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Zeitwesen - Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
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2.1 Alfred Kubin – ein autobiographical life | 91 Die Münchner Jahre beschrieb Kubin als befriedigende Zeit, in der er fand, was er bisher gesucht hatte. Initialerlebnis für seine künstlerische Entwicklung sei ein Besuch des Kupferstichkabinetts und die Auseinandersetzung mit dem Werk von Max Klinger gewesen: „Noch vor den Blättern [Anm.: Klingers] gelobte ich mir, mein Leben dem Schaffen sol- cher Dinge zu weihen.“33 Interessant erscheint Kubins weitere Schilderung, nach dem Besuch des Kupfer- stichkabinetts von einem „Sturz von Visionen“ überfallen worden zu sein. Das Mo- tiv eines „Wunderrausches“ von Bildern, die ihn überkommen haben, und die er nur mehr „ab[zu]zeichnen“ brauchte, taucht hier erstmals auf. Es sollte die Rezeption des Künstlers Alfred Kubin prägen, der wie kein anderer als Künstler des Unbe- wussten, des Traumes rezipiert wird. Schilderungen solcher Rauschzustände waren es sicher auch, die immer wieder Anlass zu Mutmaßungen über Kubins geistigen Gesundheitszustand – Stichwort psychotische Zustände – gaben.34 Der junge Kubin begann von der Kritik wahrgenommen zu werden, die Akade- mie besuchte er nicht mehr, vielmehr war er nun zentrales Mitglied der Schwabinger Bohème. Dass diese ihn in seinem stilisierten Künstler-Habitus nicht immer ganz ernst nahm,35 geht aus den Lebenserinnerungen nicht hervor, dafür aber, dass über die Bekanntschaft mit Hans von Weber 1903 sein Durchbruch erfolgte.36 Tatsächlich 33 Kubin, Aus meinem Leben, 25. 34 Nachdem sich bereits Wolfgang Müller-Thalheim mit Kubins psychischer Disposition auseinan- dergesetzt hat, verweist in einem jüngeren Beitrag die Medizinhistorikerin Maike Rotzoll auf Ku- bins Selbstinszenierung, in der er mit dem „Wahnsinn“ auch kokettiert habe. Vgl.  Maike Rotzoll, „Ich muss zeichnen bis zur Raserei, nur zeichnen“. Genie und Wahnsinn in autopathographischen Ego-Dokumenten von Künstlern aus dem frühen 20.  Jahrhundert, in: Philipp Osten (Hg.), Pati- entendokumente. Krankheit in Selbstzeugnissen, Stuttgart 2010, 177–193. Abseits des pathologi- schen Diskurses gilt es in diesem Zusammenhang darauf zu verweisen, dass Rauschzustände wie die oben beschriebenen von KünstlerInnen häufig auch bewusst herbeigeführt wurden – durch die Einnahme von bewusstseinserweiternden Drogen. Kubin selbst hat wie viele seiner Zeitgenos- sInnen auch mit Haschisch experimentiert. Vgl. Regina Thumser-Wöhs, „…zauberlacht Unlust in blaue Heiterkeit“. Sucht und Kunst im 19. und frühen 20.  Jahrhundert, Innsbruck 2017; dort im Besonderen zu Kubin: 375  ff. 35 Zu Kubins Schwabinger Zeit vgl. Annegret Hoberg, Kubin und München 1898–1921, in: Dies. (Hg.), Alfred Kubin. 1877–1959, München 1990, 43–66; Annegret Hoberg, Alfred Kubin – Die In- szenierungen eines Künstlers im München der Jahrhundertwende, in: Peter Assmann/Peter Kraml (Hg.), Die andere Seite der Wirklichkeit, Linz, Salzburg 1995, 11–30. 36 Kubin, Aus meinem Leben, 30. Open-Access-Publikation im Sinne der Lizenz CC BY 4.0
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Zeitwesen Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
Titel
Zeitwesen
Untertitel
Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
Autor
Birgit Kirchmayr
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-23310-7
Abmessungen
17.3 x 24.5 cm
Seiten
468
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung 11
  2. Fragestellung und Ausgangsthesen 11
  3. Theoretische Bezugsrahmen 14
  4. Quellen 17
  5. „Zeitwesen“ oder: die ProtagonistInnen 20
  6. 1 Auto/Biographieforschung – KünstlerInnenforschung 33
    1. 1.1 Auto/Biographieforschung 33
      1. 1.1.1 Lebenslauf, Biographie, Autobiographie oder Auto/Biographie? 34
      2. 1.1.2 Auto/Biographie und Geschichtswissenschaft 39
      3. 1.1.3 Auto/Biographie und Geschlecht 47
    2. 1.2 Künstlerauto/biographie 51
      1. 1.2.1 Von Vasaris Viten bis „Inventing Leonardo“: Zur Geschichte der Künstlerbiographik 51
      2. 1.2.2 „Biographische Formeln“: Die „Legende vom Künstler“ 54
      3. 1.2.3 Geniekonzept und Autobiographical Life 59
    3. 1.3 Auto/Biographische Quellen 63
      1. 1.3.1 Autobiographie 65
      2. 1.3.2 Brief 66
      3. 1.3.3 Tagebuch 72
  7. 2 KünstlerInnen über sich 79
    1. 2.1 Alfred Kubin – ein autobiographical life 80
      1. 2.1.1 Der Künstler, sein Archivar und sein Nachlass 80
      2. 2.1.2 Die Autobiographie „Aus meinem Leben“ (1911–1952) 83
    2. 2.2 Oskar Kokoschka – der biographische „Jongleur“ 105
      1. 2.2.1 Der Künstler als Erzähler 105
      2. 2.2.2 Die Autobiographie „Mein Leben“ (1971) 109
    3. 2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden 136
      1. 2.3.1 Autobiographisches in Tagebüchern und Briefen 136
      2. 2.3.2 „Biographische Notizen“ (1929) 138
    4. 2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente 150
      1. 2.4.1 Erklärungen zu einem Negativbefund 150
      2. 2.4.2 Die „Klessheimer Sendboten“ (1927) 154
    5. 2.5 Margret Bilger – Autobiographisches wider Willen 164
      1. 2.5.1 Versuch einer Verweigerung 164
      2. 2.5.2 Der „Lebensbericht“ (1968) 166
    6. 2.6 Erstes Resümee oder: Wie KünstlerInnen über sich schreiben und dabei „biographische Formeln“ verwenden 175
  8. 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche Diskurse 179
    1. 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
      1. 3.1.1 Alfred Kubin und die Misogynie der Moderne 185
      2. 3.1.2 „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Oskar Kokoschka und die (modernen) Amazonen 206
      3. 3.1.3 Erika Giovanna Klien – schwierige Emanzipationswege einer „neuen“ Frau 214
      4. 3.1.4 Zerrissenheit und Identitätssuche – Geschlechterbilder bei Margret Bilger 220
    2. 3.2 Geschwindigkeit – Fortschrittseuphorie versus Kulturpessimismus 232
      1. 3.2.1 Alfred Kubins Traumstadt „Perle“ als Versuchsstation der Fortschrittsverweigerung 236
      2. 3.2.2 „Im Riesengefängnis New York“: Erika Giovanna Klien und ihr Verhältnis zu Stadt, Geschwindigkeit und Technik 245
      3. 3.2.3 Der Rückzug aufs Land: Alfred Kubin und Margret Bilger 256
      4. 3.2.4 „Haste nicht und raste nie. Sonst hastet die Neurasthenie“: ein Exkurs zum Nervendiskurs 264
    3. 3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert 271
      1. 3.3.1 Alfred Kubin: Von der Ariosophie zum Buddhismus 277
      2. 3.3.2 Aloys Wach, die Kabbala und Jesus Christus als „Okkultist“ . . . . . . . 284 Exkurs: Die „Affäre Schappeller“ 291
    4. 3.4. Zweites Resümee oder: Welche Diskurse der Moderne die KünstlerInnen bewegten 308
  9. 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus 313
    1. 4.1 Die Legende vom unpolitischen Künstler – Zum Verständnis von Kunst und Politik bis 1945 315
    2. 4.2 Erster Weltkrieg und das Ende der k. u. k. Monarchie 319
      1. 4.2.1 Kubin, der Krieg und das Ende der „alten Ruhe“ 321
      2. 4.2.2 „Ich bin so froh, dass ich noch lebe“: Oskar Kokoschka und der Erste Weltkrieg 328
    3. 4.3 Zwischen den Kriegen: Revolution(en), Republik(en), „Ständestaat“ 349
      1. 4.3.1 Der „Kunstlump“ – Oskar Kokoschka und die (deutsche) Revolution 353
      2. 4.3.2 Aloys Wach und die Münchner Räterepublik 360
      3. 4.3.3 Aus der Distanz: Erika Giovanna Klien und die österreichische Zwischenkriegszeit 368
      4. 4.3.4 „Weil ich nicht in der Vaterlandspartei bin“: Positionen zum „Ständestaat“ bei Oskar Kokoschka und Alfred Kubin 373
    4. 4.4 Nationalsozialismus 382
      1. 4.4.1 „… diese stummen Geister der Auflehnung“: Alfred Kubin und der Nationalsozialismus 385
      2. 4.4.2 Oskar Kokoschka: Selbstbildnis eines „entarteten“ Künstlers 397
      3. 4.4.3 „22° Waage“: Aloys Wach und der Nationalsozialismus 404
      4. 4.4.4 „… hätte ich aber die conträren Gesinnungen“: Margret Bilger und der Nationalsozialismus 409
    5. 4.5 Drittes Resümee oder: Wie politisch waren die „unpolitischen“ KünstlerInnen? 422
  10. Dank 426
  11. Abkürzungsverzeichnis 428
  12. Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 429
  13. Quellen- und Literaturverzeichnis 431
  14. Archive und Sammlungen 431
  15. Zeitungen/Zeitschriften/Jahrbücher 432
  16. Literatur und gedruckte Quellen 432
  17. Personenregister 463
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