Web-Books
im Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Geschichte
Historische Aufzeichnungen
Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Seite - 106 -
  • Benutzer
  • Version
    • Vollversion
    • Textversion
  • Sprache
    • Deutsch
    • English - Englisch

Seite - 106 - in Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart

Bild der Seite - 106 -

Bild der Seite - 106 - in Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart

Text der Seite - 106 -

106 Die Nationalitätenkonflikte der Verfassungszeit Die Gleichberechtigung aller landesüblichen Sprachen in Schule, Amt und öf- fentlichem Leben wird vom Staate anerkannt. in besonderem Maße dass Problemfeld der Unterrichtssprache berührt. Da hier kei- ner Sprache (etwa als Amts- oder Staatssprache) Priorität eingeräumt worden war, be- deutete das, dass erstens jede der in Cisleithanien anerkannten Landessprachen, d. h. Deutsch, Tschechisch, Polnisch, Ruthenisch, Slowenisch, Serbokroatisch, Italienisch, Rumänisch, Unterrichtssprache in jenen Kronländern sein konnte, in denen diese Spra- che landesüblich war (also etwa Slowenisch in der Steiermark, Kärnten, Krain und dem Küstenland, Görz und Triest), und dass zweitens keiner Sprache allein aus Grün- den der Staatsräson zukam, in allen Kronländern verpflichtend gelehrt zu werden. Besonderen Sprengstoff aber barg der dritte Absatz des Artikels 19 : In den Ländern, in welchen mehrere Volksstämme wohnen, sollen die öffentli- chen Unterrichtsanstalten derart eingerichtet sein, dass ohne Anwendung eines Zwanges zur Erlernung einer zweiten Landessprache jeder dieser Volksstämme die erforderlichen Mittel zur Ausübung in seiner Sprache erhält.362 Diese in zeitgenössischer Terminologie Sprachenzwangsverbot genannte Bestimmung führte in sprachpolitischer Hinsicht zu einem Paradigmenwechsel. Im Kern ging sie auf die am Verfassungsprozess beteiligten deutsch-böhmischen Abgeordneten zurück und zielte auf die Abschaffung des bis dahin verpflichtenden Tschechischunterrichts an den deutschen Gymnasien Böhmens und Mährens.363 Tatsächlich beschlossen der böhmische und wenig später alle anderen Landtage die Aufhebung aller Ge- setzesbestimmungen, die die verpflichtende Erlernung einer zweiten Landessprache anordneten.364 Sehr bald aber schon sollte das »Sprachenzwangsgesetz« vor allem ge- gen die deutsche Sprache wirksam werden, die unter dem Druck der nichtdeutschen Nationalitäten zunehmend in die Defensive geriet. Nach der Sanktionierung der vier Staatsgrundgesetze (Dezemberverfassung) kam es zu Beginn des Jahres 1868 zur Bildung des sogenannten »Bürgerministeriums« unter dem Fürsten Carlos Auersperg. Ihm gehörten bedeutende Liberale an, darun- ter auch getaufte Juden : Karl Giskra (Inneres), Julius Glaser (Finanzen), Ernst Ber- ger (ohne Portefeuille). Es war dies, wie Sigmund Freud es einmal ausgedrückt hat, rechtsdemokratie. Studien zur Begriffs- und Institutionengeschichte des liberalen Verfassungsstaa- tes (Studien zu Politik und Verwaltung Band 29) (Wien/Köln 1989), S.  239–258, hier : S.  252 sowie : Haider, Protokolle, S.  119. 362 RGBl. Nr. 142/1867, zit. nach : Burger, Sprachenrecht, S.  37. 363 Vgl. Stourzh, Gleichberechtigung, S.  54. 364 Vgl. Burger, Sprachenrecht S.  38.
zurück zum  Buch Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart"
Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden
Untertitel
Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Autor
Hannelore Burger
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79495-0
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
292
Schlagwörter
Heimatrecht, Staatsbürgerschaft, Juden, Österreichische Juden, Judenemanzipation, Toleranz, Josephinische Reformen, Österreichische Monarchie, Ausgleich, Österreich-Ungarn, Erste Republik, Nationalsozialistische Judenverfolgung, Ausbürgerung
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Einführung 9
  2. Von der Epoche des josephinischen Reformabsolutismus bis zum Ende des Neoabsolutismus 15
  3. Die Frage der jüdischen Bürgerrechte in der Aufklärung 15
  4. Exkurs : Juden in den österreichischen Ländern vom Hochmittelalter bis in das Zeitalter der Emanzipation 19
  5. Die josephinische Zäsur 26
  6. Das böhmisch-mährische System der Familienstellen 29
  7. Das Toleranzpatent für die Juden Galiziens 34
  8. Anhaltende »Verschiedenheit des politischen Zustandes« 38
  9. Die Vertretung der Tolerierten 39
  10. Das Judenamt 40
  11. Die Hofkanzlei als Hüterin der Toleranz 45
  12. Taufen und Nobilitierungen 47
  13. Die Kodifizierung des Staatsbürgerschaftsrechts 51
  14. Die staatsbürgerliche Stellung der Juden im Vormärz
  15. und das Auftauchen der »Judenfrage« 53
  16. Die bürgerliche Revolution von 1848 und die veränderte staatsbürgerliche Stellung der Juden 59
  17. Juden als österreichische Reichsbürger 62
  18. Inklusion und Exklusion von Juden in der Zeit des Neoabsolutismus 64
  19. Das Heimatrecht der österreichischen Juden 70
  20. Die Sonderstellung der »türkischen« Juden 74
  21. Die Entwicklung von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Epoche des Ausgleichs 77
  22. Der Anteil der Juden an den Einbürgerungen 77
  23. Die Vermehrung der jüdischen Bevölkerung in Cisleithanien 80
  24. Die rechtliche Gleichstellung der Juden durch das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger im Dezember 1867 82
  25. Rückkehr in die »verbotene Stadt« 83
  26. Paradoxe Fremde 85
  27. Die dualistische Verschärfung 86
  28. Motive für den Erwerb von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 88
  29. Heimatrecht und Staatsbürgerschaft jüdischer Frauen 90
  30. Heimatrecht und soziale Frage 91
  31. Der Fall Dr. Hugo Stark 92
  32. Der Fall Julia Singer 93
  33. Der Fall Lea Weitzmann 95
  34. »Schutzgenossen« und »Untertanen de facto« 96
  35. Zur Ambivalenz von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 97
  36. Die Nationalitätenkonflikte der Verfassungszeit und die (sprach-)nationale Identität der Juden 100
  37. Kafkas Sprachen 100
  38. Die Bedeutung von Bildung im Judentum 103
  39. Sprache, Nationalität und Recht im Unterrichtswesen 105
  40. Jüdische Kinder in den Mühlen des Nationalitätenkampfes 109
  41. Der Anteil jüdischer Schüler am höheren Bildungswesen 112
  42. Sprachen, Nationalitäten, Identitäten 114
  43. Das mehrsprachige Unterrichtswesen in der Bukowina 115
  44. Der Verdacht gegen die Mehrsprachigkeit 116
  45. Die Ethnisierung der Nationalitätenkonflikte 117
  46. Die Wiederkehr der »Judenfrage« in der Epoche des Ausgleichs 119
  47. Juden im Ersten Weltkrieg 130
  48. Theorie und Praxis von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Ersten Republik 132
  49. Die Aus- und Einbürgerungen des autoritären Ständestaates 141
  50. Verfolgung, Vertreibung, Ausbürgerung, Vernichtung während der NS-Herrschaft 146
  51. Die Implementierung der Nürnberger Gesetze in Österreich 146
  52. Signaturen der Vertreibung 152
  53. Die Ausbürgerung und der Befehl zur »Endlösung« 155
  54. Die Wiederherstellung der Staatsbürgerschaft in der Zweiten Republik 166
  55. Der Fall Raviv 172
  56. Staatenlosigkeit als Massenschicksal 187
  57. Der Fall Elias Canetti 188
  58. Der Fall Manès Sperber 200
  59. Semantische Nachbemerkungen 213
  60. Verzeichnis der Archive 222
  61. Literaturverzeichnis 223
  62. Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen 244
  63. Zeittafel 245
  64. Register 264
  65. Personen 264
  66. Orte 269
  67. Sachen 271
Web-Books
Bibliothek
Datenschutz
Impressum
Austria-Forum
Austria-Forum
Web-Books
Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden