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283Sieben
Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens
Verlustes wurde mit der Übermacht des Feindes erklärt, der »trotz der übermensch-
lichen Anstrengung und des Heldenmutes der Soldaten«254 siegreich blieb. In einer
dafür typischen Beschreibung der Schlacht bei Feistritz an der Drau im September
1813 heißt es : »Die Österreicher legten ganz hervorragende Proben ihrer Tapferkeit
ab, aber schließlich mußten sie, da sich auch Munitionsmangel einstellte, nach sech-
zehnstündigem, aufopferndem Kampfe der Übermacht ehrenvoll weichen.«255
In diesem Narrativ werden folgerichtig auch die »Braven von Kärnten […], die in
den Kriegswirren jener Zeit durch ihren Wagemut und die opferfreudigste Heimat-
liebe ein bleibendes Denkmal in unseren Herzen verdient haben«256, in den Vorder-
grund gerückt. Allen voran sind dies Johann Baptist Türk sowie die beiden Haupt-
männer Friedrich Hensel und Johann Hermann, die 1809 das Kommando über die
Verteidigungsanlagen in Malborghet und Predil hatten. Türk, ein gebürtiger Tiroler,
wird mitunter sogar als Kärntner vereinnahmt, »denn nun«, nachdem er in Klagen-
furt ansässig wurde, »fühlte er sich als ein Kärntner.«257
Was »Malborghet und Predil« betrifft, heißt es im schon mehrfach zitierten
Kärntner Heimatbuch von 1923 :
Unser Kärntnerland, an den Toren Italiens gelegen, hatte unendlich schwere Tage. Der
Heldenkampf des Forts Malborghet und Predil unter den Hauptleuten Hensel und Her-
mann endete mit der Erstürmung der Befestigung. Der Feind war zu stark. Hier fielen
Helden, hier starben Männer den Tod für die Heimat und diesem Heldenmute gebührt
tausendjähriger Nachruhm.258
Diesbezüglich bemerkenswert ist die Analyse Willibald Rosners, wie »Malborghet
und Predil« zu gedächtnisgeschichtlichen Schlagwörtern zumindest im soldati-
schen Milieu wurden, die »auf emotionaler Ebene anzusiedelnde, vorbildstiftende
Heldengeschichten«259 suggerierten, aber militärhistorisch betrachtet ein Fiasko wa-
ren. Strategisch falsche Einschätzungen, Fehlplanungen und Versäumnisse rund um
diese Verteidigungsanlagen wurden aber durch die vorherrschende Gedächtniskultur
überlagert, die die Verteidigungsschlachten zu Patriotengeschichten ersten Ranges
machte. »Die ›Heldengeschichte‹ war bereits stärker als die mögliche Wahrheit, und
sie ist es teilweise bis heute, wenn man – zugegeben, mit einer gewissen Fassungslo-
sigkeit – manche Produkte der Epigonenliteratur betrachtet.«260
254 Unterluggauer, J.: Kärnten in den Freiheitskriegen (1913), 25.
255 Ebd., 43.
256 Widmann, H.: Kärntner Heimatbuch (1923), 123.
257 Ebd., 124.
258 Ebd., 122, H. i. O.
259 Rosner, W.: Keine Ergebung (2009), 153 f.
260 Ebd., 198.
Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Title
- Die Kirche und die »Kärntner Seele«
- Subtitle
- Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Author
- Johannes Thonhauser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23291-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 402
- Keywords
- Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Danksagung 11
- Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
- 1 Vorbemerkungen 13
- 2 Hinführung 17
- 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
- 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
- 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
- 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
- 1 Missionierung und Christianisierung 59
- 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
- 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
- 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
- 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
- 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
- 3 Das Nationale Zeitalter 103
- Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
- 1 Hinführung 129
- 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
- 2.1 Hinführung 151
- 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
- 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
- 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
- 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
- 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
- 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
- 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
- 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
- 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
- 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
- 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
- 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
- 2.1 Hinführung 151
- 3 Zwischenresümee 216
- Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
- 1 Hinführung 223
- 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
- 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
- 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
- 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
- 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
- 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
- 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
- 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
- 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
- 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
- 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
- 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
- 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
- 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
- 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
- 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
- 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
- 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
- Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
- 1 Rückblick 344
- 2 Ausblick 348
- 3 Zusammenfassung 350
- Anhang 353
- 1 Abkürzungsverzeichnis 353