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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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543Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ auf die Zeit nach dem Krieg verschoben. Beredter Ausdruck dieser Misere war das Schweigen des Wochenblatts zur Wirtschaftsberatung nach der Informationskam- pagne von 1940.196 Die Meister des „Landvolks“ scheiterten auf diesem Gebiet of- fenbar an jenen Fehlsteuerungen, die unbeabsichtigt, doch unweigerlich aus ihren Steuerungsversuchen folgten. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“197 Die Massenberatung über das Wochenblatt wie die Einzelberatung über die Wirt- schaftsberatung verweisen auf die eigensinnige  – teils akzeptierende, teils wider- ständige  – Aneignung von Expertenwissen durch die bäuerlichen Adressaten und Adressatinnen. Um den Alltagsdiskurs, die alltäglichen Lesarten massenmedialer Spezial- und Interdiskurse, näher zu erkunden, führen bäuerlicher Selbstzeugnisse wie Schreibebücher, Autobiographien oder Briefe weiter.198 Am außergewöhnli- chen Normalfall eines Zeitung lesenden und Briefe schreibenden Besitzers eines Bergbauernhofes in Frankenfels, Landkreis St. Pölten, lässt sich die alltägliche An- eignung massenmedial verbreiteter Informationen unter die Lupe nehmen. Über den Bereich des Agrarwissens hinaus geht es dabei um Entwürfe individueller und kollektiver Identitäten, vor allem den Stellenwert des Entwurfs einer nationalso- zialistischen „Volksgemeinschaft“,199 in der ländlichen Gesellschaft. Diese Fallstu- die betrachtet einerseits die Codierung, Übermittlung und Decodierung medialer Sinngehalte im Hinblick auf Fremd- und Selbstpositionierungen.200 Andererseits bettet sie die Sinngebungspraktiken des lesenden und schreibenden Akteurs in die Strukturen der bergbäuerlichen Alltagswelt ein. „An unseren Führer“ richtete der 48-jährige Leopold Leitner, Besitzer eines 30-Hektar-Bergbauernhofes in Frankenfels, sein fälschlicherweise mit 20. Februar 1941 datiertes Schreiben, in dem er um „Abhilfe der folgenden Missstände“ er- sucht : In der Ostmark seien Trinkern die staatlichen Beihilfen gekürzt worden ; das treffe vor allem deren Frauen und Kinder. Bestrafen solle man stattdessen die Gastwirte, die an Betrunkene Alkohol ausschenkten. Während er die Arbeit von Gemeinde- und Kreisverwaltung lobt, kritisiert er Gau- und Reichsbehörden : „In den höheren Ämtern fehlts oft weit.“201 Nach Weiterleitung durch die Reichs- kanzlei trat der Bearbeiter im Amt des Reichsführers SS und Chefs der Deutschen Polizei im Reichsministerium des Inneren, auf dessen Schreibtisch der Brief lan- dete, den Akt an den Reichsstatthalter in Niederdonau „zur weiteren Veranlassung“ ab.202 Dort wiederum beauftragt man, offensichtlich etwas ratlos, den Landrat des Kreises St. Pölten damit, die „Partei […] zu befragen, was sie mit der vorstehenden Eingabe beabsichtigt hat“.203 Inzwischen hatte Leitner zwei weitere Briefe, diesmal
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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