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23Die
MĂŒhen der Literaturwissenschaft : Aporien der Forschung
nen Einsichten in dessen eminente SelbstreferenzialitĂ€t â wieder einen grö-
Ăeren Stellenwert zukommen zu lassen : Zu diesem Zweck bedarf es freilich
einer methodologischen Basis, welche in der Lage ist, die (in den vergangenen
Jahrzehnten von Seiten avancierter Literaturtheorie hÀufig als antagonistisch
behandelten) beiden sprachlichen â und damit auch narrativen â Funktionen
âReferenzialitĂ€tâ und âSelbstreferenzialitĂ€tâ methodisch sinnvoll zu integrie-
ren, ohne das Wissen um die Konstruiertheit literarischer Texte und der in
ihnen erzĂ€hlerisch gestalteten sozialen Welten wieder ĂŒber Bord zu werfen.
Um nicht durch die Einnahme âvorkritischerâ â etwa widerspiegelungstheo-
retischer â Positionen hinter die erreichten methodologischen Standards zu-
rĂŒckzufallen, ist also eine Sichtung einerseits der VorzĂŒge, andererseits der
Aporien und blinden Punkte jener AnnĂ€herungen an den Mann ohne EigenÂ
schaften erforderlich, die in programmatischer Weise neueren methodischen
Paradigmen verpflichtet sind. Unter diesem Gesichtspunkt seien zunÀchst
zwei einflussreiche Richtungen der neueren Forschung am Beispiel zweier
wirkungsmĂ€chtiger AufsĂ€tze diskutiert : Walter Mosers Artikel DiskursexperiÂ
mente im Romantext (1980) und Hartmut Böhmes Essay Eine Zeit ohne EigenÂ
schaften. Robert Musil und die Posthistoire (1986), der unter anderem wohl auch
Rolf GĂŒnter Renners These vom Transformativen ErzĂ€hlen (1991) Musils an-
geregt hat. Es handelt sich jeweils um Trendsetter der von ihnen vertretenen
Schulen, die deshalb als deren frĂŒhe und gleichsam idealtypische AusprĂ€gung
innerhalb der Musil-Forschung gelten können.
Walter Moser liest Musils âRoman als eine interdiskursive Versuchsanordnungâ58
und lĂ€sst sich dabei von der Foucaultâschen Diskursanalyse inspirieren, ohne
deren methodologische PrÀmissen durchweg zu teilen.59 Sein theoretischer
veranstaltete internationale und transdisziplinĂ€re Tagung ĂŒber âDie Grenzen des Realismus in
der ErzĂ€hlliteratur des 20. Jahrhundertsâ zeugt, lassen sich die Ergebnisse der einschlĂ€gigen
Forschung noch einmal von neuem und unaufgeregt mustern. Vgl. Fabry/Roland (Hg.) : Les
frontiÚres du réalisme dans la littérature narrative du XXe siÚcle/The Borders of Realism in 20th
Century Narrative Literature.
58 Moser : Diskursexperimente im Romantext, S. 173. Wie bereits erwÀhnt, sind Kursivierungen in
Zitaten hier und im Folgenden, soweit nicht anders gekennzeichnet, stets Hervorhebungen des
Originals.
59 Moser spricht ebd., S. 170, vom âPrivileg des Schriftstellersâ, das darin bestehe, diskursive âTren-
nungslinien zu ĂŒberschreiten und die ZwischenrĂ€ume zu erforschenâ. Mehr noch : âDank die-
ser interdiskursiven Dimensionen seiner Arbeit kann er auf das gesamte Diskurssystem EinfluĂ
nehmen. Vom Literarischen aus und im Literarischen darin kann das Beziehungsnetz dieses
Systems durchgespielt, ausprobiert, unstabil gemacht und verĂ€ndert werden.â Mit den theoreti-
schen PrĂ€missen und Implikationen von Foucaults LâarchĂ©ologie du savoir (1969) sowie vor allem
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book Kakanien als Gesellschaftskonstruktion - Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts"
Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Title
- Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
- Subtitle
- Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Author
- Norbert Christian Wolf
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78740-2
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 1224
- Keywords
- Robert Musil, The Man without Qualities, modern novel, sociology of the novel, Pierre Bourdieu, cultural history
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Vorbemerkung 9
- Einleitung 11
- TEIL I : GRUNDLEGUNG
- TEIL II : ROMANTEXT ALS KRĂFTEFELD
- 1. âVersuchsstation des Weltuntergangsâ : Chronotopos und sozialer Raum 261
- 2. âZeitfigurenâ 1913/1930 âam gesellschaftlichen Schachbrettâ : Kapitalausstattung und Habitusbildung 328
- Erben und Enterbte 344
- Ulrich, Mann ohne Eigenschaften ) â Der Dilettant Walter 347
- Mann mit Eigenschaften 378
- Eigenschaftslosigkeit aus Marginalisierung : Ulrichs Alter Ego Moosbrugger 392
- Der moderne Industrielle : Ulrichs Gegenspieler Arnheim 409
- Adel und modernerKonservativismus : Ulrichs Inversion Leinsdorf 457
- Aufsteiger und Gebremste 482
- Realpolitik als âAntiessayismusâ : Der FunktionĂ€r Tuzzi (489) â Zur sozialen Erzeugung von Eigenschaften : Leo Fischel, Liberaler und âJudeâ 501
- Ein trojanisches Pferd des MilitÀrs : General Stumm von Bordwehr 523
- Terroristen und Propheten 548
- Forcierte âEigenschaftlichkeitâ : Der Antisemit Hans Sepp 558
- eingast, Faschist und Schwerenöter 584
- Der selbstbewusste Proletarier und junge Sozialist SchmeiĂer 601
- Friedel Feuermaul, Pazifist aus dem âGeiste des Expressionismusâ 613
- Gefallene Geliebte 643
- Zerrissener Zusammenhang, perspektivische Verschiebung : Ulrichs Geliebte Leona 649
- Petrifizierte âEigenschaftlichkeitâ, Macht des Faktischen : Ulrichs Geliebte Bonadea 659
- Leidende an einer geheimnisvollen Zeitkrankheit 672
- Wahnsinn als Methode : Clarisse 676
- Die frustrierte Ehefrau Klementine Fischel 694
- Ein gespaltener Habitus : Gerda Fischel 698
- Angepasste und Dissidentinnen 708
- Diotima, Frau mit Eigenschaften 712
- Agathe, Frau ohne Eigenschaften 737
- 3. âDie falschen zwischenmenschlichen Vereinigungen unserer Gesellschaftâ : Konstellationen und Interaktionen 768
- Ehen in der Krise 781
- Erosion der GeschlechteridentitĂ€ten : Die âTrĂ€ger des Zeit- wandelsâ Walter und Clarisse 788
- Von der physiologischen âZwangsherrschaftâ zur wissenschaftlichen EhefĂŒhrung : Diotima und Tuzzi 799
- Das schleichende Eindringen des Politischen ins Private : Leo und Klementine Fischel 809
- Unordentliche VerhÀltnisse, Geschlechterkampf 817
- Der Intellektuelle und die Kontrafaktur der âschönen Seeleâ : Ulrich und Bonadea 825
- Coitus interruptus als âLustselbstmordâ : Ulrich und Gerda 844
- Liebesversuche jenseits der Ehe 885
- Ulrichs frĂŒhes Einheitserlebnis 894
- Die verbindende Kraft des Antisemitismus : Gerda Fischel und Hans Sepp 902
- Liebe Ă la hausse, platonische âBegegnung zweier Berggipfelâ : Diotima und Arnheim 908
- Die âletzte Liebesgeschichteâ als Experiment der Androgynie : Ulrich und Agathe 928
- 3.2 Gleichgeschlechtliche Konstellationen : Moderne MĂ€nnerbeziehungen 998
- Konkurrenz um Prinzipien und Menschen 1000
- Reviermarkierungen im Kampf um eine Frau : Tuzzi gegen Arnheim, PreuĂen gegen Ăsterreich 1005
- Der Intellektuelle und der GroĂschriftsteller als Versucher : Ulrich gegen Arnheim 1014
- Ideologische Gegnerschaften, Klassenkampf 1059
- Entgegengesetzte âExponenten des Zeitgeistesâ : Hans Sepp und Feuer maul 1063
- BildungsbĂŒrger contra KleinbĂŒrger : Ulrich und Hans Sepp 1078
- BildungsbĂŒrger contra Proletarier : Ulrich und SchmeiĂer 1086
- TEIL III : ERZEUGUNGSFORMEL DES WERKS UND SELBSTOBJEKTIVIERUNG DES AUTORS
- Literaturverzeichnis 1169
- Musil-Texte 1169
- Andere Quellen 1169
- Nachschlagewerke 1176
- Allgemeine Forschungsliteratur 1176
- SekundÀrliteratur zu Musil 1193
- Register 1208