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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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216 „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe ters nicht mehr in der Lage, den Hof „ordnungsgemäß“ zu bewirtschaften ; daher verpachteten sie die meisten Gründe, wie Juliane Hopfinger, oder wirtschafteten mehr schlecht als recht vor sich hin, wie Gregor Dorner. Zudem waren die beiden Alten unverheiratet und hatten keine Nachkommen, die als Anerben infrage ka- men. Überdies stellten in beiden Verfahren, wohl zu aller Überraschung, nahe oder entfernte Verwandte Ansprüche auf das Erbhofeigentum ; diesen bot das AEG eine Bühne, um schwelende Konflikte  – im Fall von Hopfinger ein Pacht-, im Fall von Dorner ein Arbeitsverhältnis  – zu ihren Gunsten auszutragen. Schließlich waren in beiden Verfahren bereits Personen, die der Anforderung der „Bauernfä- higkeit“ entsprachen, als Käufer/-innen in Aussicht. Während im Fall von Dorner die Eigenschaften der Vertragspartner/-innen kaum erörtert wurden, erhielten sie im Fall von Hopfinger enormes Gewicht : Das „Blut der alten Bauerngeschlechter des Waldviertels“, das nach der vom NS-Staat erzwungenen Trennung wiederum mit dem Boden verbunden werden müsse, wog schwerer als die Zugehörigkeit des in seiner „Ehrhaftigkeit“ und „Wirtschaftsfähigkeit“ infrage gestellten Neffen zur „Sippe“ der Erbhofeigentümerin  – ein außergewöhnlich normales Paradoxon der Erbhofgerichtsbarkeit, das die behauptete Naturbürtigkeit des „deutschen Bauern“ als politisch-ökonomisches Machwerk enthüllte. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ?257 Das REG unterwarf nicht nur die zum Erbhof gehörenden Landparzellen, son- dern auch deren Eigentümer/-innen  – ideologisch gesprochen, den „Boden“ wie das „Blut“  – der gerichtlichen Aufsicht. War der „Landwirt“ negativ, als nicht-bäu- erlich bestimmt, definierte es den „Bauern“ positiv : „Land- und forstwirtschaftli- cher Besitz in der Größe von mindestens einer Ackernahrung und von höchstens 125 Hektar ist Erbhof, wenn er einer bauernfähigen Person gehört. Der Eigen- tümer des Erbhofs heißt Bauer. Bauer kann nur sein, wer deutscher Staatsbürger, deutschen oder stammesgleichen Blutes und ehrbar ist.“258 Die Einstufung eines Betriebsbesitzers als „Bauer“  – Frauen, die in der „Anerbenfolge“ des REG ge- genüber Männern extrem benachteiligt waren, als Erbhofeigentümerinnen galten als Ausnahme von der Regel259  – hing von zwei Bedingungen ab : der Größe des Betriebes und der „Bauernfähigkeit“ der Person. Während erstere durch Flächen- unter- und Obergrenzen  – von einer „Ackernahrung“ bis 125 Hektar  – bestimmt wurde, hing letztere von zumindest fünf Maßstäben ab : der deutschen Staatsange- hörigkeit, der „Deutschstämmigkeit“ oder „Stammesgleichheit“, der Mündigkeit, der „Ehrbarkeit“ und der „Wirtschaftsfähigkeit“.260 Neben diesen Gesetzespara- graphen erörterten spitzfindige Juristen auch „übergesetzliche Erfordernisse der
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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