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Zeitwesen - Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
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1.1 Auto/Biographieforschung | 49 stehe am Beginn die Kinder- und Jugendgeschichte, es folge die Phase der „Lösung von der Familie und der engeren Heimat […] und damit die Herausbildung der Persönlichkeit“. Gekennzeichnet sei diese Phase von Studienjahren, Bildungsreisen, Kontakten zur Welt. In der dritten Phase schließlich erreiche der Protagonist seinen „eigentlichen Lebenshöhepunkt“ und trete damit gleichzeitig in seine schöpferische Phase ein.50 Scheuer sieht in diesem Modell, das dem Konzept des klassischen Bil- dungs- und Entwicklungsromans entspricht, ein konstituierendes Element für die Herausbildung bürgerlicher Identität im 19.  Jahrhundert. Reulecke erweiterte bezie- hungsweise korrigierte den Befund insofern, als sie darin nicht nur das konzeptio- nelle Modell zur Herausbildung bürgerlicher, sondern männlicher Identität ortete: Der in den biographischen Entwicklungsromanen beschriebene Prozess sei dem- nach „ein Prozeß der Individuation als auch die Ent-Wicklung eines Subjekts aus seiner Umwelt, die gleichzeitig die notwendige Matrix zur Selbst-Darstellung bildet. Diese Matrix (Heimat, Herkunft, Familie u.a.), die vorwiegend weiblich konnotiert ist, bildet damit den notwendigen Hintergrund, vor dem der ‚männliche‘ Held als Held und als Mann entsteht.“51 Die sich bei Reulecke daraus ableitende Skepsis am Genre der Auto/Biographie generell ist aber nur bedingt zu teilen. Reulecke kritisiert die im Zuge der Frau- enbewegung erfolgte Bemühung, mit einer verstärkten Zuwendung zur Frauenbio- graphie und dem damit verbundenen Ziel, die Geschichten „vergessener“ Frauen wiederzuentdecken, dieses Ungleichgewicht auszugleichen. Weibliche Geschichte würde auf diese Weise durch auf männliche Subjekte zugeschnittene Genres reprä- sentiert.52 Wie sich aus gegenwärtiger Perspektive zeigt, war diese Reaktion aber nur ein erster und vermutlich notwendiger Schritt. Längerfristig betrachtet brachten gerade die Gender Studies und ihre theoretische Annahme des Geschlechts als Kon- strukt wichtige Anstöße für die Biographik, indem sie den Weg für dekonstrukti- vistische Zugänge zur Auto/Biographie generell (mit-)ebneten.53 Weiters muss der auto/biographische Zugang als wesentlicher Impuls für die Geschichte „von unten“ der 1970er-Jahre und somit auch für die Frauengeschichtsbewegung betrachtet wer- den und das bedeutet auch, dass für diesen Zeitraum ein nachhaltiger Wandel des 50 Helmut Scheuer, Biographie. Studien zur Funktion und zum Wandel einer literarischen Gattung vom 18.  Jahrhundert bis zur Gegenwart, Stuttgart 1979, 92  f. 51 Reulecke, „Die Nase der Lady Hester“, 329. 52 Reulecke, „Die Nase der Lady Hester“, 335. Differenzierte Kritik zu Reuleckes Thesen findet sich bei Esther Marian, Zum Zusammenhang von Biographie, Subjektivität und Geschlecht, in: Fetz (Hg.), Biographie, 180  ff. 53 Vgl. dazu auch Anita Runge, Gender Studies, in: Klein (Hg.), Handbuch Biographie, 402–407. Open-Access-Publikation im Sinne der Lizenz CC BY 4.0
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Zeitwesen Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
Titel
Zeitwesen
Untertitel
Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
Autor
Birgit Kirchmayr
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-23310-7
Abmessungen
17.3 x 24.5 cm
Seiten
468
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung 11
  2. Fragestellung und Ausgangsthesen 11
  3. Theoretische Bezugsrahmen 14
  4. Quellen 17
  5. „Zeitwesen“ oder: die ProtagonistInnen 20
  6. 1 Auto/Biographieforschung – KünstlerInnenforschung 33
    1. 1.1 Auto/Biographieforschung 33
      1. 1.1.1 Lebenslauf, Biographie, Autobiographie oder Auto/Biographie? 34
      2. 1.1.2 Auto/Biographie und Geschichtswissenschaft 39
      3. 1.1.3 Auto/Biographie und Geschlecht 47
    2. 1.2 Künstlerauto/biographie 51
      1. 1.2.1 Von Vasaris Viten bis „Inventing Leonardo“: Zur Geschichte der Künstlerbiographik 51
      2. 1.2.2 „Biographische Formeln“: Die „Legende vom Künstler“ 54
      3. 1.2.3 Geniekonzept und Autobiographical Life 59
    3. 1.3 Auto/Biographische Quellen 63
      1. 1.3.1 Autobiographie 65
      2. 1.3.2 Brief 66
      3. 1.3.3 Tagebuch 72
  7. 2 KünstlerInnen über sich 79
    1. 2.1 Alfred Kubin – ein autobiographical life 80
      1. 2.1.1 Der Künstler, sein Archivar und sein Nachlass 80
      2. 2.1.2 Die Autobiographie „Aus meinem Leben“ (1911–1952) 83
    2. 2.2 Oskar Kokoschka – der biographische „Jongleur“ 105
      1. 2.2.1 Der Künstler als Erzähler 105
      2. 2.2.2 Die Autobiographie „Mein Leben“ (1971) 109
    3. 2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden 136
      1. 2.3.1 Autobiographisches in Tagebüchern und Briefen 136
      2. 2.3.2 „Biographische Notizen“ (1929) 138
    4. 2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente 150
      1. 2.4.1 Erklärungen zu einem Negativbefund 150
      2. 2.4.2 Die „Klessheimer Sendboten“ (1927) 154
    5. 2.5 Margret Bilger – Autobiographisches wider Willen 164
      1. 2.5.1 Versuch einer Verweigerung 164
      2. 2.5.2 Der „Lebensbericht“ (1968) 166
    6. 2.6 Erstes Resümee oder: Wie KünstlerInnen über sich schreiben und dabei „biographische Formeln“ verwenden 175
  8. 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche Diskurse 179
    1. 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
      1. 3.1.1 Alfred Kubin und die Misogynie der Moderne 185
      2. 3.1.2 „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Oskar Kokoschka und die (modernen) Amazonen 206
      3. 3.1.3 Erika Giovanna Klien – schwierige Emanzipationswege einer „neuen“ Frau 214
      4. 3.1.4 Zerrissenheit und Identitätssuche – Geschlechterbilder bei Margret Bilger 220
    2. 3.2 Geschwindigkeit – Fortschrittseuphorie versus Kulturpessimismus 232
      1. 3.2.1 Alfred Kubins Traumstadt „Perle“ als Versuchsstation der Fortschrittsverweigerung 236
      2. 3.2.2 „Im Riesengefängnis New York“: Erika Giovanna Klien und ihr Verhältnis zu Stadt, Geschwindigkeit und Technik 245
      3. 3.2.3 Der Rückzug aufs Land: Alfred Kubin und Margret Bilger 256
      4. 3.2.4 „Haste nicht und raste nie. Sonst hastet die Neurasthenie“: ein Exkurs zum Nervendiskurs 264
    3. 3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert 271
      1. 3.3.1 Alfred Kubin: Von der Ariosophie zum Buddhismus 277
      2. 3.3.2 Aloys Wach, die Kabbala und Jesus Christus als „Okkultist“ . . . . . . . 284 Exkurs: Die „Affäre Schappeller“ 291
    4. 3.4. Zweites Resümee oder: Welche Diskurse der Moderne die KünstlerInnen bewegten 308
  9. 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus 313
    1. 4.1 Die Legende vom unpolitischen Künstler – Zum Verständnis von Kunst und Politik bis 1945 315
    2. 4.2 Erster Weltkrieg und das Ende der k. u. k. Monarchie 319
      1. 4.2.1 Kubin, der Krieg und das Ende der „alten Ruhe“ 321
      2. 4.2.2 „Ich bin so froh, dass ich noch lebe“: Oskar Kokoschka und der Erste Weltkrieg 328
    3. 4.3 Zwischen den Kriegen: Revolution(en), Republik(en), „Ständestaat“ 349
      1. 4.3.1 Der „Kunstlump“ – Oskar Kokoschka und die (deutsche) Revolution 353
      2. 4.3.2 Aloys Wach und die Münchner Räterepublik 360
      3. 4.3.3 Aus der Distanz: Erika Giovanna Klien und die österreichische Zwischenkriegszeit 368
      4. 4.3.4 „Weil ich nicht in der Vaterlandspartei bin“: Positionen zum „Ständestaat“ bei Oskar Kokoschka und Alfred Kubin 373
    4. 4.4 Nationalsozialismus 382
      1. 4.4.1 „… diese stummen Geister der Auflehnung“: Alfred Kubin und der Nationalsozialismus 385
      2. 4.4.2 Oskar Kokoschka: Selbstbildnis eines „entarteten“ Künstlers 397
      3. 4.4.3 „22° Waage“: Aloys Wach und der Nationalsozialismus 404
      4. 4.4.4 „… hätte ich aber die conträren Gesinnungen“: Margret Bilger und der Nationalsozialismus 409
    5. 4.5 Drittes Resümee oder: Wie politisch waren die „unpolitischen“ KünstlerInnen? 422
  10. Dank 426
  11. Abkürzungsverzeichnis 428
  12. Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 429
  13. Quellen- und Literaturverzeichnis 431
  14. Archive und Sammlungen 431
  15. Zeitungen/Zeitschriften/Jahrbücher 432
  16. Literatur und gedruckte Quellen 432
  17. Personenregister 463
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