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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Seite - 63 -
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Juden als österreichische Reichsbürger 63 viele enttäuschte, wird das »allgemeine österreichische Reichsbürgerrecht«, das nun selbst in den ungarischen Ländern galt, oft als die »vollkommenste Ausformung« des österreichischen Staatsbürgerschaftsrechts gepriesen.199 Die Staatsrechtslehre der späten Monarchie sieht mit der Reichsbürgerschaft von 1849 das verwirklicht, wo- nach schon die Autoren des Allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches gestrebt hätten : die Zurückweisung jeglichen Partikularismus, die Aufhebung jeder besonderen Lan- deszugehörigkeit, die Verwirklichung des modernen Einheitsstaates.200 Franz von Stadion hatte zwar bewusst vieles, was im Entwurf von Kremsier enthalten war, in die Verfassung einfließen lassen, doch vor dem Volk als der »Gesamtheit der Staats- bürger«  – so die Formulierung im Kremsierer Grundrechtskatalog  – schreckte er zurück. Ersatzweise und im Sinne eines strengen Zentralismus dekretierte er, dass in keinem Kronlande »zwischen seinen Angehörigen und jenen eines anderen Kron- landes ein Unterschied im bürgerlichen und politischen Rechte, im Rechtsverfahren und in der Verteilung der öffentlichen Lasten« bestehen solle.201 Aus liberaler Sicht bedeutete das Reichsbürgerrecht des Frühkonstitutionalismus einen Fortschritt, eine Wende hin zum modernen Verfassungsstaat. Auch die österreichischen Juden begrüßten es emphatisch, erklärte doch der § 1 der Märzverfassung, dass der Ge- nuss der bürgerlichen und politischen Rechte vom Religionsbekenntnis unabhängig sei.202 Zwar waren von Seiten der Konservativen (vor allem Karl Friedrich Freiherr v. Kübeck) Bedenken gegen die implizite Einbeziehung von Juden in den Artikel über die Glaubens- und Gewissensfreiheit erhoben worden, doch die Mehrheit des Ka- binetts war von der Notwendigkeit einer prinzipiellen Anerkennung der Emanzipa- tion  – wenn auch aus unterschiedlichen, nicht immer edlen Motiven  – überzeugt.203 Die faktische Umsetzung sollte mit einem besonderen Reichsgesetz geregelt werden, mit dessen Vorbereitung Justizminister Schmerling betraut wurde. Darüber hinaus wurde im Ministerrat vom 29. März 1849 positiv entschieden, dass »Juden nunmehr zum Besitze von Häusern qualifiziert seien«.204 Mit der Grundbesitzfähigkeit hatten 199 Siehe Rudolf v. Herrnritt : Handbuch des österreichischen Verfassungsrechtes (Tübingen 1909), S.  79. 200 Josef Fritz Redlich : Das österreichische Staats- und Reichsproblem, Bd. I (Leipzig 1929), S.  341ff. 201 Vgl. Burger, Staatsbürgerschaft, S.  162f. 202 Vgl. Edmund Bernatzik : Österreichische Verfassungsgesetze (Wien 1911), S.  39ff. 203 Justizminister Bach warnte : »Wenn man die Juden als Parias behandelt, so hat man es mit einer sehr gefährlichen Klasse von Menschen zu tun. Sie haben das große Wort in der Presse, in den Volks- versammlungen und viele Geldmittel zur Disposition.« Die Protokolle des Österreichischen Minis- terrates 1848–1867. ÖMRProt II./1, Regierung Schwarzenberg, bearbeitet von Thomas Kletečka (Wien 2002), Nr. 20 v. 20. Februar 1849. 204 Eine diesbezügliche Anfrage der Niederösterreichischen Landesregierung wurde durch Justizminis- ter Alexander Bach mit Hinweis auf die Bestimmungen des § 1 der österreichischen Grundrechte bejaht. ÖMRProt II/1, bearbeitet von Thomas Kletečka (Wien 2005), Nr. 39, v. 29. März 1849.
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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden
Untertitel
Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Autor
Hannelore Burger
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79495-0
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
292
Schlagwörter
Heimatrecht, Staatsbürgerschaft, Juden, Österreichische Juden, Judenemanzipation, Toleranz, Josephinische Reformen, Österreichische Monarchie, Ausgleich, Österreich-Ungarn, Erste Republik, Nationalsozialistische Judenverfolgung, Ausbürgerung
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Einführung 9
  2. Von der Epoche des josephinischen Reformabsolutismus bis zum Ende des Neoabsolutismus 15
  3. Die Frage der jüdischen Bürgerrechte in der Aufklärung 15
  4. Exkurs : Juden in den österreichischen Ländern vom Hochmittelalter bis in das Zeitalter der Emanzipation 19
  5. Die josephinische Zäsur 26
  6. Das böhmisch-mährische System der Familienstellen 29
  7. Das Toleranzpatent für die Juden Galiziens 34
  8. Anhaltende »Verschiedenheit des politischen Zustandes« 38
  9. Die Vertretung der Tolerierten 39
  10. Das Judenamt 40
  11. Die Hofkanzlei als Hüterin der Toleranz 45
  12. Taufen und Nobilitierungen 47
  13. Die Kodifizierung des Staatsbürgerschaftsrechts 51
  14. Die staatsbürgerliche Stellung der Juden im Vormärz
  15. und das Auftauchen der »Judenfrage« 53
  16. Die bürgerliche Revolution von 1848 und die veränderte staatsbürgerliche Stellung der Juden 59
  17. Juden als österreichische Reichsbürger 62
  18. Inklusion und Exklusion von Juden in der Zeit des Neoabsolutismus 64
  19. Das Heimatrecht der österreichischen Juden 70
  20. Die Sonderstellung der »türkischen« Juden 74
  21. Die Entwicklung von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Epoche des Ausgleichs 77
  22. Der Anteil der Juden an den Einbürgerungen 77
  23. Die Vermehrung der jüdischen Bevölkerung in Cisleithanien 80
  24. Die rechtliche Gleichstellung der Juden durch das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger im Dezember 1867 82
  25. Rückkehr in die »verbotene Stadt« 83
  26. Paradoxe Fremde 85
  27. Die dualistische Verschärfung 86
  28. Motive für den Erwerb von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 88
  29. Heimatrecht und Staatsbürgerschaft jüdischer Frauen 90
  30. Heimatrecht und soziale Frage 91
  31. Der Fall Dr. Hugo Stark 92
  32. Der Fall Julia Singer 93
  33. Der Fall Lea Weitzmann 95
  34. »Schutzgenossen« und »Untertanen de facto« 96
  35. Zur Ambivalenz von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 97
  36. Die Nationalitätenkonflikte der Verfassungszeit und die (sprach-)nationale Identität der Juden 100
  37. Kafkas Sprachen 100
  38. Die Bedeutung von Bildung im Judentum 103
  39. Sprache, Nationalität und Recht im Unterrichtswesen 105
  40. Jüdische Kinder in den Mühlen des Nationalitätenkampfes 109
  41. Der Anteil jüdischer Schüler am höheren Bildungswesen 112
  42. Sprachen, Nationalitäten, Identitäten 114
  43. Das mehrsprachige Unterrichtswesen in der Bukowina 115
  44. Der Verdacht gegen die Mehrsprachigkeit 116
  45. Die Ethnisierung der Nationalitätenkonflikte 117
  46. Die Wiederkehr der »Judenfrage« in der Epoche des Ausgleichs 119
  47. Juden im Ersten Weltkrieg 130
  48. Theorie und Praxis von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Ersten Republik 132
  49. Die Aus- und Einbürgerungen des autoritären Ständestaates 141
  50. Verfolgung, Vertreibung, Ausbürgerung, Vernichtung während der NS-Herrschaft 146
  51. Die Implementierung der Nürnberger Gesetze in Österreich 146
  52. Signaturen der Vertreibung 152
  53. Die Ausbürgerung und der Befehl zur »Endlösung« 155
  54. Die Wiederherstellung der Staatsbürgerschaft in der Zweiten Republik 166
  55. Der Fall Raviv 172
  56. Staatenlosigkeit als Massenschicksal 187
  57. Der Fall Elias Canetti 188
  58. Der Fall Manès Sperber 200
  59. Semantische Nachbemerkungen 213
  60. Verzeichnis der Archive 222
  61. Literaturverzeichnis 223
  62. Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen 244
  63. Zeittafel 245
  64. Register 264
  65. Personen 264
  66. Orte 269
  67. Sachen 271
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