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Nach 1918
Schlachtfelder - Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
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566 Das „Landvolk“ und seine Meister Im weitesten Sinn folgten die Briefe Leitners der Vision eines autoritären Wohl- fahrtsstaates, der den „Gebirgsbauern“  – wie den übrigen Gruppen der „Volksge- meinschaft“  – ‚gerechte‘ Arbeits- und Lebensbedingungen bot. Dieser auch durch die sozialrechtlichen Neuerungen nach dem „Anschluss“255 bekräftigte Gemein- schaftsentwurf verfügte offenbar über ein erhebliches Potenzial zur Mobilisierung von ländlichen Akteuren, die aufgrund katholisch-konservativer Prägung wenige Berührungspunkte mit der nationalsozialistischen Ideologie hatten. Die vom Natio- nalsozialismus genährte Vision eines „völkischen“ Wohlfahrtsstaates zerbrach  – trotz zahlreicher Profiteure staatlicher Umverteilung256  – schließlich an der selbstzerstö- rerischen Realität des Regimes.257 Doch aus der Perspektive von 1941 vermochte dieser Gemeinschaftsentwurf sein mobilisierendes Potenzial noch ungebrochen zu entfalten  – auch auf den Berghöfen der Voralpen. In diesem Zusammenhang wird eine Entscheidung Leitners, die in seinem damaligen Umfeld wohl einiges Unver- ständnis auslöste, etwas verständlicher. Im April 1941, etwas mehr als zwei Wochen nach seiner gütlichen Aussprache mit dem Landrat, verließ der „Gebirgsbauer“ all das, worum er in seinen Briefen gerungen hatte, um sich in die Arme einer größeren, mehr „Kameradschaft“258 verheißenden Gemeinschaft zu begeben : Er trat  – allem Anschein nach freiwillig  – als einfacher Gefreiter in die Deutsche Wehrmacht ein.259 6.6 Zusammenfassung Die forcierte Durchstaatlichung der Sphären von Markt und Alltagswelt, die in anderen Feldern der nationalsozialistischen Agrargesellschaft voranschritt, kenn- zeichnete auch das Feld des Agrarwissens (Abbildung 6.13). Die Produktion und Verbreitung agrarischen Expertenwissens lag nicht erst im „Dritten Reich“, son- dern bereits seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert in den Händen staatlicher und staatsnaher Organisationen. In Verbindung damit hatte sich ein von katho- lisch-konservativen und deutschnational-liberalen Verlagen bespielter Markt an Druckschriften für ein ländliches Lesepublikum etabliert. Nach dem „Anschluss“ unterwarf der Forschungsdienst als Dachorganisation das Netz bestehender For- schungsstätten zusammen mit neu geschaffenen Einrichtungen, etwa der Reichs- forschungsanstalt für Landwirtschaft im ostmärkischen Donauraum, einer zentra- len Steuerung. Das agronomische Expertensystem mit dem Forschungsdienst als Steuerungszentrale bildete die intellektuelle Elite der sich formierenden Wissens- gesellschaft. In diesem Zusammenhang suchten Expertengutachten zur Lösung der ostmärkischen Agrarprobleme  – und damit zur ‚nachholenden Modernisie- rung‘  – die regionalen Agrarsysteme der Alpen- und Donaureichsgaue gemäß de- ren Eigenarten planerisch zu optimieren.
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Schlachtfelder Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
Titel
Schlachtfelder
Untertitel
Alltägliches Wirtschaften in der nationalsozialistischen Agrargesellschaft 1938–1945
Autor
Ernst Langthaler
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2016
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY-NC 3.0
ISBN
978-3-205-20065-9
Abmessungen
15.5 x 23.5 cm
Seiten
948
Kategorien
Geschichte Nach 1918

Inhaltsverzeichnis

  1. Vorwort 9
  2. 1. Akteure in Agrarsystemen 11
  3. Nationalsozialistische Agrargesellschaft als Forschungsgegenstand 11
    1. 1.1 Von (Re-)Aktionsmustern zu Interaktionsfeldern 11
    2. 1.2 Agrarsysteme und Landwirtschaftsstile im Kräftefeld 16
    3. 1.3 Instrumente der Feldvermessung 26
  4. 2. Anatomie eines „lebenden Organismus“ 36
  5. Manövrieren im Feld der Betriebs- und Haushaltsführung 36
    1. 2.1 Die Konstruktion des „Hoforganismus“ 36
    2. 2.2 Höfe im Fokus der Betriebszählung 44
    3. 2.3 Höfe im Fokus der Buchführung 55
    4. 2.4 Höfe im Fokus der Hofkarte 68
    5. 2.5 Blicke hinter das Hoftor 79
    6. 2.6 Im Raum des (unter-)bäuerlichen Wirtschaftens 102
    7. 2.7 Im Raum der Gutswirtschaft 116
    8. 2.8 Durchleuchtete Höfe 128
    9. 2.9 Zusammenfassung 149
  6. 3. „Entjudete“ Güter, „deutsche“ Bauernhöfe 151
  7. Manövrieren im Feld des Grundbesitzes 151
    1. 3.1 „Blut und Boden“ – eine wirkmächtige Metapher 151
    2. 3.2 Regulative der Ent- und Verwurzelung 156
    3. 3.3 Das Doppelgesicht der Bodenordnung 172
    4. 3.4 Verbäuerlichung durch „Entjudung“ 187
    5. 3.5 Schollenbindung oder Parzellenhandel ? 199
    6. 3.6 Wer ist (k)ein „Bauer“ ? 216
    7. 3.7 „Grundstücksverkehr“ vor Ort 230
    8. 3.8 Zusammenfassung 253
  8. 4. „Menschenökonomie“ unter Zwang 257
  9. Manövrieren im Feld der Landarbeit 257
    1. 4.1 Die Steuerung der „Landflucht“ 257
    2. 4.2 Die Steuerung des „Reichseinsatzes“ 277
    3. 4.3 Arbeit als alltägliches Kräftefeld 298
    4. 4.4 Gerechter Lohn oder Ausbeutung ? 322
    5. 4.5 „Menschenökonomie“ vor Ort 347
    6. 4.6 Zusammenfassung 371
  10. 5. Die abgebrochene „Dorfaufrüstung“ 375
  11. Manövrieren im Feld des Betriebskapitals 375
    1. 5.1 „Bauerntum“ und Technik – (k)ein Widerspruch ? 375
    2. 5.2 „Bauernstolz“ oder Klientenmentalität ? 385
    3. 5.3 Staatshilfe als „Auslese“ 404
    4. 5.4 „Aufrüstung“ in den Bergen 436
    5. 5.5 Kapitaleinsatz vor Ort 472
    6. 5.6 Zusammenfassung 494
  12. 6. Das „Landvolk“ und seine Meister 497
  13. Manövrieren im Feld des Agrarwissens 497
    1. 6.1 Das agronomische Expertensystem 497
    2. 6.2 Vordenker des „Aufbaus“ 506
    3. 6.3 Bindeglied zwischen Führung und „Landvolk“ ? 518
    4. 6.4 Wirtschaftsberatung vor Ort 534
    5. 6.5 Die imaginierte „Volksgemeinschaft“ 543
    6. 6.6 Zusammenfassung 566
  14. 7. Ordnung und Chaos des Marktes 570
  15. Manövrieren im Feld der Agrargüter 570
    1. 7.1 Der Markt und seine (Un-)Ordnung 570
    2. 7.2 Lange Schatten, kurzer Prozess 585
    3. 7.3 Öffentliche Bewirtschaftung, privates Wirtschaften 593
    4. 7.4 Die verlorene „Erzeugungsschlacht“ ? 620
    5. 7.5 „Kriegserzeugungsschlacht“ vor Ort 642
    6. 7.6 Vom Wert der Landarbeit 669
    7. 7.7 Zusammenfassung 695
  16. 8. Eine grünbraune Revolution ? 699
  17. Nationalsozialistische Agrargesellschaft im Systemvergleich 699
    1. 8.1 Jenseits von Traditionalität und Modernität 699
    2. 8.2 Großbritannien und die Ostmark im Krieg 709
    3. 8.3 Österreich zwischen Krise und Boom 726
    4. 8.4 Versuchsstation des völkischen Produktivismus 742
  18. Anmerkungen 755
  19. Tabellenanhang 824
  20. Farbabbildungsanhang 849
  21. Quellen- und Literaturverzeichnis 865
  22. Abkürzungsverzeichnis 918
  23. Tabellenverzeichnis 920
  24. Abbildungsverzeichnis 927
  25. Personenregister 933
  26. Ortsregister 934
  27. Sachregister 937
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