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âDie falschen zwischenmenschlichen Vereinigungen unserer Gesellschaftâ 1049
genteil seiner selbst.730 Genau dies manifestiert sich dem ErzÀhler zufolge in
jedem einzelnen Gedanken des GroĂschriftstellers, ja auch in jeder einzelnen
GebÀrde :
Er war geistreich in einer immer ein wenig an das Verfahren des wirklichen Reich-
tums gemahnenden Bedeutung. Und vielleicht war es auch das noch nicht, was Ul-
rich am meisten reizte, dem berĂŒhmten Mann Schwierigkeiten zu bereiten, sondern
das war vielleicht die Neigung, die dessen Geist zu einer wĂŒrdigen Hof- und Haus-
haltung bekundete, die von selbst zur Verbindung mit den besten Marken des Her-
kömmlichen wie des Ungewöhnlichen fĂŒhrt ; denn im Spiegel ihrer genieĂerischen
Kennerschaft sah Ulrich die affektierte Fratze, die das Gesicht der Zeit ist, wenn man
daraus die wenigen wirklich starken ZĂŒge der Leidenschaft und des Denkens ent-
fernt, und fand darĂŒber kaum Gelegenheit, auf den Mann besser einzugehen, dem
man wahrscheinlich auch allerlei Verdienste nachsagen konnte. (MoE 282)
In den abschlieĂenden Worten dieses Zitats klingt erstmals eine partielle
Blindheit in Sachen Arnheim an, von welcher der sonst kĂŒhl analysierende
Ulrich aufgrund seines so tief sitzenden Ressentiments geschlagen ist. Zu-
gleich bringt diese ungewöhnliche Befangenheit eine bisher dunkle Seite des
Mannes ohne Eigenschaften ans Licht und macht ihn mithin menschlicher, ja
geradezu sympathisch, obwohl der ErzÀhler weià :
Es war natĂŒrlich ein völlig sinnloser Kampf, den er da fĂŒhrte, in einer Umgebung,
die Arnheim von vornherein rechtgab, und fĂŒr eine Sache, die gar keine Wichtigkeit
besaà ; bestenfalls hÀtte man sagen können, daà diese Sinnlosigkeit den Sinn restloser
Selbstverschwendung hatte. Es war aber auch ein ganz aussichtsloser Kampf, denn
wenn es Ulrich wirklich einmal gelang, seinen Gegner zu verwunden, so muĂte er
erkennen, daĂ er die falsche Seite getroffen hatte ; gleich einem geflĂŒgelten Wesen
erhob sich dann, wenn der Geistmensch Arnheim besiegt am Boden zu liegen schien,
der Wirklichkeitsmensch Arnheim mit einem nachsichtigen LĂ€cheln und eilte von
solcher GesprĂ€che mĂŒĂigem Wesen zu Taten nach Bagdad oder Madrid. / Diese Un-
verwundbarkeit ermöglichte es ihm, der Ungezogenheit des jĂŒngeren Mannes jene
freundschaftliche Kameradschaft entgegenzusetzen, ĂŒber deren Ursprung dieser mit
sich nicht ins reine kam. (MoE 282)
Wiederum gibt sich Ulrich als Vertreter einer Ăkonomie der Verausgabung zu
erkennen, wĂ€hrend der stets ĂŒberlegen scheinende Nabob seinem bisweilen
730 Vgl. dagegen Laermann : Eigenschaftslosigkeit, S. 20 f.
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book Kakanien als Gesellschaftskonstruktion - Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts"
Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Title
- Kakanien als Gesellschaftskonstruktion
- Subtitle
- Robert Musils Sozioanalyse des 20. Jahrhunderts
- Author
- Norbert Christian Wolf
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2011
- Language
- German
- License
- CC BY-NC-ND 3.0
- ISBN
- 978-3-205-78740-2
- Size
- 15.5 x 23.0 cm
- Pages
- 1224
- Keywords
- Robert Musil, The Man without Qualities, modern novel, sociology of the novel, Pierre Bourdieu, cultural history
- Category
- Geisteswissenschaften
Table of contents
- Vorbemerkung 9
- Einleitung 11
- TEIL I : GRUNDLEGUNG
- TEIL II : ROMANTEXT ALS KRĂFTEFELD
- 1. âVersuchsstation des Weltuntergangsâ : Chronotopos und sozialer Raum 261
- 2. âZeitfigurenâ 1913/1930 âam gesellschaftlichen Schachbrettâ : Kapitalausstattung und Habitusbildung 328
- Erben und Enterbte 344
- Ulrich, Mann ohne Eigenschaften ) â Der Dilettant Walter 347
- Mann mit Eigenschaften 378
- Eigenschaftslosigkeit aus Marginalisierung : Ulrichs Alter Ego Moosbrugger 392
- Der moderne Industrielle : Ulrichs Gegenspieler Arnheim 409
- Adel und modernerKonservativismus : Ulrichs Inversion Leinsdorf 457
- Aufsteiger und Gebremste 482
- Realpolitik als âAntiessayismusâ : Der FunktionĂ€r Tuzzi (489) â Zur sozialen Erzeugung von Eigenschaften : Leo Fischel, Liberaler und âJudeâ 501
- Ein trojanisches Pferd des MilitÀrs : General Stumm von Bordwehr 523
- Terroristen und Propheten 548
- Forcierte âEigenschaftlichkeitâ : Der Antisemit Hans Sepp 558
- eingast, Faschist und Schwerenöter 584
- Der selbstbewusste Proletarier und junge Sozialist SchmeiĂer 601
- Friedel Feuermaul, Pazifist aus dem âGeiste des Expressionismusâ 613
- Gefallene Geliebte 643
- Zerrissener Zusammenhang, perspektivische Verschiebung : Ulrichs Geliebte Leona 649
- Petrifizierte âEigenschaftlichkeitâ, Macht des Faktischen : Ulrichs Geliebte Bonadea 659
- Leidende an einer geheimnisvollen Zeitkrankheit 672
- Wahnsinn als Methode : Clarisse 676
- Die frustrierte Ehefrau Klementine Fischel 694
- Ein gespaltener Habitus : Gerda Fischel 698
- Angepasste und Dissidentinnen 708
- Diotima, Frau mit Eigenschaften 712
- Agathe, Frau ohne Eigenschaften 737
- 3. âDie falschen zwischenmenschlichen Vereinigungen unserer Gesellschaftâ : Konstellationen und Interaktionen 768
- Ehen in der Krise 781
- Erosion der GeschlechteridentitĂ€ten : Die âTrĂ€ger des Zeit- wandelsâ Walter und Clarisse 788
- Von der physiologischen âZwangsherrschaftâ zur wissenschaftlichen EhefĂŒhrung : Diotima und Tuzzi 799
- Das schleichende Eindringen des Politischen ins Private : Leo und Klementine Fischel 809
- Unordentliche VerhÀltnisse, Geschlechterkampf 817
- Der Intellektuelle und die Kontrafaktur der âschönen Seeleâ : Ulrich und Bonadea 825
- Coitus interruptus als âLustselbstmordâ : Ulrich und Gerda 844
- Liebesversuche jenseits der Ehe 885
- Ulrichs frĂŒhes Einheitserlebnis 894
- Die verbindende Kraft des Antisemitismus : Gerda Fischel und Hans Sepp 902
- Liebe Ă la hausse, platonische âBegegnung zweier Berggipfelâ : Diotima und Arnheim 908
- Die âletzte Liebesgeschichteâ als Experiment der Androgynie : Ulrich und Agathe 928
- 3.2 Gleichgeschlechtliche Konstellationen : Moderne MĂ€nnerbeziehungen 998
- Konkurrenz um Prinzipien und Menschen 1000
- Reviermarkierungen im Kampf um eine Frau : Tuzzi gegen Arnheim, PreuĂen gegen Ăsterreich 1005
- Der Intellektuelle und der GroĂschriftsteller als Versucher : Ulrich gegen Arnheim 1014
- Ideologische Gegnerschaften, Klassenkampf 1059
- Entgegengesetzte âExponenten des Zeitgeistesâ : Hans Sepp und Feuer maul 1063
- BildungsbĂŒrger contra KleinbĂŒrger : Ulrich und Hans Sepp 1078
- BildungsbĂŒrger contra Proletarier : Ulrich und SchmeiĂer 1086
- TEIL III : ERZEUGUNGSFORMEL DES WERKS UND SELBSTOBJEKTIVIERUNG DES AUTORS
- Literaturverzeichnis 1169
- Musil-Texte 1169
- Andere Quellen 1169
- Nachschlagewerke 1176
- Allgemeine Forschungsliteratur 1176
- SekundÀrliteratur zu Musil 1193
- Register 1208