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110 | Ferdinand Opll
Festungen rings um Nagykanizsa«.36 Sie zeigt eine nach Westen/Nord westen orien-
tierte Karte37 des Raumes zwischen Mur und Drau im Süden und der Massierung
von Grenzfestungen östlich und südlich des Plattensees, bietet damit einen Anschluss
an den Grenzraum südlich und nördlich der Donau auf der später entstanden Karte
Gasparinis. Das Gebiet wird durch die unbeschriftet eingetragenen Flüsse gegliedert,
deren Verläufe freilich recht ungenau erscheinen. Zu identifizieren sind jedenfalls die
Drau/Drava, die Mur/Mura und die in letztere von Norden her einmündende Ka-
nischa, der Gesamteindruck bleibt eher wenig präzise. Brücken als Flussübergänge
finden sich überaus häufig vermerkt, der Plattensee/Balaton fehlt dagegen. Die einzel-
nen Festungen werden je nach ihrer Größe mit den Buchstaben »C« (castellum) oder
»B« (Balanka, Palanka) bezeichnet, ihre Namen sind vielfach türkisch, aber auch die
einheimischen (kroatischen, ungarischen) Namen sowie italienische Bezeichnungen38
kommen vor. Von den im Detail schwer zu identifizierenden Orten sind exemplarisch
zu erwähnen: Varaschdin (Varaždin), Lagrad (Legrad) am Zusammenfluss von Drau
und Mur und zum Balaton hin Canischa (Nagykanizsa), Comarom (nicht Komorn an
der Donau, sondern Kiskomárom und Zalakomár südlich des Kis Balaton) sowie Ca-
peresch war (Kaposvár).
Zeitlich und im Hinblick auf den dargestellten Raum steht diese Kartenskizze der
ebenfalls handgezeichneten Grenzkarte des Giovanni Jacobo Gasparini, wohl von An-
fang 1594, nahe, die – grafisch freilich durchaus repräsentativ ausgeführt – in Ostori-
entierung im Wesentlichen die habsburgisch dominierten Gebiete samt einigen weni-
gen Teilen des osmanischen Ungarn39 zwischen Wien im Westen, Eger im Osten, dem
Bergland nördlich von Kremnitz/Kremnica und Neusoll (= Neusohl/Banská Bystrica)
im Norden und dem Gebiet an der Drau mit Szigetvár, Babocsa und Nagy kanizsa
nördlich und Varaždin südlich des Flusses im Kartenbild festhält. Der Hinweis auf
diese Karte ist Géza Pálffy und seiner mit deutscher Zusammenfassung versehenen
Studie »In Verteidigung Europas« zu verdanken.40 Die Orte sind hier in Form rot
gefärbter vignettenartiger Darstellungen dargeboten, die Flüsse und Seen in blauer
36 So bei Ágoston, Environmental and Frontier Studies, 66 mit Anm. 22, der völlig zurecht von einer
Aufnahme der habsburgischen Festungen rings um Nagykanizsa mit ins Italienische übertragenen Orts-
namen spricht.
37 Greift man die Definition der Ostorientierung der Gasparini-Karte (dazu siehe unten S. 111 Anm. 42)
auf, so ließe sich hier wohl wegen der Sichtweise von Buda nach Westen von einer »osmanischen Orien-
tierung« der Karte sprechen.
38 Z.B. la nova Balanka ; le frontiere de Poschega, was auf eine Grenzlage im Bereich des heutigen Ortes
Požega nordwestl. Slavonski Brod in Kroatien hinweist.
39 So sind etwa auch Buda und Pest auf der Karte eingetragen.
40 Pálffy, Európa védelmében (deutsche Zusammenfassung, 135 f.).
Open Access © 2017 by BÖHLAU VERLAG GMBH & CO.KG, WIEN KÖLN WEIMAR
Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Titel
- Wien als Festungsstadt im 16.Jahrhundert
- Untertitel
- Zum kartografischen Werk der Mailänder Familie Angielini
- Autoren
- Ferdinand Opll
- Heike Krause
- Christoph Sonnlechner
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2017
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-20210-3
- Abmessungen
- 17.0 x 24.0 cm
- Seiten
- 586
- Kategorien
- Geschichte Vor 1918
Inhaltsverzeichnis
- Inhalt
- Einleitung 9
- Die Angielinis, ihr Werk und Wirken 10
- Wien als Festungsstadt 13
- Terminologie und Onomastik 14
- Internet 16
- Abbildungen 17
- Dank 17
- 1 Die Familie Angielini und ihr kartografisches Schaffen 21
- 1.1 Biografisches 21
- 1.2 Das beruflich-persönliche Umfeld der Angielinis 38
- 1.3 Das kartografische Werk der Familie Angielini 44
- 1.4 Die Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten in Wien, Dresden und Karlsruhe 51
- 1.5 Exkurs : Die in den fünf »Angielini«-Atlanten vorkommenden Wasserzeichen 52
- 1.6 Analyse und Autopsie der fünf »Angielini«-Atlanten 59
- 2 Der in den »Angielini«-Atlanten erfasste Raum 87
- 3 Der ungarische Raum und die Stadt Wien in frühen kartografischen Zeugnissen 101
- 4 Der frühneuzeitliche Festungsbau in Theorie und Praxis 127
- 5 Wien wird Festungsstadt – Der Ausbau nach der Belagerung von 1529 bis in die Mitte der 1560er Jahre 147
- 5.1 Die fortifikatorischen Folgen der Ersten Türkenbelagerung von Wien im Jahr 1529 147
- 5.2 Der Festungsbau aus umwelthistorischer Perspektive 197
- 6 Autopsie und Kontextualisierung der drei »Angielini«-Pläne von Wien 221
- 6.1 Das weitere Umfeld – eine Annäherung an die Stadt 221
- 6.2 Die unmittelbare Umgebung der Stadt 228
- 6.3 Die Befestigung 250
- 6.3.1 Bastei bei dem Burgtor 252
- 6.3.2 Bastei zwischen Burg- und Schottentor 255
- 6.3.3 Bastei beim Schottentor 258
- 6.3.4 Elendbastei 261
- 6.3.5 Arsenal und Reste der mittelalterlichen Stadtmauer 263
- 6.3.6 Neutorbastei 267
- 6.3.7 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Werdertor und Piattaforma samt neuer Kurtine 268
- 6.3.8 Piattaforma 268
- 6.3.9 Mittelalterliche Stadtmauer zwischen Piattaforma und Biberbastei 270
- 6.3.10 Biberbastei 272
- 6.3.11 Bastei bei den Predigern 274
- 6.3.12 Stubentor und angrenzende Kurtinen 277
- 6.3.13 Untere Paradeisbastei 278
- 6.3.14 Unteres Zeughaus auf der Seilerstätte 281
- 6.3.15 Obere Paradeisbastei 282
- 6.3.16 Bastei beim Kärntner Tor 286
- 6.3.17 Mittelalterliche Stadtmauer und sogenannter Augustinerturm 290
- 6.3.18 Stadtgraben 292
- 6.3.19 Resümee 293
- 6.4 Das Stadtinnere 294
- 7 Zusammenfassung und Summary 305
- 8 Tafeln 313
- 9 Anhang 325
- 9.1 Die mit dem kartografischen Schaffen der Familie Angielini in Verbindung stehenden kartografischen Darstellungen 325
- 9.2 Anzahl der in den »Angielini«-Atlanten enthaltenen Stadtpläne, Festungsgrundrisse und -schrägansichten 457
- 9.3 Reihenfolge der in den Überlieferungen der »Angielini«-Atlanten enthaltenen kartografischen Darstellungen 459
- 9.4 Konkordanz der in den Stadtplänen, Festungsgrundrissen und -schrägansichten der »Angielini«-Atlanten verwendeten Ortsnamen 462
- 9.5 Italienische Festungsbaumeister des 16. Jahrhunderts (bis ca. 1580) und ihre Einsatzgebiete im habsburgisch-osmanischen Grenzbereich 466
- 9.6 Festungsbautraktate des 15. und 16. Jahrhunderts und ihre Autoren 479
- 9.7 Chronologisches Verzeichnis der im Buch häufig verwendeten Wien-Pläne und Wien-Ansichten (15.‒18. Jahrhundert) 483
- 10 Glossar 494
- 11 Verzeichnisse 499