Seite - 23 - in Zeitwesen - Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
Bild der Seite - 23 -
Text der Seite - 23 -
23Einleitung
|
lichkeit bei den Frauen etwas eingeengter. Bei den männlichen Vertretern bestand
wiederum die Schwierigkeit, aus einem sehr großen in Frage kommenden Kreis aus-
wählen zu müssen. Kein zentrales Kriterium war die Bekanntheit/Berühmtheit der
ProtagonistInnen, in dem Sinne, dass weniger oder nur lokal bekannte KünstlerIn-
nen ausgeschieden worden wären. Eher im Gegenteil erschien es mir wichtig, auch
hier auf eine Streuung zu setzen und neben bekannten Namen wie Oskar Kokoschka
oder Alfred Kubin auch weniger im Fokus der Kunstgeschichte stehende Persönlich-
keiten in die Untersuchung miteinzubeziehen. Es ist mir bewusst, dass die Auswahl
der KünstlerInnen auch ganz anders hätte ausfallen können, aber wie immer sie aus-
gesehen hätte, in jedem Fall hätten wichtige ProtagonistInnen gefehlt. An manchen
Stellen wird daher zumindest kursorisch auf in dieser Studie nicht näher behandelte
KünstlerInnen verwiesen.
Neben den angeführten Auswahlkriterien spielte – wie in der Forschung ge-
nerell – selbstverständlich auch persönliches, subjektives Interesse eine Rolle. Ich
schließe mich der Kunsthistorikerin Isabelle Graw an, die in ihrer Arbeit über
Künstlerinnen des 20. Jahrhunderts argumentierte: „Die Auswahl ist von persönli-
chen Vorlieben ebenso geleitet, wie sie aus den besonderen Fragestellungen dieser
Studie resultiert.“21
Schlussendlich waren es fünf KünstlerInnen, die ich für die vorliegende Studie
als ProtagonistInnen festgelegt und die mich in den letzten Jahren intensiv begleitet
haben:
Der 1877 in Litoměřice (Leitmeritz) geborene Zeichner Alfred Kubin, konservativ
und weltoffen gleichzeitig, nach mehrjährigem Aufenthalt in München, in der öster-
reichischen Provinz, im oberösterreichischen Innviertel lebend; Oskar Kokoschka,
1886 in Pöchlarn in Niederösterreich geboren und im Lauf seines Lebens in Wien,
Prag, England und der Schweiz zuhause, als „Kunstrebell“ stilisiert und zweifellos
der bekannteste der hier vertretenen KünstlerInnen; der 1892 in Oberösterreich ge-
borene Aloys Wach, der biographisch wie auch in seinem Werk interessante Quer-
verbindungen zu religiös wie politisch interessanten Diskursen seiner Zeit aufweist;
die 1900 im Trentino geborene Avantgardistin Erika Giovanna Klien, die erst seit
wenigen Jahren in Österreich jene Bekanntheit erlangt, die der Größe ihres Werks
angemessen zu sein scheint und schließlich die 1904 geborene Künstlerin Margret
nannten KünstlerInnen sind 388 Frauen, das ergibt 24,1 Prozent (Eigene Zählung). Berücksichtigt
werden muss dabei, dass die geringere Repräsentanz von Frauen nicht das reale Geschlechterver-
hältnis im Bereich der bildenden Kunst widerspiegelt, sondern auch ein Problem der Historiogra-
phie ist.
21 Isabelle Graw, Die bessere Hälfte. Künstlerinnen des 20. und 21.
Jahrhunderts, Köln 2003, 11.
Open-Access-Publikation im Sinne der Lizenz CC BY 4.0
Zeitwesen
Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Titel
- Zeitwesen
- Untertitel
- Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
- Autor
- Birgit Kirchmayr
- Verlag
- Böhlau Verlag
- Ort
- Wien
- Datum
- 2020
- Sprache
- deutsch
- Lizenz
- CC BY 4.0
- ISBN
- 978-3-205-23310-7
- Abmessungen
- 17.3 x 24.5 cm
- Seiten
- 468
- Kategorie
- Kunst und Kultur
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung 11
- Fragestellung und Ausgangsthesen 11
- Theoretische Bezugsrahmen 14
- Quellen 17
- „Zeitwesen“ oder: die ProtagonistInnen 20
- 1 Auto/Biographieforschung – KünstlerInnenforschung 33
- 2 KünstlerInnen über sich 79
- 2.1 Alfred Kubin – ein autobiographical life 80
- 2.2 Oskar Kokoschka – der biographische „Jongleur“ 105
- 2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden 136
- 2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente 150
- 2.5 Margret Bilger – Autobiographisches wider Willen 164
- 2.6 Erstes Resümee oder: Wie KünstlerInnen über sich schreiben und dabei „biographische Formeln“ verwenden 175
- 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche Diskurse 179
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 3.1.1 Alfred Kubin und die Misogynie der Moderne 185
- 3.1.2 „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Oskar Kokoschka und die (modernen) Amazonen 206
- 3.1.3 Erika Giovanna Klien – schwierige Emanzipationswege einer „neuen“ Frau 214
- 3.1.4 Zerrissenheit und Identitätssuche – Geschlechterbilder bei Margret Bilger 220
- 3.2 Geschwindigkeit – Fortschrittseuphorie versus Kulturpessimismus 232
- 3.2.1 Alfred Kubins Traumstadt „Perle“ als Versuchsstation der Fortschrittsverweigerung 236
- 3.2.2 „Im Riesengefängnis New York“: Erika Giovanna Klien und ihr Verhältnis zu Stadt, Geschwindigkeit und Technik 245
- 3.2.3 Der Rückzug aufs Land: Alfred Kubin und Margret Bilger 256
- 3.2.4 „Haste nicht und raste nie. Sonst hastet die Neurasthenie“: ein Exkurs zum Nervendiskurs 264
- 3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert 271
- 3.4. Zweites Resümee oder: Welche Diskurse der Moderne die KünstlerInnen bewegten 308
- 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
- 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus 313
- 4.1 Die Legende vom unpolitischen Künstler – Zum Verständnis von Kunst und Politik bis 1945 315
- 4.2 Erster Weltkrieg und das Ende der k. u. k. Monarchie 319
- 4.3 Zwischen den Kriegen: Revolution(en), Republik(en), „Ständestaat“ 349
- 4.3.1 Der „Kunstlump“ – Oskar Kokoschka und die (deutsche) Revolution 353
- 4.3.2 Aloys Wach und die Münchner Räterepublik 360
- 4.3.3 Aus der Distanz: Erika Giovanna Klien und die österreichische Zwischenkriegszeit 368
- 4.3.4 „Weil ich nicht in der Vaterlandspartei bin“: Positionen zum „Ständestaat“ bei Oskar Kokoschka und Alfred Kubin 373
- 4.4 Nationalsozialismus 382
- 4.4.1 „… diese stummen Geister der Auflehnung“: Alfred Kubin und der Nationalsozialismus 385
- 4.4.2 Oskar Kokoschka: Selbstbildnis eines „entarteten“ Künstlers 397
- 4.4.3 „22° Waage“: Aloys Wach und der Nationalsozialismus 404
- 4.4.4 „… hätte ich aber die conträren Gesinnungen“: Margret Bilger und der Nationalsozialismus 409
- 4.5 Drittes Resümee oder: Wie politisch waren die „unpolitischen“ KünstlerInnen? 422
- Dank 426
- Abkürzungsverzeichnis 428
- Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 429
- Quellen- und Literaturverzeichnis 431
- Archive und Sammlungen 431
- Zeitungen/Zeitschriften/Jahrbücher 432
- Literatur und gedruckte Quellen 432
- Personenregister 463