
Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Title
- Die Kirche und die »Kärntner Seele«
- Subtitle
- Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Author
- Johannes Thonhauser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23291-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 402
- Keywords
- Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Danksagung 11
- Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
- 1 Vorbemerkungen 13
- 2 Hinführung 17
- 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
- 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
- 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
- 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
- 1 Missionierung und Christianisierung 59
- 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
- 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
- 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
- 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
- 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
- 3 Das Nationale Zeitalter 103
- Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
- 1 Hinführung 129
- 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
- 2.1 Hinführung 151
- 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
- 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
- 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
- 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
- 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
- 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
- 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
- 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
- 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
- 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
- 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
- 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
- 2.1 Hinführung 151
- 3 Zwischenresümee 216
- Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
- 1 Hinführung 223
- 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
- 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
- 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
- 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
- 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
- 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
- 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
- 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
- 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
- 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
- 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
- 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
- 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
- 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
- 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
- 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
- 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
- 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
- Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
- 1 Rückblick 344
- 2 Ausblick 348
- 3 Zusammenfassung 350
- Anhang 353
- 1 Abkürzungsverzeichnis 353