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Zeitwesen - Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
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2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente | 161 Frau tritt hier in ihrer Eigenschaft als Künstlerin auf, die aufgrund ihrer modernen Ausrichtung angefeindet und ausgeschlossen wird. Der „Redakteur des Klessheimer Sendboten“ berichtet, dass dieser, also Klien selbst, dem „Wirtschaftsverband Bil- dender Künstler Salzburgs“ beigetreten sei und jede Woche zum Aktzeichnen gehe. Die Anfeindungen, die Klien dort offenbar erfuhr, lassen sich aus den Darstellungen erschließen: Die junge Künstlerin fertigt ein kinetisch aufgebautes Aktmodell an, daneben steht eine Gruppe sich empörender, meist älterer und männlicher Kolle- gen, in deren Sprechblasen sich die Aussagen „Entehrung der Kunst“, „Blödsinn! Schwindel!“ und „Geschmacklosigkeit! Dreck!“ und „Pfui!“ finden. In einer weiteren Bildsequenz stehen einander die junge Frau und die Gruppe der Gegner in einem Duell mit überdimensionierten Bleistiften gegenüber. Als „Jungfrau von Klessheim“ kämpft Klien gegen eine Übermacht, die die konservative Kunstelite darstellt und Schilder mit den Parolen „Es lebe das ehrliche Können!!!“, „Nieder die Kunstschänderin!“, „Tod der Kommunistin“, „Bleib ehrlich und conservativ!“ und „Ins Irrenhaus mit ihr!“ trägt. Der Ausgang des Duells bleibt offen, der Kampfgeist der jungen Künstlerin scheint aber ungebrochen, denn in ihrer Sprechblase steht: „Und wenn im Kampf die mutigsten verzagen – ich kämpfe – ich verzage nicht!“ Am unteren Rand des Bildes findet sich eine Szene, die die junge Frau in dieser Situation offenbar als Ausweg für sich findet: Sie ist dort zu sehen in enger Umarmung mit einem jungen Mann und dem Spruch „Habt’s mich gern! Es lebe das Leben.“252 Mangels anderer Quellen wissen wir kaum Konkretes über die Wahrnehmung der künstlerischen Außenseiterposition, die Klien in Salzburg vermutlich noch stär- ker als in ihrem Wiener Umfeld empfand. Die Parolen, die sie ihren Gegnern in den Mund legt, sind jedenfalls die zentralen Formeln des in der österreichischen Zwischenkriegszeit präsenten Kulturkampfs zwischen den Vertretern einer konser- vativen oder gemäßigt modernen Richtung und der nur spärlich vertretenen Avant- garde, die sich wie die KinetistInnen an internationalen Strömungen wie Kubismus oder Futurismus orientierten. Klien sah sich als einsame Kämpferin für die Mo- derne, ihre Waffen – so die Darstellung am „Sendboten“ – waren Bleistift und Pinsel. Die Flucht in die Liebe beziehungsweise Erotik kann als Gegenmodell betrachtet werden, das die Künstlerin für sich in Anspruch nahm. Auch in anderen, späteren autobiographischen Aufzeichnungen findet sich dieser Konflikt einer nach privatem Glück strebenden und des Kampfes oft müden Frau wieder.253 Als die „Sendboten“ 1927 entstanden, war der weitere Karriereweg Kliens noch weitgehend offen. Sie hoffte, die Duncan-Schule würde nach Paris übersiedeln, was 252 Erika Giovanna Klien, Klessheimer Sendbote, „Skandal-Nachrichten 12.2.1927“. 253 Vgl. dazu das Kapitel 3.1.3. Open-Access-Publikation im Sinne der Lizenz CC BY 4.0
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Zeitwesen Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
Titel
Zeitwesen
Untertitel
Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
Autor
Birgit Kirchmayr
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-23310-7
Abmessungen
17.3 x 24.5 cm
Seiten
468
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung 11
  2. Fragestellung und Ausgangsthesen 11
  3. Theoretische Bezugsrahmen 14
  4. Quellen 17
  5. „Zeitwesen“ oder: die ProtagonistInnen 20
  6. 1 Auto/Biographieforschung – KünstlerInnenforschung 33
    1. 1.1 Auto/Biographieforschung 33
      1. 1.1.1 Lebenslauf, Biographie, Autobiographie oder Auto/Biographie? 34
      2. 1.1.2 Auto/Biographie und Geschichtswissenschaft 39
      3. 1.1.3 Auto/Biographie und Geschlecht 47
    2. 1.2 Künstlerauto/biographie 51
      1. 1.2.1 Von Vasaris Viten bis „Inventing Leonardo“: Zur Geschichte der Künstlerbiographik 51
      2. 1.2.2 „Biographische Formeln“: Die „Legende vom Künstler“ 54
      3. 1.2.3 Geniekonzept und Autobiographical Life 59
    3. 1.3 Auto/Biographische Quellen 63
      1. 1.3.1 Autobiographie 65
      2. 1.3.2 Brief 66
      3. 1.3.3 Tagebuch 72
  7. 2 KünstlerInnen über sich 79
    1. 2.1 Alfred Kubin – ein autobiographical life 80
      1. 2.1.1 Der Künstler, sein Archivar und sein Nachlass 80
      2. 2.1.2 Die Autobiographie „Aus meinem Leben“ (1911–1952) 83
    2. 2.2 Oskar Kokoschka – der biographische „Jongleur“ 105
      1. 2.2.1 Der Künstler als Erzähler 105
      2. 2.2.2 Die Autobiographie „Mein Leben“ (1971) 109
    3. 2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden 136
      1. 2.3.1 Autobiographisches in Tagebüchern und Briefen 136
      2. 2.3.2 „Biographische Notizen“ (1929) 138
    4. 2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente 150
      1. 2.4.1 Erklärungen zu einem Negativbefund 150
      2. 2.4.2 Die „Klessheimer Sendboten“ (1927) 154
    5. 2.5 Margret Bilger – Autobiographisches wider Willen 164
      1. 2.5.1 Versuch einer Verweigerung 164
      2. 2.5.2 Der „Lebensbericht“ (1968) 166
    6. 2.6 Erstes Resümee oder: Wie KünstlerInnen über sich schreiben und dabei „biographische Formeln“ verwenden 175
  8. 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche Diskurse 179
    1. 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
      1. 3.1.1 Alfred Kubin und die Misogynie der Moderne 185
      2. 3.1.2 „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Oskar Kokoschka und die (modernen) Amazonen 206
      3. 3.1.3 Erika Giovanna Klien – schwierige Emanzipationswege einer „neuen“ Frau 214
      4. 3.1.4 Zerrissenheit und Identitätssuche – Geschlechterbilder bei Margret Bilger 220
    2. 3.2 Geschwindigkeit – Fortschrittseuphorie versus Kulturpessimismus 232
      1. 3.2.1 Alfred Kubins Traumstadt „Perle“ als Versuchsstation der Fortschrittsverweigerung 236
      2. 3.2.2 „Im Riesengefängnis New York“: Erika Giovanna Klien und ihr Verhältnis zu Stadt, Geschwindigkeit und Technik 245
      3. 3.2.3 Der Rückzug aufs Land: Alfred Kubin und Margret Bilger 256
      4. 3.2.4 „Haste nicht und raste nie. Sonst hastet die Neurasthenie“: ein Exkurs zum Nervendiskurs 264
    3. 3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert 271
      1. 3.3.1 Alfred Kubin: Von der Ariosophie zum Buddhismus 277
      2. 3.3.2 Aloys Wach, die Kabbala und Jesus Christus als „Okkultist“ . . . . . . . 284 Exkurs: Die „Affäre Schappeller“ 291
    4. 3.4. Zweites Resümee oder: Welche Diskurse der Moderne die KünstlerInnen bewegten 308
  9. 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus 313
    1. 4.1 Die Legende vom unpolitischen Künstler – Zum Verständnis von Kunst und Politik bis 1945 315
    2. 4.2 Erster Weltkrieg und das Ende der k. u. k. Monarchie 319
      1. 4.2.1 Kubin, der Krieg und das Ende der „alten Ruhe“ 321
      2. 4.2.2 „Ich bin so froh, dass ich noch lebe“: Oskar Kokoschka und der Erste Weltkrieg 328
    3. 4.3 Zwischen den Kriegen: Revolution(en), Republik(en), „Ständestaat“ 349
      1. 4.3.1 Der „Kunstlump“ – Oskar Kokoschka und die (deutsche) Revolution 353
      2. 4.3.2 Aloys Wach und die Münchner Räterepublik 360
      3. 4.3.3 Aus der Distanz: Erika Giovanna Klien und die österreichische Zwischenkriegszeit 368
      4. 4.3.4 „Weil ich nicht in der Vaterlandspartei bin“: Positionen zum „Ständestaat“ bei Oskar Kokoschka und Alfred Kubin 373
    4. 4.4 Nationalsozialismus 382
      1. 4.4.1 „… diese stummen Geister der Auflehnung“: Alfred Kubin und der Nationalsozialismus 385
      2. 4.4.2 Oskar Kokoschka: Selbstbildnis eines „entarteten“ Künstlers 397
      3. 4.4.3 „22° Waage“: Aloys Wach und der Nationalsozialismus 404
      4. 4.4.4 „… hätte ich aber die conträren Gesinnungen“: Margret Bilger und der Nationalsozialismus 409
    5. 4.5 Drittes Resümee oder: Wie politisch waren die „unpolitischen“ KünstlerInnen? 422
  10. Dank 426
  11. Abkürzungsverzeichnis 428
  12. Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 429
  13. Quellen- und Literaturverzeichnis 431
  14. Archive und Sammlungen 431
  15. Zeitungen/Zeitschriften/Jahrbücher 432
  16. Literatur und gedruckte Quellen 432
  17. Personenregister 463
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