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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Seite - 218 -
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Seite - 218 - in Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden - Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart

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218 Semantische Nachbemerkungen stimmungen über Erwerb und Verlust der öster reichi schen Staats bürgerschaft erlas- sen, doch umsonst suche man, klagte der Verfasser der ersten Mono graphie »Über die Österreichi sche Staatsbürger schaft« Gotthart von Bu schmann, »nach einer ausdrück lichen Begriffs bestimmung«. Mangels dieser bliebe, so Buschmann, gar nichts anderes übrig, »als die Be griffe aus dem Geist der Gesetzgebung« abzulei- ten.760 Staatsbürger und Staats bürger schaft waren Ende des 18. Jahr hun derts im Allge- meinen noch subversive Begriffe. Sie enthielten, wie Reinhart Koselleck bemerkt, ein Versprechen, das Ver sprechen, dass anstelle einer überkom menen Standes gesell- schaft eine Gesell schaft formal gleichberechtigter Staats bürger treten solle.761 In der österreichischen Monarchie allerdings wurden die neuen Begriffe keines wegs sub- versiv von einem sich formierenden aufbegehrenden Bürgertum gebraucht, sondern in auf klärerischer Absicht von den josephinischen Eliten selbst. Staatsbürger und Staatsbürgerschaft wurden  – aufgeladen mit allem jose phini schen Pathos  – rasch zu Kampf begriffen, die sich gegen Stände herr schaft und jeden Partikularismus richte- ten. Dabei war man sich der schwierigen Gratwanderung bei der Übernahme der »französischen Ideen« durchaus bewusst. So verteidigte etwa Joseph v. Sonnenfels die Über nahme des Begriffs Bürger in seine Staatslehre mit der Bemerkung, dass sich seiner ja nicht unbedingt »Empörer und Sklaven« annehmen müssten, sondern eben Bürger. »Denn warum soll in dem Miß brauche eingeräumt sein, den Sinn eines Wortes verdächtig zu machen oder zu ent stellen, das bis jetzt immer einen Menschen bezeichnet hat, der unter dem unmittelbaren Schutze der öffentlichen Verwaltung die Rechte der gesell schaftlichen Vereinigung genießt und nur Gesetzen und dem Organe der Gesetze, dem Oberhaupt des Staates, untertan ist.«762 Eine weitere Schwierigkeit des Umgangs mit den Begriffen Staatsbürger und Staatsbürgerschaft (im altösterreichischen Kontext) liegt darin, dass sie nicht nur im Zeitablauf der hier beschriebe nen Epoche, sondern auch in der diese Epoche inter- pretierenden staatswissenschaftlichen Literatur ihre Bedeutung stark veränderten. So wurde das »allgemeine österreichische Reichsbürgerrecht« der oktroyierten Märzver- fassung von 1849, das jetzt auch für die ungarischen Länder gelten sollte, oft als die »vollkommenste Ausformung« des österreichischen Staatsbürgerschaftsrechts geprie- sen.763 Die Staatsrechtslehre der späten Monarchie sah mit der Reichsbürgerschaft von 1849 das verwirklicht, wonach schon die Autoren des Allgemeinen bürgerlichen 760 Gotthard von Buschmann : Über die österreichische Staatsbürgerschaft (erste Auflage 1833, Wien 21841), S.  10. 761 Reinhart Koselleck : Vergangene Zukunft. Zur Semantik geschichtlicher Zeiten (Frankfurt a. M. 1979), S.  111. 762 Joseph v. Sonnenfels, Handbuch der inneren Staatsverwaltung, Bd. 1 (Wien 1798), S.  XXX. 763 Rudolf v. Herrnritt : Handbuch des österreichischen Verfassungsrechtes (Tübingen 1909), S.  79.
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Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Heimatrecht und Staatsbürgerschaft österreichischer Juden
Untertitel
Vom Ende des 18. Jahrhunderts bis in die Gegenwart
Autor
Hannelore Burger
Ort
Wien
Datum
2014
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC-ND 3.0
ISBN
978-3-205-79495-0
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
292
Schlagwörter
Heimatrecht, Staatsbürgerschaft, Juden, Österreichische Juden, Judenemanzipation, Toleranz, Josephinische Reformen, Österreichische Monarchie, Ausgleich, Österreich-Ungarn, Erste Republik, Nationalsozialistische Judenverfolgung, Ausbürgerung
Kategorien
Geschichte Historische Aufzeichnungen

Inhaltsverzeichnis

  1. Einführung 9
  2. Von der Epoche des josephinischen Reformabsolutismus bis zum Ende des Neoabsolutismus 15
  3. Die Frage der jüdischen Bürgerrechte in der Aufklärung 15
  4. Exkurs : Juden in den österreichischen Ländern vom Hochmittelalter bis in das Zeitalter der Emanzipation 19
  5. Die josephinische Zäsur 26
  6. Das böhmisch-mährische System der Familienstellen 29
  7. Das Toleranzpatent für die Juden Galiziens 34
  8. Anhaltende »Verschiedenheit des politischen Zustandes« 38
  9. Die Vertretung der Tolerierten 39
  10. Das Judenamt 40
  11. Die Hofkanzlei als Hüterin der Toleranz 45
  12. Taufen und Nobilitierungen 47
  13. Die Kodifizierung des Staatsbürgerschaftsrechts 51
  14. Die staatsbürgerliche Stellung der Juden im Vormärz
  15. und das Auftauchen der »Judenfrage« 53
  16. Die bürgerliche Revolution von 1848 und die veränderte staatsbürgerliche Stellung der Juden 59
  17. Juden als österreichische Reichsbürger 62
  18. Inklusion und Exklusion von Juden in der Zeit des Neoabsolutismus 64
  19. Das Heimatrecht der österreichischen Juden 70
  20. Die Sonderstellung der »türkischen« Juden 74
  21. Die Entwicklung von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Epoche des Ausgleichs 77
  22. Der Anteil der Juden an den Einbürgerungen 77
  23. Die Vermehrung der jüdischen Bevölkerung in Cisleithanien 80
  24. Die rechtliche Gleichstellung der Juden durch das Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger im Dezember 1867 82
  25. Rückkehr in die »verbotene Stadt« 83
  26. Paradoxe Fremde 85
  27. Die dualistische Verschärfung 86
  28. Motive für den Erwerb von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 88
  29. Heimatrecht und Staatsbürgerschaft jüdischer Frauen 90
  30. Heimatrecht und soziale Frage 91
  31. Der Fall Dr. Hugo Stark 92
  32. Der Fall Julia Singer 93
  33. Der Fall Lea Weitzmann 95
  34. »Schutzgenossen« und »Untertanen de facto« 96
  35. Zur Ambivalenz von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft 97
  36. Die Nationalitätenkonflikte der Verfassungszeit und die (sprach-)nationale Identität der Juden 100
  37. Kafkas Sprachen 100
  38. Die Bedeutung von Bildung im Judentum 103
  39. Sprache, Nationalität und Recht im Unterrichtswesen 105
  40. Jüdische Kinder in den Mühlen des Nationalitätenkampfes 109
  41. Der Anteil jüdischer Schüler am höheren Bildungswesen 112
  42. Sprachen, Nationalitäten, Identitäten 114
  43. Das mehrsprachige Unterrichtswesen in der Bukowina 115
  44. Der Verdacht gegen die Mehrsprachigkeit 116
  45. Die Ethnisierung der Nationalitätenkonflikte 117
  46. Die Wiederkehr der »Judenfrage« in der Epoche des Ausgleichs 119
  47. Juden im Ersten Weltkrieg 130
  48. Theorie und Praxis von Heimatrecht und Staatsbürgerschaft in der Ersten Republik 132
  49. Die Aus- und Einbürgerungen des autoritären Ständestaates 141
  50. Verfolgung, Vertreibung, Ausbürgerung, Vernichtung während der NS-Herrschaft 146
  51. Die Implementierung der Nürnberger Gesetze in Österreich 146
  52. Signaturen der Vertreibung 152
  53. Die Ausbürgerung und der Befehl zur »Endlösung« 155
  54. Die Wiederherstellung der Staatsbürgerschaft in der Zweiten Republik 166
  55. Der Fall Raviv 172
  56. Staatenlosigkeit als Massenschicksal 187
  57. Der Fall Elias Canetti 188
  58. Der Fall Manès Sperber 200
  59. Semantische Nachbemerkungen 213
  60. Verzeichnis der Archive 222
  61. Literaturverzeichnis 223
  62. Verzeichnis der Abbildungen und Tabellen 244
  63. Zeittafel 245
  64. Register 264
  65. Personen 264
  66. Orte 269
  67. Sachen 271
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