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Zeitwesen - Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
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2.2 Oskar Kokoschka – der biographische „Jongleur“ | 123 daß Alma Mahler ihren schon erwogenen Entschluß durchführte, in die Klinik ging und sich das Kind, mein Kind, nehmen ließ.“137 So wehrte sich Kokoschka zwar gegen Alma Mahlers Anschuldigungen in deren Memoiren, bestätigte aber gleichzeitig selbst, wie weit sein Besitzanspruch in Bezug auf die Geliebte ging. In der Gesellschaft, in der Alma Mahler sich bewegte, fühlte er sich, vor allem im Vergleich zum übermächtigen Mahler, nicht anerkannt. Er fürch- tete, Alma durch diesen Einfluss verlieren zu können, für ihn die Erklärung, warum er Alma der Gesellschaft entziehen und für sich haben wollte: „Sie konnte nicht vergessen, daß sie mit einem weltberühmten Dirigenten und Komponis- ten verheiratet gewesen war, während ich höchstens berüchtigt – und dies bloß in Wien – und unbemittelt war. Ich haßte die Gesellschaft, die sie unsicher gemacht hat, weshalb ich, eifersüchtig auf jeden fremden Einfluß, sie mit allen Mitteln zu isolieren versuchte. Sie bewahrte mir in der ersten Zeit ihre Liebe, doch später lehnte sie sich auf.“138 Ebenfalls belastend für die Beziehung war die Ablehnung Alma Mahlers durch die Mutter Kokoschkas. Nach seiner Aussage sei sie massiv gegen das Verhältnis mit der älteren Witwe gewesen, die sie im Verdacht gehabt habe, ihrem Sohn nur Leid zuzufügen. Kokoschkas Bindung zur Mutter war stark,139 in der Autobiographie er- scheint diese Konstellation aber nicht als belastende Situation, sondern humoris- tisch in Anekdotenform gepackt: So beschrieb Kokoschka, wie seine Mutter, als sie von einem Rendezvous erfahren hatte, stundenlang vor Alma Mahlers Fenster pat- rouilliert habe, die Hand „verdächtig in der Manteltasche bewegend“, also offenbar einen Revolver andeutend. Laut Kokoschka mussten sie beide, die Mutter und er, anschließend über den „Streich“ lachen.140 Die Beziehung zu Alma Mahler fand intensiven Niederschlag in Kokoschkas Werk. In der Autobiographie berichtete er von seiner Verarbeitung im Gedicht „Al- los Makar“ und im Bühnenstück „Orpheus und Eurydike“, in dem, wie er es formu- 137 Kokoschka, Mein Leben, 130. 138 Kokoschka, Mein Leben, 129. 139 Über Kokoschkas Verhalten in Gegenwart seiner Mutter notierte die Wiener Kunsthistorikerin Erica Tietze (Kokoschka fertigte 1909 das Doppelporträt des Ehepaares Erica und Hans Tietze) in ihrem Tagebuch: „Hans [Anm.: Tietze] erzählte, wie OK’s Stimme einen falschen Ton bekommt, wenn er mit d. Mutter spricht. Wie ein Schulbub, der Angst hat.“ Zit. nach Alexandra Caruso (Hg.), Erica Tietze-Conrat. Tagebücher. Bd. 1, Wien 2015, 222 (Eintrag 9.4.1924). 140 Kokoschka, Mein Leben, 127. Open-Access-Publikation im Sinne der Lizenz CC BY 4.0
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Zeitwesen Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
Titel
Zeitwesen
Untertitel
Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
Autor
Birgit Kirchmayr
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-23310-7
Abmessungen
17.3 x 24.5 cm
Seiten
468
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung 11
  2. Fragestellung und Ausgangsthesen 11
  3. Theoretische Bezugsrahmen 14
  4. Quellen 17
  5. „Zeitwesen“ oder: die ProtagonistInnen 20
  6. 1 Auto/Biographieforschung – KünstlerInnenforschung 33
    1. 1.1 Auto/Biographieforschung 33
      1. 1.1.1 Lebenslauf, Biographie, Autobiographie oder Auto/Biographie? 34
      2. 1.1.2 Auto/Biographie und Geschichtswissenschaft 39
      3. 1.1.3 Auto/Biographie und Geschlecht 47
    2. 1.2 Künstlerauto/biographie 51
      1. 1.2.1 Von Vasaris Viten bis „Inventing Leonardo“: Zur Geschichte der Künstlerbiographik 51
      2. 1.2.2 „Biographische Formeln“: Die „Legende vom Künstler“ 54
      3. 1.2.3 Geniekonzept und Autobiographical Life 59
    3. 1.3 Auto/Biographische Quellen 63
      1. 1.3.1 Autobiographie 65
      2. 1.3.2 Brief 66
      3. 1.3.3 Tagebuch 72
  7. 2 KünstlerInnen über sich 79
    1. 2.1 Alfred Kubin – ein autobiographical life 80
      1. 2.1.1 Der Künstler, sein Archivar und sein Nachlass 80
      2. 2.1.2 Die Autobiographie „Aus meinem Leben“ (1911–1952) 83
    2. 2.2 Oskar Kokoschka – der biographische „Jongleur“ 105
      1. 2.2.1 Der Künstler als Erzähler 105
      2. 2.2.2 Die Autobiographie „Mein Leben“ (1971) 109
    3. 2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden 136
      1. 2.3.1 Autobiographisches in Tagebüchern und Briefen 136
      2. 2.3.2 „Biographische Notizen“ (1929) 138
    4. 2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente 150
      1. 2.4.1 Erklärungen zu einem Negativbefund 150
      2. 2.4.2 Die „Klessheimer Sendboten“ (1927) 154
    5. 2.5 Margret Bilger – Autobiographisches wider Willen 164
      1. 2.5.1 Versuch einer Verweigerung 164
      2. 2.5.2 Der „Lebensbericht“ (1968) 166
    6. 2.6 Erstes Resümee oder: Wie KünstlerInnen über sich schreiben und dabei „biographische Formeln“ verwenden 175
  8. 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche Diskurse 179
    1. 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
      1. 3.1.1 Alfred Kubin und die Misogynie der Moderne 185
      2. 3.1.2 „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Oskar Kokoschka und die (modernen) Amazonen 206
      3. 3.1.3 Erika Giovanna Klien – schwierige Emanzipationswege einer „neuen“ Frau 214
      4. 3.1.4 Zerrissenheit und Identitätssuche – Geschlechterbilder bei Margret Bilger 220
    2. 3.2 Geschwindigkeit – Fortschrittseuphorie versus Kulturpessimismus 232
      1. 3.2.1 Alfred Kubins Traumstadt „Perle“ als Versuchsstation der Fortschrittsverweigerung 236
      2. 3.2.2 „Im Riesengefängnis New York“: Erika Giovanna Klien und ihr Verhältnis zu Stadt, Geschwindigkeit und Technik 245
      3. 3.2.3 Der Rückzug aufs Land: Alfred Kubin und Margret Bilger 256
      4. 3.2.4 „Haste nicht und raste nie. Sonst hastet die Neurasthenie“: ein Exkurs zum Nervendiskurs 264
    3. 3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert 271
      1. 3.3.1 Alfred Kubin: Von der Ariosophie zum Buddhismus 277
      2. 3.3.2 Aloys Wach, die Kabbala und Jesus Christus als „Okkultist“ . . . . . . . 284 Exkurs: Die „Affäre Schappeller“ 291
    4. 3.4. Zweites Resümee oder: Welche Diskurse der Moderne die KünstlerInnen bewegten 308
  9. 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus 313
    1. 4.1 Die Legende vom unpolitischen Künstler – Zum Verständnis von Kunst und Politik bis 1945 315
    2. 4.2 Erster Weltkrieg und das Ende der k. u. k. Monarchie 319
      1. 4.2.1 Kubin, der Krieg und das Ende der „alten Ruhe“ 321
      2. 4.2.2 „Ich bin so froh, dass ich noch lebe“: Oskar Kokoschka und der Erste Weltkrieg 328
    3. 4.3 Zwischen den Kriegen: Revolution(en), Republik(en), „Ständestaat“ 349
      1. 4.3.1 Der „Kunstlump“ – Oskar Kokoschka und die (deutsche) Revolution 353
      2. 4.3.2 Aloys Wach und die Münchner Räterepublik 360
      3. 4.3.3 Aus der Distanz: Erika Giovanna Klien und die österreichische Zwischenkriegszeit 368
      4. 4.3.4 „Weil ich nicht in der Vaterlandspartei bin“: Positionen zum „Ständestaat“ bei Oskar Kokoschka und Alfred Kubin 373
    4. 4.4 Nationalsozialismus 382
      1. 4.4.1 „… diese stummen Geister der Auflehnung“: Alfred Kubin und der Nationalsozialismus 385
      2. 4.4.2 Oskar Kokoschka: Selbstbildnis eines „entarteten“ Künstlers 397
      3. 4.4.3 „22° Waage“: Aloys Wach und der Nationalsozialismus 404
      4. 4.4.4 „… hätte ich aber die conträren Gesinnungen“: Margret Bilger und der Nationalsozialismus 409
    5. 4.5 Drittes Resümee oder: Wie politisch waren die „unpolitischen“ KünstlerInnen? 422
  10. Dank 426
  11. Abkürzungsverzeichnis 428
  12. Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 429
  13. Quellen- und Literaturverzeichnis 431
  14. Archive und Sammlungen 431
  15. Zeitungen/Zeitschriften/Jahrbücher 432
  16. Literatur und gedruckte Quellen 432
  17. Personenregister 463
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