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646 Teil II: Romantext als KrÀftefeld
Das Prinzip der Unterlegenheit und des Ausschlusses der Frau, das vom mythisch-
rituellen System ratifiziert und derart in seinem Geltungsbereich ausgeweitet wird,
daĂ es zum Einteilungsprinzip des ganzen Universums wird, ist nichts anderes als
die fundamentale Asymmetrie von Subjekt und Objekt, von Akteur und Instrument, die
zwischen dem Mann und der Frau auf dem Gebiet des symbolischen Tauschs, der
Produktions- und ReproduktionsverhÀltnisse des symbolischen Kapitals, entsteht,
auf denen die ganze soziale Ordnung basiert und deren zentraler Mechanismus der
Heiratsmarkt ist : Die Frauen können dort nur als Objekte oder, besser, als Symbole
in Erscheinung treten, deren Sinn auĂerhalb ihrer selbst konstituiert wird und deren
Funktion es ist, zur Erhaltung oder Mehrung des den MÀnnern gehörenden symbo-
lischen Kapitals beizutragen.912
In diesem Zusammenhang kann es nicht ĂŒberraschen, wenn der aus dem
Tausch âzu erzielende symbolische Profit [âŠ] zu einem Teil vom symboli-
schen Wert der [âŠ] verfĂŒgbaren Frauenâ abhĂ€ngt, âd. h. von deren Reputa-
tion und insbesondere von deren Keuschheit, die zum fetischisierten MaĂstab
der mÀnnlichen Reputation, mithin des symbolischen Kapitals der ganzen Li-
nie, gemacht wirdâ.913 Dementsprechend sind in âvormodernenâ Gesellschaf-
ten âdie Frauen vor Beleidigungen und VerdĂ€chtigungen zu schĂŒtzende Werte,
die, wenn sie in Tauschhandlungen eingehen, BĂŒndnisse herstellen, d. h. so-
ziales Kapital produzieren, und VerbĂŒndete mit Prestige gewinnen, d. h. sym-
bolisches Kapital produzierenâ914. Die Reputation der Frauen wirkt nĂ€mlich
unmittelbar auf jene der MĂ€nner zurĂŒck. âInsofern ist die Ehre der BrĂŒder
oder der VĂ€ter, die zu einer ebenso eifersĂŒchtigen, ja paranoiden Wachsamkeit
wie die der EhemĂ€nner fĂŒhrt, eine Form des wohlverstandenen Interesses.â915
Daraus wird deutlich : âDas entscheidende Gewicht der Ăkonomie der sym-
bolischen GĂŒter, das durch das fundamentale Teilungsprinzip die gesamte
Wahrnehmung der sozialen Welt organisiert, bestimmt das gesamte soziale
Universum, d. h. nicht nur die Ăkonomie der ökonomischen Produktion, son-
dern auch die Ăkonomie der biologischen Reproduktion.â916 Mit anderen Wor-
ten :
912 Bourdieu : Die mÀnnliche Herrschaft, S. 78 f.
913 Ebd., S. 84.
914 Ebd., S. 83 f.
915 Ebd., S. 84.
916 Ebd.
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Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Title
- Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
- Subtitle
- Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Author
- Norbert Christian Wolf
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78740-2
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 1224
- Keywords
- Robert Musil, The Man without Qualities, modern novel, sociology of the novel, Pierre Bourdieu, cultural history
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Vorbemerkung 9
- Einleitung 11
- TEIL I : GRUNDLEGUNG
- TEIL II : ROMANTEXT ALS KRĂFTEFELD
- 1. âVersuchsstation des Weltuntergangsâ : Chronotopos und sozialer Raum 261
- 2. âZeitfigurenâ 1913/1930 âam gesellschaftlichen Schachbrettâ : Kapitalausstattung und Habitusbildung 328
- Erben und Enterbte 344
- Ulrich, Mann ohne Eigenschaften ) â Der Dilettant Walter 347
- Mann mit Eigenschaften 378
- Eigenschaftslosigkeit aus Marginalisierung : Ulrichs Alter Ego Moosbrugger 392
- Der moderne Industrielle : Ulrichs Gegenspieler Arnheim 409
- Adel und modernerKonservativismus : Ulrichs Inversion Leinsdorf 457
- Aufsteiger und Gebremste 482
- Realpolitik als âAntiessayismusâ : Der FunktionĂ€r Tuzzi (489) â Zur sozialen Erzeugung von Eigenschaften : Leo Fischel, Liberaler und âJudeâ 501
- Ein trojanisches Pferd des MilitÀrs : General Stumm von Bordwehr 523
- Terroristen und Propheten 548
- Forcierte âEigenschaftlichkeitâ : Der Antisemit Hans Sepp 558
- eingast, Faschist und Schwerenöter 584
- Der selbstbewusste Proletarier und junge Sozialist SchmeiĂer 601
- Friedel Feuermaul, Pazifist aus dem âGeiste des Expressionismusâ 613
- Gefallene Geliebte 643
- Zerrissener Zusammenhang, perspektivische Verschiebung : Ulrichs Geliebte Leona 649
- Petrifizierte âEigenschaftlichkeitâ, Macht des Faktischen : Ulrichs Geliebte Bonadea 659
- Leidende an einer geheimnisvollen Zeitkrankheit 672
- Wahnsinn als Methode : Clarisse 676
- Die frustrierte Ehefrau Klementine Fischel 694
- Ein gespaltener Habitus : Gerda Fischel 698
- Angepasste und Dissidentinnen 708
- Diotima, Frau mit Eigenschaften 712
- Agathe, Frau ohne Eigenschaften 737
- 3. âDie falschen zwischenmenschlichen Vereinigungen unserer Gesellschaftâ : Konstellationen und Interaktionen 768
- Ehen in der Krise 781
- Erosion der GeschlechteridentitĂ€ten : Die âTrĂ€ger des Zeit- wandelsâ Walter und Clarisse 788
- Von der physiologischen âZwangsherrschaftâ zur wissenschaftlichen EhefĂŒhrung : Diotima und Tuzzi 799
- Das schleichende Eindringen des Politischen ins Private : Leo und Klementine Fischel 809
- Unordentliche VerhÀltnisse, Geschlechterkampf 817
- Der Intellektuelle und die Kontrafaktur der âschönen Seeleâ : Ulrich und Bonadea 825
- Coitus interruptus als âLustselbstmordâ : Ulrich und Gerda 844
- Liebesversuche jenseits der Ehe 885
- Ulrichs frĂŒhes Einheitserlebnis 894
- Die verbindende Kraft des Antisemitismus : Gerda Fischel und Hans Sepp 902
- Liebe Ă la hausse, platonische âBegegnung zweier Berggipfelâ : Diotima und Arnheim 908
- Die âletzte Liebesgeschichteâ als Experiment der Androgynie : Ulrich und Agathe 928
- 3.2 Gleichgeschlechtliche Konstellationen : Moderne MĂ€nnerbeziehungen 998
- Konkurrenz um Prinzipien und Menschen 1000
- Reviermarkierungen im Kampf um eine Frau : Tuzzi gegen Arnheim, PreuĂen gegen Ăsterreich 1005
- Der Intellektuelle und der GroĂschriftsteller als Versucher : Ulrich gegen Arnheim 1014
- Ideologische Gegnerschaften, Klassenkampf 1059
- Entgegengesetzte âExponenten des Zeitgeistesâ : Hans Sepp und Feuer maul 1063
- BildungsbĂŒrger contra KleinbĂŒrger : Ulrich und Hans Sepp 1078
- BildungsbĂŒrger contra Proletarier : Ulrich und SchmeiĂer 1086
- TEIL III : ERZEUGUNGSFORMEL DES WERKS UND SELBSTOBJEKTIVIERUNG DES AUTORS
- Literaturverzeichnis 1169
- Musil-Texte 1169
- Andere Quellen 1169
- Nachschlagewerke 1176
- Allgemeine Forschungsliteratur 1176
- SekundÀrliteratur zu Musil 1193
- Register 1208