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Zeitwesen - Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
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1.3 Auto/Biographische Quellen | 75 Lejeune angeführten Bereiche Entscheiden und Widerstehen, stehen sie doch konträr zur vorherrschenden Auffassung des Tagebuchs als passiven Empfänger bzw. Träger von Gedanken und Erinnerungen. Lejeune verweist vielmehr auf den Faktor, dass in der Niederschrift von Gedanken, Erinnerungen und bilanzierenden Resümees erst Konzepte für künftiges Handeln entstehen, Vorhaben und Ziele definiert werden können: „Die Selbstbefragung bezieht sich nicht nur auf das, was ist, sondern auf das, was sein wird. […] Das Tagebuch ist nicht unbedingt passiver Natur. Es ist ein Instrument des Handelns.“125 Und das Denken und Schreiben? Hier gingen Lejeunes Überlegungen dahin, dass sich das Tagebuch als schöpferisches Instrument zeigt, und dass der Sinn des Tagebuchschreibens oder seine Faszination ganz einfach auch in der beim Menschen vorhandenen Lust am Schreiben zu finden ist, wobei – und hier möchte ich Lejeunes Gedanken weiterführen und mit dem Konzept der Selbst- Konstruktion in autobiographischen Quellen kombinieren – die Lust am Schreiben dabei wohl auch eine des Sich-Selbst-Erschreibens ist, eine Lust an der Transfor- mation eines Ich in ein Tagebuch-Ich, in eine literarisch gewordene Figur, die sich immer wieder neu erfinden kann. Ähnlich wie bei der Textsorte des Briefes erweisen sich auch beim Tagebuch Künstlertagebücher als eigenes Subgenre, das speziell seit dem frühen 20.  Jahrhun- dert auch am Buchmarkt Attraktivität gewonnen hat. Die Konjunktur des Tagebuchs zeigte sich generell an den zahlreichen Tagebuch-Publikationen, die wiederum Vor- bildwirkung ausübten und weiteres Tagebuchschreiben forcierten. Das vermeintlich „private“ Tagebuch wurde also nicht selten veröffentlicht, sei es am Buchmarkt oder zumindest im halbprivaten Rahmen einer familiären oder freundschaftlichen Öf- fentlichkeit. So dürfte beispielsweise auch der Schwager und enge Vertraute Alfred Kubins, Oscar  A.  H. Schmitz, eine Veröffentlichung seiner Tagebücher schon früh in Erwägung gezogen haben, pedantisch fertigte er Typoskripte alter Aufzeichnungen an und sehnte sich danach, dass zumindest sein Schwager Einsicht in seine Tage- buchaufzeichnungen nähme. So teilte er Kubin 1911 mit: „Ich bin eben dabei […] meine durch 15 Jahre gehenden Tagebücher in das Dictaphon zu lesen um ein sauberes übersichtliches Exemplar in Händen zu haben. Solche Rückblicke sind sehr nützlich & orientierend. Ich wollte, Du würdest dann dieses Tagebuch einmal lesen. Vielleicht, wenn ich im Winter zu Euch komme.“126 125 Lejeune, Datierte Spuren in Serie, 44. 126 Oscar A.  H. Schmitz an AK, 15.10.1911, zit. nach: Oscar  A.  H. Schmitz, Ein Dandy auf Reisen. Tagebücher. Bd. 2: 1907–1912. Hg. von Wolfgang Martynkewicz, Berlin 2007, 505. Open-Access-Publikation im Sinne der Lizenz CC BY 4.0
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Zeitwesen Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
Titel
Zeitwesen
Untertitel
Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
Autor
Birgit Kirchmayr
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-23310-7
Abmessungen
17.3 x 24.5 cm
Seiten
468
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung 11
  2. Fragestellung und Ausgangsthesen 11
  3. Theoretische Bezugsrahmen 14
  4. Quellen 17
  5. „Zeitwesen“ oder: die ProtagonistInnen 20
  6. 1 Auto/Biographieforschung – KünstlerInnenforschung 33
    1. 1.1 Auto/Biographieforschung 33
      1. 1.1.1 Lebenslauf, Biographie, Autobiographie oder Auto/Biographie? 34
      2. 1.1.2 Auto/Biographie und Geschichtswissenschaft 39
      3. 1.1.3 Auto/Biographie und Geschlecht 47
    2. 1.2 Künstlerauto/biographie 51
      1. 1.2.1 Von Vasaris Viten bis „Inventing Leonardo“: Zur Geschichte der Künstlerbiographik 51
      2. 1.2.2 „Biographische Formeln“: Die „Legende vom Künstler“ 54
      3. 1.2.3 Geniekonzept und Autobiographical Life 59
    3. 1.3 Auto/Biographische Quellen 63
      1. 1.3.1 Autobiographie 65
      2. 1.3.2 Brief 66
      3. 1.3.3 Tagebuch 72
  7. 2 KünstlerInnen über sich 79
    1. 2.1 Alfred Kubin – ein autobiographical life 80
      1. 2.1.1 Der Künstler, sein Archivar und sein Nachlass 80
      2. 2.1.2 Die Autobiographie „Aus meinem Leben“ (1911–1952) 83
    2. 2.2 Oskar Kokoschka – der biographische „Jongleur“ 105
      1. 2.2.1 Der Künstler als Erzähler 105
      2. 2.2.2 Die Autobiographie „Mein Leben“ (1971) 109
    3. 2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden 136
      1. 2.3.1 Autobiographisches in Tagebüchern und Briefen 136
      2. 2.3.2 „Biographische Notizen“ (1929) 138
    4. 2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente 150
      1. 2.4.1 Erklärungen zu einem Negativbefund 150
      2. 2.4.2 Die „Klessheimer Sendboten“ (1927) 154
    5. 2.5 Margret Bilger – Autobiographisches wider Willen 164
      1. 2.5.1 Versuch einer Verweigerung 164
      2. 2.5.2 Der „Lebensbericht“ (1968) 166
    6. 2.6 Erstes Resümee oder: Wie KünstlerInnen über sich schreiben und dabei „biographische Formeln“ verwenden 175
  8. 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche Diskurse 179
    1. 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
      1. 3.1.1 Alfred Kubin und die Misogynie der Moderne 185
      2. 3.1.2 „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Oskar Kokoschka und die (modernen) Amazonen 206
      3. 3.1.3 Erika Giovanna Klien – schwierige Emanzipationswege einer „neuen“ Frau 214
      4. 3.1.4 Zerrissenheit und Identitätssuche – Geschlechterbilder bei Margret Bilger 220
    2. 3.2 Geschwindigkeit – Fortschrittseuphorie versus Kulturpessimismus 232
      1. 3.2.1 Alfred Kubins Traumstadt „Perle“ als Versuchsstation der Fortschrittsverweigerung 236
      2. 3.2.2 „Im Riesengefängnis New York“: Erika Giovanna Klien und ihr Verhältnis zu Stadt, Geschwindigkeit und Technik 245
      3. 3.2.3 Der Rückzug aufs Land: Alfred Kubin und Margret Bilger 256
      4. 3.2.4 „Haste nicht und raste nie. Sonst hastet die Neurasthenie“: ein Exkurs zum Nervendiskurs 264
    3. 3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert 271
      1. 3.3.1 Alfred Kubin: Von der Ariosophie zum Buddhismus 277
      2. 3.3.2 Aloys Wach, die Kabbala und Jesus Christus als „Okkultist“ . . . . . . . 284 Exkurs: Die „Affäre Schappeller“ 291
    4. 3.4. Zweites Resümee oder: Welche Diskurse der Moderne die KünstlerInnen bewegten 308
  9. 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus 313
    1. 4.1 Die Legende vom unpolitischen Künstler – Zum Verständnis von Kunst und Politik bis 1945 315
    2. 4.2 Erster Weltkrieg und das Ende der k. u. k. Monarchie 319
      1. 4.2.1 Kubin, der Krieg und das Ende der „alten Ruhe“ 321
      2. 4.2.2 „Ich bin so froh, dass ich noch lebe“: Oskar Kokoschka und der Erste Weltkrieg 328
    3. 4.3 Zwischen den Kriegen: Revolution(en), Republik(en), „Ständestaat“ 349
      1. 4.3.1 Der „Kunstlump“ – Oskar Kokoschka und die (deutsche) Revolution 353
      2. 4.3.2 Aloys Wach und die Münchner Räterepublik 360
      3. 4.3.3 Aus der Distanz: Erika Giovanna Klien und die österreichische Zwischenkriegszeit 368
      4. 4.3.4 „Weil ich nicht in der Vaterlandspartei bin“: Positionen zum „Ständestaat“ bei Oskar Kokoschka und Alfred Kubin 373
    4. 4.4 Nationalsozialismus 382
      1. 4.4.1 „… diese stummen Geister der Auflehnung“: Alfred Kubin und der Nationalsozialismus 385
      2. 4.4.2 Oskar Kokoschka: Selbstbildnis eines „entarteten“ Künstlers 397
      3. 4.4.3 „22° Waage“: Aloys Wach und der Nationalsozialismus 404
      4. 4.4.4 „… hätte ich aber die conträren Gesinnungen“: Margret Bilger und der Nationalsozialismus 409
    5. 4.5 Drittes Resümee oder: Wie politisch waren die „unpolitischen“ KünstlerInnen? 422
  10. Dank 426
  11. Abkürzungsverzeichnis 428
  12. Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 429
  13. Quellen- und Literaturverzeichnis 431
  14. Archive und Sammlungen 431
  15. Zeitungen/Zeitschriften/Jahrbücher 432
  16. Literatur und gedruckte Quellen 432
  17. Personenregister 463
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