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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
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Das böhmisch-mährische System der Familienstellen 31 wovon allerdings einige, so der verantwortliche Beamte, wieder nach Mähren zu- rückgekommen seien, »welches die Überzähligkeit verursacht« habe. Der von der Hofkanzlei in Wien um ein Gutachten gebetene mährische Statthalter, Graf Ugarte, vertrat allerdings die Ansicht, dass der Bittsteller mit seinem Strafnachsichtsgesu- che abzuweisen sei, da »die Bestrafung zur verfänglichen Warnung und Erziehung anderer Beamter und Gemeinden nötig sei«. Die Hofkanzlei ihrerseits schlug dem Kaiser vor, dem Beamten die Geldstrafe nachzusehen, dafür allerdings die jüdische Gemeinde Lomnitz umso mehr zu belangen, als diese vorsätzlich die Überzähligkeit verursacht habe. Bezüglich der Höhe der vorgesehenen Strafe empfahl die Hofkanz- lei, statt ursprünglich 100 nur 25 Dukaten zu verhängen, der Gemeinde aber deut- lich zu machen, dass »keinem zweitgeborenen Sohn daselbst das Heiraten gestattet werden dürfe, bis sich die überzähligen Familien vermindert« hätten. Der Kaiser schloss sich dieser Auffassung an, forderte aber ausdrücklich dazu auf, dem Beamten des Lomnitzer Wirtschaftsamtes einen Verweis zu erteilen.91 Da die Zahl der Juden in Mähren trotz des restriktiven Überwachungssystems weiter wuchs und die Meldungen wegen »Überzähligkeit« an die Hofkanzlei kein Ende nahmen, entschloss sich Joseph II. im Jahr 1787, das mährische Judensystem teilweise zu reformieren.92 Mit seinem Patent vom 17. November 1787 ordnete er an, »die Anzahl der in dem Markgraftum Mähren unter dem Schutze der Landesre- gierung wohnenden Judenfamilien zu vermehren, und zum Besten derselben die bis- her errichtete Familientaxe herabzusetzen«. Zugleich sollte »zur sicheren und leich- teren Erhebung der übrigen Steuern« eine Abgabe auf Esswaren (Verzehrsteuer) ein- geführt werden. Die Anzahl der Judenfamilien (bisher 5106) sollte sich auf 5400 er- höhen. Dem Gubernium kam die Aufgabe zu, die zusätzlichen Familienstellen unter den jüdischen Gemeinden verhältnismäßig aufzuteilen und für jede Gemeinde die Zahl der Judenfamilien genau festzusetzen. Die Gemeinden ihrerseits hatten darüber zu wachen, dass kein Jude eine Familienstelle bekam, der nicht alle zur Erlangung der Ehebewilligung vorgeschriebenen Bedingungen erfüllte und darüber hinaus be- wiesen hatte, dass er das zur Erhaltung einer Familie nötige Vermögen besitze.93 Doch auch nach dieser Reform des mährischen Judensystems gelang es nachgebo- renen Söhnen nur ausnahmsweise, eine der begehrten Familienstellen zu erwerben. 91 AVA Inneres, Hofkanzlei IV T 8, Mähren-Schlesien, Nov. 1787, ohne Zahl (Brandakt). 92 Zu den mährischen Juden vgl. Zdenka Stoklásková : Fremdsein in Böhmen und Mähren, in : Heindl/ Saurer (Hg.) : Grenze und Staat, S.  665ff, sowie auch : Hannelore Burger : Juden zwischen Wien und Brünn, in : Lukáš Fasora et al. (Hg.) : Brünn  – Wien, Wien  – Brünn. Landesmetropolen und Zentrum des Reiches im 19. Jahrhundert (Brünn 2008), S.  243–252. 93 Verneuertes Patent wegen Beschränkung der jüdischen Heiraten vom 18. September 1752. Kund- gemacht mit Patent vom 17. November 1787, AVA Inneres, Hofkanzlei IV T 8, Mähren-Schlesien, ohne Zahl (Brandakt).
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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden
Untertitel
Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Autor
Hannelore Burger
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79495-0
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
292
Schlagwörter
Heimatrecht, Staatsbürgerschaft, Juden, Österreichische Juden, Judenemanzipation, Toleranz, Josephinische Reformen, Österreichische Monarchie, Ausgleich, Österreich-Ungarn, Erste Republik, Nationalsozialistische Judenverfolgung, Ausbürgerung
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Einführung 9
  2. Von der Epoche des josephinischen Reformabsolutismus bis zum Ende des Neoabsolutismus 15
  3. Die Frage der jüdischen Bürgerrechte in der Aufklärung 15
  4. Exkurs : Juden in den österreichischen Ländern vom Hochmittelalter bis in das Zeitalter der Emanzipation 19
  5. Die josephinische Zäsur 26
  6. Das böhmisch-mährische System der Familienstellen 29
  7. Das Toleranzpatent für die Juden Galiziens 34
  8. Anhaltende »Verschiedenheit des politischen Zustandes« 38
  9. Die Vertretung der Tolerierten 39
  10. Das Judenamt 40
  11. Die Hofkanzlei als Hüterin der Toleranz 45
  12. Taufen und Nobilitierungen 47
  13. Die Kodifizierung des Staatsbürgerschaftsrechts 51
  14. Die staatsbürgerliche Stellung der Juden im Vormärz
  15. und das Auftauchen der »Judenfrage« 53
  16. Die bürgerliche Revolution von 1848 und die veränderte staatsbürgerliche Stellung der Juden 59
  17. Juden als österreichische Reichsbürger 62
  18. Inklusion und Exklusion von Juden in der Zeit des Neoabsolutismus 64
  19. Das Heimatrecht der österreichischen Juden 70
  20. Die Sonderstellung der »türkischen« Juden 74
  21. Die Entwicklung von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Epoche des Ausgleichs 77
  22. Der Anteil der Juden an den Einbürgerungen 77
  23. Die Vermehrung der jüdischen Bevölkerung in Cisleithanien 80
  24. Die rechtliche Gleichstellung der Juden durch das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger im Dezember 1867 82
  25. Rückkehr in die »verbotene Stadt« 83
  26. Paradoxe Fremde 85
  27. Die dualistische Verschärfung 86
  28. Motive für den Erwerb von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 88
  29. Heimatrecht und Staatsbürgerschaft jüdischer Frauen 90
  30. Heimatrecht und soziale Frage 91
  31. Der Fall Dr. Hugo Stark 92
  32. Der Fall Julia Singer 93
  33. Der Fall Lea Weitzmann 95
  34. »Schutzgenossen« und »Untertanen de facto« 96
  35. Zur Ambivalenz von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 97
  36. Die Nationalitätenkonflikte der Verfassungszeit und die (sprach-)nationale Identität der Juden 100
  37. Kafkas Sprachen 100
  38. Die Bedeutung von Bildung im Judentum 103
  39. Sprache, Nationalität und Recht im Unterrichtswesen 105
  40. Jüdische Kinder in den Mühlen des Nationalitätenkampfes 109
  41. Der Anteil jüdischer Schüler am höheren Bildungswesen 112
  42. Sprachen, Nationalitäten, Identitäten 114
  43. Das mehrsprachige Unterrichtswesen in der Bukowina 115
  44. Der Verdacht gegen die Mehrsprachigkeit 116
  45. Die Ethnisierung der Nationalitätenkonflikte 117
  46. Die Wiederkehr der »Judenfrage« in der Epoche des Ausgleichs 119
  47. Juden im Ersten Weltkrieg 130
  48. Theorie und Praxis von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Ersten Republik 132
  49. Die Aus- und Einbürgerungen des autoritären Ständestaates 141
  50. Verfolgung, Vertreibung, Ausbürgerung, Vernichtung während der NS-Herrschaft 146
  51. Die Implementierung der Nürnberger Gesetze in Österreich 146
  52. Signaturen der Vertreibung 152
  53. Die Ausbürgerung und der Befehl zur »Endlösung« 155
  54. Die Wiederherstellung der Staatsbürgerschaft in der Zweiten Republik 166
  55. Der Fall Raviv 172
  56. Staatenlosigkeit als Massenschicksal 187
  57. Der Fall Elias Canetti 188
  58. Der Fall Manès Sperber 200
  59. Semantische Nachbemerkungen 213
  60. Verzeichnis der Archive 222
  61. Literaturverzeichnis 223
  62. Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen 244
  63. Zeittafel 245
  64. Register 264
  65. Personen 264
  66. Orte 269
  67. Sachen 271
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