Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Historische Aufzeichnungen
Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Seite - 33 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 33 - in Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart

Bild der Seite - 33 -

Bild der Seite - 33 - in Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart

Text der Seite - 33 -

Das böhmisch-mährische System der Familienstellen 33 Familienstelle und (als drittgeborener Sohn) um Nachsicht der vorschriftsmäßigen Eigenschaft«. Das um Stellungnahme gebetene Kreisamt in Iglau/Jíhlava berich- tete, dass die Familienstelle seines Vaters bereits vergeben, aber eine andere noch frei sei, um welche sich allerdings schon vier Erstgeborene beworben hätten. Die Triescher Judengemeinde, in der es bereits dreizehn überzählige Familien gab, hatte sich gleichwohl für den Bittsteller erklärt, weil dieser »nebst seinen übrigen guten Eigenschaften« ein eigenes Haus und ein Vermögen von 2000 Gulden besitze. Aus der Erwägung, dass die Gemeinde »sehr im Vermögen herabgekommen« sei und viele verarmte Familien zu versorgen habe, trat das Kreisamt dafür ein, »dass dem Weinberger  … die Drittgeburt nachgesehen« und demselben gestattet werde, »bei künftiger Erledigung einer Familienstelle« sich um diese zu bewerben.97 Im seltenen Fall, dass sich ausländische Juden um eine mährische Familienstelle bewarben, war man besonders vorsichtig. Als der aus Philadelphia stammende, in ei- ner Olmützer/Olomouc Handelsgesellschaft tätige Löwy Lyons (im Akt auch Lions) in einem Majestätsgesuch um eine Familienstelle bat, befand das zuständige Kreis- amt, dass man in der Sache »zwar vollkommen einverstanden« sei, da die gesetz- lichen Bestimmungen jedoch ausdrücklich vorsähen, »dass fremde Juden […] ein Vermögen von wenigstens 10.000 fl« auswiesen, der Betroffene sich aber außer mit Wechselbriefen nur mit einem Schuldschein seines in Philadelphia zurückgelassen Bruders ausgewiesen habe, rate man dazu, abzuwarten, bis der Bittsteller eine mit seinem Vermögen in Verhältnis stehende Abgabe an den jüdischen Landesfonds und einen angemessenen Beitrag an die Gemeinde entrichtet habe.98 Nicht in jedem Fall allerdings waren es Wohlhabende, die das Aufenthaltsrecht in einer Gemeinde erwarben. Die für den religiösen Dienst in den mährischen Juden- gemeinden sowie auch die für den Schulunterricht jüdischer Kinder notwendigen Personen erhielten unabhängig von jedem Vermögen das Aufenthaltsrecht in ihrer Gemeinde. So bittet etwa die Proßnitzer/Prostějov Judengemeinde in einem Hof- gesuch vom März 1793, den Juden Ascher Singer als Normallehrer, Schulsinger und Gemeindeschreiber aufnehmen zu dürfen, was ihr umgehend gestattet wird.99 Bei aller Mühsal, die das Familiantenwesen für die betroffenen jüdischen Fami- lien bedeutete, ist doch festzuhalten, dass der staatsbürgerliche Status der Juden in 97 Mit kaiserlichem Dekret vom 16. Mai 1795 wurde Aron Weinberger der gewünschte Dispens »aus Gnade« erteilt. Dem Bittsteller sei die erste »in Erledigung gehende Familienstelle zu Triesch« zu verleihen. Bis dahin sei er »mit seinem Heiratsgesuch zur Geduld« zu verweisen. AVA Inneres, Hof- kanzlei IV T 8, Mähren-Schlesien, Nr. 76 aus Mai 1795. 98 Die kaiserliche Entschließung lautete dahingehend, »dass dem Juden Löwi Lions die Zusicherung auf eine in Zukunft erledigt werdende Familienstelle nach beigebrachtem Ausweis über sein Vermö- gen erteilt werden könne«. Ebenda, Nr. 47 aus Oktober 1792. 99 Ebenda, Nr. 134 aus März 1793.
zurück zum  Buch Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart"
Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden
Untertitel
Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Autor
Hannelore Burger
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79495-0
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
292
Schlagwörter
Heimatrecht, Staatsbürgerschaft, Juden, Österreichische Juden, Judenemanzipation, Toleranz, Josephinische Reformen, Österreichische Monarchie, Ausgleich, Österreich-Ungarn, Erste Republik, Nationalsozialistische Judenverfolgung, Ausbürgerung
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Einführung 9
  2. Von der Epoche des josephinischen Reformabsolutismus bis zum Ende des Neoabsolutismus 15
  3. Die Frage der jüdischen Bürgerrechte in der Aufklärung 15
  4. Exkurs : Juden in den österreichischen Ländern vom Hochmittelalter bis in das Zeitalter der Emanzipation 19
  5. Die josephinische Zäsur 26
  6. Das böhmisch-mährische System der Familienstellen 29
  7. Das Toleranzpatent für die Juden Galiziens 34
  8. Anhaltende »Verschiedenheit des politischen Zustandes« 38
  9. Die Vertretung der Tolerierten 39
  10. Das Judenamt 40
  11. Die Hofkanzlei als Hüterin der Toleranz 45
  12. Taufen und Nobilitierungen 47
  13. Die Kodifizierung des Staatsbürgerschaftsrechts 51
  14. Die staatsbürgerliche Stellung der Juden im Vormärz
  15. und das Auftauchen der »Judenfrage« 53
  16. Die bürgerliche Revolution von 1848 und die veränderte staatsbürgerliche Stellung der Juden 59
  17. Juden als österreichische Reichsbürger 62
  18. Inklusion und Exklusion von Juden in der Zeit des Neoabsolutismus 64
  19. Das Heimatrecht der österreichischen Juden 70
  20. Die Sonderstellung der »türkischen« Juden 74
  21. Die Entwicklung von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Epoche des Ausgleichs 77
  22. Der Anteil der Juden an den Einbürgerungen 77
  23. Die Vermehrung der jüdischen Bevölkerung in Cisleithanien 80
  24. Die rechtliche Gleichstellung der Juden durch das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger im Dezember 1867 82
  25. Rückkehr in die »verbotene Stadt« 83
  26. Paradoxe Fremde 85
  27. Die dualistische Verschärfung 86
  28. Motive für den Erwerb von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 88
  29. Heimatrecht und Staatsbürgerschaft jüdischer Frauen 90
  30. Heimatrecht und soziale Frage 91
  31. Der Fall Dr. Hugo Stark 92
  32. Der Fall Julia Singer 93
  33. Der Fall Lea Weitzmann 95
  34. »Schutzgenossen« und »Untertanen de facto« 96
  35. Zur Ambivalenz von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 97
  36. Die Nationalitätenkonflikte der Verfassungszeit und die (sprach-)nationale Identität der Juden 100
  37. Kafkas Sprachen 100
  38. Die Bedeutung von Bildung im Judentum 103
  39. Sprache, Nationalität und Recht im Unterrichtswesen 105
  40. Jüdische Kinder in den Mühlen des Nationalitätenkampfes 109
  41. Der Anteil jüdischer Schüler am höheren Bildungswesen 112
  42. Sprachen, Nationalitäten, Identitäten 114
  43. Das mehrsprachige Unterrichtswesen in der Bukowina 115
  44. Der Verdacht gegen die Mehrsprachigkeit 116
  45. Die Ethnisierung der Nationalitätenkonflikte 117
  46. Die Wiederkehr der »Judenfrage« in der Epoche des Ausgleichs 119
  47. Juden im Ersten Weltkrieg 130
  48. Theorie und Praxis von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Ersten Republik 132
  49. Die Aus- und Einbürgerungen des autoritären Ständestaates 141
  50. Verfolgung, Vertreibung, Ausbürgerung, Vernichtung während der NS-Herrschaft 146
  51. Die Implementierung der Nürnberger Gesetze in Österreich 146
  52. Signaturen der Vertreibung 152
  53. Die Ausbürgerung und der Befehl zur »Endlösung« 155
  54. Die Wiederherstellung der Staatsbürgerschaft in der Zweiten Republik 166
  55. Der Fall Raviv 172
  56. Staatenlosigkeit als Massenschicksal 187
  57. Der Fall Elias Canetti 188
  58. Der Fall Manès Sperber 200
  59. Semantische Nachbemerkungen 213
  60. Verzeichnis der Archive 222
  61. Literaturverzeichnis 223
  62. Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen 244
  63. Zeittafel 245
  64. Register 264
  65. Personen 264
  66. Orte 269
  67. Sachen 271
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden