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518 Das „Landvolk“ und seine Meister
Intensivierung zu vermitteln suchte – kurz, sich als Meister des „Landvolks“ in
Szene setzte.
6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ?94
Das nationalsozialistische Mediensystem förderte in der ländlichen Gesellschaft
mehrere Medialisierungsschübe, die Formen massenmedialer Kommunikation all-
tagsweltlich verankerten.95 Ein Moment der Medialisierung bildete die Presse, die
auf dem Land bereits vor der nationalsozialistischen Machtübernahme weite Ver-
breitung gefunden hatte. Seit 1933 im „Altreich“ und 1938 in der Ostmark schritt
die Verbreitung von Presseerzeugnissen unter der Landbevölkerung weiter voran.
Die Diffusion der Zeitungen ging Hand in Hand mit der wachsenden Konzentra-
tion der Provinzpresse ;96 so etwa schrumpfte in Bayern die Zahl der Zeitungstitel
bis Kriegsende auf ein Fünftel.97 In der Regel übernahmen die NSDAP oder partei-
nahe Organisationen die Herausgeberschaft ;98 in Ausnahmefällen behaupteten sich
private Unternehmen, so etwa in Niederdonau, wo der parteiamtliche Gauverlag im
Süden und der in Krems an der Donau ansässige nationalsozialistisch orientierte
Privatverlag Faber im Norden des Reichsgaues Monopolstellungen einnahmen.99
Zur Aneignung der Presseerzeugnisse durch die Landbevölkerung sind allge-
meine Aussagen schwierig zu treffen ; an besonderen Fällen, etwa zeitgenössischen
Dorfstudien,100 lassen sich gleichwohl wichtige Einsichten gewinnen. Tages-, Wo-
chen- und Monatszeitungen waren in den Dörfern weit verbreitet. So etwa be-
zogen von den 178 Haushalten im fränkischen Sulzthal 52 Tageszeitungen sowie
150 Wochen- und Monatsschriften. Im thüringischen Thürungen wurden gar an
68 der 91 Haushalte regelmäßig Tageszeitungen geliefert ; etwa neun Zehntel der
Erwachsenen lasen hier zumindest gelegentlich Zeitung. Allerdings, die Quantität
der Mediennutzung ging nicht immer Hand in Hand mit der Qualität ; die an
Zwangsmitgliedschaften gekoppelten Verbandszeitschriften wurden oberflächli-
cher als freiwillig abonnierte Presseerzeugnisse gelesen. Zudem muss die Selektivi-
tät des Lesens innerhalb der Zeitung in Rechnung gestellt werden : An der Spitze
der Beliebtheitsskala rangierten alltagsrelevante Inhalte, so etwa der Lokal- und
Regionalteil oder einschlägige Anzeigen ; erst danach folgten politisch-ideologi-
sche Artikel. Schließlich war die Zeitungslektüre aufgefächert nach berufs-, ge-
schlechts- und altersspezifischen Orientierungen. Mittel- und Großbauern hatten
landwirtschaftliche Fachblätter abonniert, Lehrer – die meist auch die Korrespon-
denten der Lokal- und Regionalpresse stellten – lasen auch reichsweit erschei-
nende Zeitungen ; Männer bevorzugten Nachrichten aus Politik und Wirtschaft,
Frauen den Heimatteil und die Fortsetzungsromane ; die Jugend interessierte sich
Schlachtfelder
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Titel
- Schlachtfelder
- Untertitel
- Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
- Autor
- Ernst Langthaler
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2016
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-20065-9
- Abmessungen
- 15.5 x 23.5 cm
- Seiten
- 948
- Kategorien
- Geschichte Nach 1918
Inhaltsverzeichnis
- Vorwort 9
- 1. Akteure in Agrarsystemen 11
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
- 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
- Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
- 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
- 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
- 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
- 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
- 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
- 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
- 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
- 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
- 2.9 Zusammenfassung 149
- 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
- Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
- 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
- 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
- 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
- 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
- 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
- 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
- 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
- 3.8 Zusammenfassung 253
- 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
- Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
- 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
- Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
- 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
- Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
- 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
- Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
- 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
- Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
- Anmerkungen 755
- Tabellenanhang 824
- Farbabbildungsanhang 849
- Quellen- und Literaturverzeichnis 865
- Abkürzungsverzeichnis 918
- Tabellenverzeichnis 920
- Abbildungsverzeichnis 927
- Personenregister 933
- Ortsregister 934
- Sachregister 937