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155Die
Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938
Korrespondenzen des Ordinariates der Diözese Gurk mit den einzelnen Dekanaten
bzw. Pfarren gesichtet und mit den Methoden qualitativer Inhaltsanalyse ausgewer-
tet. Konkret erlaubt die mehrmalige Aufforderung des Ordinariates an die einzelnen
Pfarren, detaillierte Berichte zur sogenannten »Abfallsbewegung« monatlich einzu-
senden, Einblicke in das katholische, noch mehr aber in das antiklerikale Milieu jener
Zeit. Ausgehend von einem »Geheimerlass« vom 10. Juli 1933, in dem zunächst das
Verbot der politischen Betätigung von Geistlichen angeordnet, dann aber die umge-
hende und regelmäßige Berichterstattung zu etwaigen Kirchenaustritten gefordert
wurde, erfolgten zahlreiche Zuschriften aus den Dekanaten, die die entsprechenden
Berichte aus den einzelnen Pfarren zu sammeln hatten. Nach einer Sichtung des Ma-
terials wurden 176 der größtenteils handschriftlichen Dokumente transkribiert und
analysiert. Die wichtigsten Einsichten sollen nun dargestellt werden.
2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933
Ein Blick zunächst auf den Inhalt des erwähnten Geheimerlasses macht deutlich,
dass nur wenige Monate nach der Selbstausschaltung des Parlamentes und wenige
Wochen nach dem Verbot der NSDAP bei den Funktionären der Diözese Gurk of-
fenbar Grund zur Sorge über bevorstehende Austrittswellen herrschte :133
An
alle hochwürdigen Pfarrämter
der Diözese Gurk.
Das Fb. Gurker Ordinariat muss immer wieder in Erfahrung bringen, dass die wiederholt ge-
gebenen Weisungen hinsichtlich des Amtsverkehres vonseiten der Hochw. Pfarrämter vielfach
nicht beobachtet werden. Es werden darum neuerlich die diesbezüglich erlassenen Verord-
nungen (K.V.Bl. 1925, 28 ; 1929, 1 ; Vademecum für Dechante S. 16) in Erinnerung gebracht
und ebenso die Hochw. Herren Dechante neuerdings angewiesen, den ihnen unterstehenden
Klerus in dieser Hinsicht zu überwachen. Bei Nichtbefolgung dieser wiederholt gegebenen
Weisungen müsste das Fb. Gurker Ordinariat gegen die Übertreter mit Strafen vorgehen.
133 Bei der Transkription von Archivgut in diesem Kapitel wurden typographische Glättungen vorran-
gig im Hinblick auf fehlende oder überflüssige Leerschritte vorgenommen. Die aufgrund fehlender
Textverarbeitungsmöglichkeiten häufig auftretenden »Nachbearbeitungen« (Wörter oder Buchsta-
ben wurden nachträglich eingefügt bzw. durchgestrichen) der Dokumente wurden der besseren Les-
barkeit halber nicht eigens gekennzeichnet. Offensichtliche Fehler wurden, wenn möglich, mit einem
Zusatz des Autors in eckiger Klammer behoben oder mit einem [sic !] gekennzeichnet, mit Ausnahme
von Wörtern, deren Schreibweise sich durch die Rechtschreibreformen geändert hat. Personenna-
men wurden durch Initialen anonymisiert, es sei denn, es handelt sich um Personen des öffentlichen
Interesses (wozu in diesem Kontext auch die betreffenden Pfarrer gezählt werden).
Die Kirche und die »Kärntner Seele«
Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Title
- Die Kirche und die »Kärntner Seele«
- Subtitle
- Habitus, kulturelles Gedächtnis und katholische Kirche in Kärnten, insbesondere vor 1938
- Author
- Johannes Thonhauser
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2019
- Language
- German
- License
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23291-9
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 402
- Keywords
- Kärnten, katholische Kirche, kulturelles Gedächtnis, Habitus, Christlicher Ständestaat, nationalsozialistische Bewegung, Switbert Lobisser, Dolores Viesèr, Emilie Zenneck, Hans Sittenberger
- Categories
- Geschichte Historische Aufzeichnungen
Table of contents
- Danksagung 11
- Die katholische Kirche und der Sonderfall Kärnten 13
- 1 Vorbemerkungen 13
- 2 Hinführung 17
- 3 Theoretische Vorüberlegungen 30
- 3.1 Soziologische Grundannahmen 31
- 3.2 Kulturelles und kollektives Gedächtnis 39
- 3.3 Zum methodischen Umgang mit Kunst und Literatur 49
- 1 Missionierung und Christianisierung 59
- 1.1 Zur Missionierung und Christianisierung in Kärnten 60
- 1.2 Politische und kirchliche Entwicklungslinien Kärntens im Hochmittelalter 63
- 1.3 Die Kirche und die territoriale Integration Kärntens im Spätmittelalter 67
- 1.4 Religiöses Leben und kirchliche Struktur im spätmittelalterlichen Kärnten 69
- 2 Das Konfessionelle Zeitalter 73
- 3 Das Nationale Zeitalter 103
- Kirche und Habitus im »Christlichen Ständestaat« 129
- 1 Hinführung 129
- 2 Die Kirchenaustrittsbewegung in Kärnten 1933 bis 1938 151
- 2.1 Hinführung 151
- 2.1.1 Der Geheimerlass vom 10. Juli 1933 155
- 2.1.2 Zur politischen Parteinahme der Seelsorger in den Kärntner Pfarren 157
- 2.2 Zur allgemeinen Entwicklung der Kirchenaustrittsbewegung 1933 bis 1938 162
- 2.2.1 Vom Geheimerlass zu den Silvestertumulten 1933/34: die Ruhe vor dem Sturm 163
- 2.2.2 Von den Silvestertumulten 1933/34 bis zum Juliputsch 1934: der Exodus aus der Kirche 165
- 2.2.3 Vom Putsch 1934 zum Urgenzschreiben 1936: Es brodelt unter der Oberfläche weiter 177
- 2.2.4 Vom Urgenzschreiben 1936 bis zum »Anschluss« 1938: Vorbereitungen zum Massenaustritt 179
- 2.3 Kirchenaustritt aus politischer Opposition zum Ständestaat 181
- 2.4 Zur Rolle der Pfarrers und der katholischen Kirche als Institution 187
- 2.5 Zur Rolle der evangelischen Kirche 197
- 2.6 Die Nazi-Bewegung aus dem Blickwinkel katholischer Geistlicher 204
- 2.7 Wiederverheiratungswillige und Alternativreligiöse 212
- 2.1 Hinführung 151
- 3 Zwischenresümee 216
- Kirche und Habitus im kulturellen Gedächtnis 223
- 1 Hinführung 223
- 2 Sieben Erinnerungstraditionen im kulturellen Gedächtnis Kärntens 225
- 2.1 Die Missionierung Kärntens im kulturellen Gedächtnis 225
- 2.2 Hemma von Gurk als Schlüsselfigur kirchlicher (Gedächtnis-) Geschichte in Kärnten 233
- 2.2.1 Zur Heiligsprechung einer »deutschen Heiligen« 235
- 2.2.2 Dolores Viesèrs Hemma von Gurk (1938): eine christliche »Gegengeschichte« in »unchristlichen« Zeiten 239
- 2.2.2.1 Die Kärntner Landesmutter und ihre Untertanen 243
- 2.2.2.2 Die Kärntner als die »besseren Deutschen« 246
- 2.2.2.3 Das Zusammenspiel von Natur und Mensch 247
- 2.2.2.4 Zur Rolle von Klerus und Kirche 249
- 2.2.2.5 Von Knappen und Putschisten 252
- 2.2.2.6 Wider die Kritiker der Heiligsprechung 255
- 2.2.2.7 Zur Rezeption von Dolores Viesèr und ihres Romans Hemma von Gurk 257
- 2.3 Die »Türkenkriege« im kulturellen Gedächtnis Kärntens 260
- 2.4 Gegenreformation und Geheimprotestantismus im kulturellen Gedächtnis 270
- 2.5 Die Franzosenzeit im kulturellen Gedächtnis Kärntens 282
- 2.6 Klerus und Abwehrkampf im kulturellen Gedächtnis Kärntens amBeispiel von Josef F. Perkonigs Tragödie Heimsuchung (1920) 302
- 2.7 Ständestaat und Nationalsozialismus im kulturellen GedächtnisKärntens am Beispiel von Switbert Lobisser 318
- 3 Sieben Dimensionen des Kärntner Habitus 336
- Zusammenfassung und Ausblick Kirche, Habitus und kulturelles Gedächtnis in Kärnten 344
- 1 Rückblick 344
- 2 Ausblick 348
- 3 Zusammenfassung 350
- Anhang 353
- 1 Abkürzungsverzeichnis 353