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Teil II: Romantext als
KrÀftefeld1048
albernen VorgĂ€ngen zu folgen, denen sie beiwohnen muĂten ; er trank sie förmlich
wie ein Kenner, dessen Gesicht ausdrĂŒckt : ich will nicht zuviel sagen, aber das ist
ganz edles GewÀchs ! (MoE 178 f.)
Musils ErzÀhler, der die Perspektive Ulrichs (seltener auch jene Arnheims)
streckenweise sogar aufnimmt, gibt zu dessen auffallender Gereiztheit in der
Gegenwart des GroĂschriftstellers bzw. zu ihrer ErklĂ€rung Folgendes zu be-
denken :
Er widersprach ihm unhöflich oft und ungeziemend ironisch und Àrgerte sich selbst
ĂŒber diesen Mangel an Haltung, den er besser durch das VergnĂŒgen schweigender
Beobachtung ersetzt haben wĂŒrde. Aber es geschah zu seinem eigenen Erstaunen,
daĂ er sich durch Arnheim so heftig gereizt fĂŒhlte. Er sah den von der Gunst der
VerhÀltnisse gemÀsteten, vorbildlichen Einzelfall einer geistigen Entwicklung in ihm,
die er haĂte. Denn dieser berĂŒhmte Schriftsteller war klug genug, um die fragwĂŒrdige
Lage zu begreifen, in die sich der Mensch gebracht hat, seit er sein Bild nicht mehr
im Spiegel der BÀche sucht, sondern in den scharfen BruchflÀchen seiner Intelligenz ;
aber dieser schreibende Eisenkönig gab die Schuld daran dem Auftreten der Intelli-
genz und nicht ihrer Unvollkommenheit. Es lag ein Schwindel in dieser Vereinigung
von Kohlenpreis und Seele, die zugleich eine zweckdienliche Trennung dessen war,
was Arnheim mit hellem Wissen tat, von dem, was er in dÀmmeriger Ahnung redete
und schrieb. (MoE 281)
Folgt man dieser ersten ErklĂ€rung, dann entzĂŒndet sich Ulrichs Ărger an der
exemplarischen, weil in der modernen Welt allgegenwÀrtigen intellektuellen
Unredlichkeit, die er in Arnheim und dessen neomystischen ganzheitlichen
Syntheseversprechen, ja in dessen verschwommener Ganzheitsphilosophie
insgesamt verkörpert sieht. Doch das ist noch nicht alles :
Dazu kam, um noch mehr Unbehagen in Ulrich zu erregen, etwas, das ihm neu war,
die Verbindung von Geist mit Reichtum ; denn wenn Arnheim annÀhernd wie ein
Spezialist ĂŒber irgendeine Einzelfrage sprach, um dann plötzlich mit einer lĂ€ssigen
GebĂ€rde die Einzelheiten im Licht eines âgroĂen Gedankensâ verschwinden zu las-
sen, so mochte das wohl einem nicht unberechtigten BedĂŒrfnis entspringen, aber
zugleich erinnerte dieses freie VerfĂŒgen nach zwei Richtungen an den reichen Mann,
der sich alles leistet, was gut und teuer ist. (MoE 281 f.)
Ulrich sieht in Arnheims Denken einen Geist am Werk, fĂŒr den die Welt â und
auch die Welt des Gedankens â prinzipiell kĂ€uflich ist, also das schiere Ge-
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Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Title
- Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
- Subtitle
- Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Author
- Norbert Christian Wolf
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78740-2
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 1224
- Keywords
- Robert Musil, The Man without Qualities, modern novel, sociology of the novel, Pierre Bourdieu, cultural history
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Vorbemerkung 9
- Einleitung 11
- TEIL I : GRUNDLEGUNG
- TEIL II : ROMANTEXT ALS KRĂFTEFELD
- 1. âVersuchsstation des Weltuntergangsâ : Chronotopos und sozialer Raum 261
- 2. âZeitfigurenâ 1913/1930 âam gesellschaftlichen Schachbrettâ : Kapitalausstattung und Habitusbildung 328
- Erben und Enterbte 344
- Ulrich, Mann ohne Eigenschaften ) â Der Dilettant Walter 347
- Mann mit Eigenschaften 378
- Eigenschaftslosigkeit aus Marginalisierung : Ulrichs Alter Ego Moosbrugger 392
- Der moderne Industrielle : Ulrichs Gegenspieler Arnheim 409
- Adel und modernerKonservativismus : Ulrichs Inversion Leinsdorf 457
- Aufsteiger und Gebremste 482
- Realpolitik als âAntiessayismusâ : Der FunktionĂ€r Tuzzi (489) â Zur sozialen Erzeugung von Eigenschaften : Leo Fischel, Liberaler und âJudeâ 501
- Ein trojanisches Pferd des MilitÀrs : General Stumm von Bordwehr 523
- Terroristen und Propheten 548
- Forcierte âEigenschaftlichkeitâ : Der Antisemit Hans Sepp 558
- eingast, Faschist und Schwerenöter 584
- Der selbstbewusste Proletarier und junge Sozialist SchmeiĂer 601
- Friedel Feuermaul, Pazifist aus dem âGeiste des Expressionismusâ 613
- Gefallene Geliebte 643
- Zerrissener Zusammenhang, perspektivische Verschiebung : Ulrichs Geliebte Leona 649
- Petrifizierte âEigenschaftlichkeitâ, Macht des Faktischen : Ulrichs Geliebte Bonadea 659
- Leidende an einer geheimnisvollen Zeitkrankheit 672
- Wahnsinn als Methode : Clarisse 676
- Die frustrierte Ehefrau Klementine Fischel 694
- Ein gespaltener Habitus : Gerda Fischel 698
- Angepasste und Dissidentinnen 708
- Diotima, Frau mit Eigenschaften 712
- Agathe, Frau ohne Eigenschaften 737
- 3. âDie falschen zwischenmenschlichen Vereinigungen unserer Gesellschaftâ : Konstellationen und Interaktionen 768
- Ehen in der Krise 781
- Erosion der GeschlechteridentitĂ€ten : Die âTrĂ€ger des Zeit- wandelsâ Walter und Clarisse 788
- Von der physiologischen âZwangsherrschaftâ zur wissenschaftlichen EhefĂŒhrung : Diotima und Tuzzi 799
- Das schleichende Eindringen des Politischen ins Private : Leo und Klementine Fischel 809
- Unordentliche VerhÀltnisse, Geschlechterkampf 817
- Der Intellektuelle und die Kontrafaktur der âschönen Seeleâ : Ulrich und Bonadea 825
- Coitus interruptus als âLustselbstmordâ : Ulrich und Gerda 844
- Liebesversuche jenseits der Ehe 885
- Ulrichs frĂŒhes Einheitserlebnis 894
- Die verbindende Kraft des Antisemitismus : Gerda Fischel und Hans Sepp 902
- Liebe Ă la hausse, platonische âBegegnung zweier Berggipfelâ : Diotima und Arnheim 908
- Die âletzte Liebesgeschichteâ als Experiment der Androgynie : Ulrich und Agathe 928
- 3.2 Gleichgeschlechtliche Konstellationen : Moderne MĂ€nnerbeziehungen 998
- Konkurrenz um Prinzipien und Menschen 1000
- Reviermarkierungen im Kampf um eine Frau : Tuzzi gegen Arnheim, PreuĂen gegen Ăsterreich 1005
- Der Intellektuelle und der GroĂschriftsteller als Versucher : Ulrich gegen Arnheim 1014
- Ideologische Gegnerschaften, Klassenkampf 1059
- Entgegengesetzte âExponenten des Zeitgeistesâ : Hans Sepp und Feuer maul 1063
- BildungsbĂŒrger contra KleinbĂŒrger : Ulrich und Hans Sepp 1078
- BildungsbĂŒrger contra Proletarier : Ulrich und SchmeiĂer 1086
- TEIL III : ERZEUGUNGSFORMEL DES WERKS UND SELBSTOBJEKTIVIERUNG DES AUTORS
- Literaturverzeichnis 1169
- Musil-Texte 1169
- Andere Quellen 1169
- Nachschlagewerke 1176
- Allgemeine Forschungsliteratur 1176
- SekundÀrliteratur zu Musil 1193
- Register 1208