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Zeitwesen - Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
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3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20.  Jahrhunderts | 209 ins rote Fleisch!“100 Die Frau stürzt darauf schmerzschreiend auf den Mann und ver- setzt ihm mit einem Dolch eine tiefe Wunde. Der Verletzte wird von den Frauen, die in der Zwischenzeit begonnen haben, sich mit dem Gefolge des Mannes „paarend“ auf dem Boden zu wälzen, in einen Käfig gesperrt. Er scheint besiegt. Die Frau aber zieht es zu dem von ihr Besiegten: „Sie schleicht wie ein Panther im Kreis um den Käfig. Sie kriecht neugierig zum Turm, greift lüstern nach dem Gitter, schreibt ein großes weißes Kreuz an den Turm, schreit auf. Frau: ‚Macht das Tor auf, ich muss zu ihm!‘“101 Während der verletzte Mann im Käfig wieder zu Kräften zu kommen scheint, ver- fällt die Frau zusehends. Noch einmal verflucht sie ihn: „Frau: ‚Ich will dich nicht leben lassen, Du Vampyr, frißt an meinem Blut, Du schwächst mich, wehe Dir, ich töte Dich – Du fesselst mich – Dich fing ich ein – und Du hältst mich — laß los von mir, Blutender, Deine Liebe umklammert mich — wie mit eisernen Ketten — erdrosselt — los — Hilfe. Ich verlor den Schlüssel, der Dich festhielt.‘“102 Der Mann „reißt das Tor auf“, verlässt den Käfig, er braucht die Frau nur mehr mit dem Finger zu berühren und sie stirbt. Der Mann erschlägt alle, die sich ihm in den Weg stellen „wie Mücken“ und „geht rot fort“.103 Die Stärke des Mannes setzt sich durch, die tödliche Rache der Frau scheitert, und zwar an ihrer eigenen vermeintli- chen Schwäche: ihrer sexuellen Begierde, die sie den Mann im Käfig befreien ließ. Am Schluss ist sie tot, bezwungen vom Mann. Ähnlich wie bei den autobiographischen Ausführungen zum Plakat des Stücks, verwies Kokoschka auch das Drama selbst betreffend auf den persönlichen Hinter- grund des Geschlechterkampfs. Am deutlichsten formuliert ist dies in der ersten Fassung von „Mein Leben“: „Die Geschlechtsliebe veränderte total mein Verhalten zur Welt, zur Gesellschaft. Diese Spannung – in einer aufregenden und unsicher erscheinenden Umwelt – verursachte, daß 100 Ich zitiere hier und im Folgenden aus der frühesten vorliegenden schriftlichen Fassung des Dra- mas: Oskar Kokoschka, Mörder, Hoffnung der Frauen, in: Der Sturm. Wochenschrift für Kultur und die Künste, 1910, Heft 20, 155–156. In dieser Fassung auch publiziert in: Heinz Spielmann (Hg.), Oskar Kokoschka. Das schriftliche Werk. Bd. 1. Dichtungen und Dramen, Hamburg 1973, 33–41. 101 Kokoschka, Mörder, Hoffnung der Frauen, 156. 102 Kokoschka, Mörder, Hoffnung der Frauen, 156. 103 Kokoschka, Mörder, Hoffnung der Frauen, 156. Open-Access-Publikation im Sinne der Lizenz CC BY 4.0
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Zeitwesen Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
Titel
Zeitwesen
Untertitel
Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
Autor
Birgit Kirchmayr
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-23310-7
Abmessungen
17.3 x 24.5 cm
Seiten
468
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung 11
  2. Fragestellung und Ausgangsthesen 11
  3. Theoretische Bezugsrahmen 14
  4. Quellen 17
  5. „Zeitwesen“ oder: die ProtagonistInnen 20
  6. 1 Auto/Biographieforschung – KünstlerInnenforschung 33
    1. 1.1 Auto/Biographieforschung 33
      1. 1.1.1 Lebenslauf, Biographie, Autobiographie oder Auto/Biographie? 34
      2. 1.1.2 Auto/Biographie und Geschichtswissenschaft 39
      3. 1.1.3 Auto/Biographie und Geschlecht 47
    2. 1.2 Künstlerauto/biographie 51
      1. 1.2.1 Von Vasaris Viten bis „Inventing Leonardo“: Zur Geschichte der Künstlerbiographik 51
      2. 1.2.2 „Biographische Formeln“: Die „Legende vom Künstler“ 54
      3. 1.2.3 Geniekonzept und Autobiographical Life 59
    3. 1.3 Auto/Biographische Quellen 63
      1. 1.3.1 Autobiographie 65
      2. 1.3.2 Brief 66
      3. 1.3.3 Tagebuch 72
  7. 2 KünstlerInnen über sich 79
    1. 2.1 Alfred Kubin – ein autobiographical life 80
      1. 2.1.1 Der Künstler, sein Archivar und sein Nachlass 80
      2. 2.1.2 Die Autobiographie „Aus meinem Leben“ (1911–1952) 83
    2. 2.2 Oskar Kokoschka – der biographische „Jongleur“ 105
      1. 2.2.1 Der Künstler als Erzähler 105
      2. 2.2.2 Die Autobiographie „Mein Leben“ (1971) 109
    3. 2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden 136
      1. 2.3.1 Autobiographisches in Tagebüchern und Briefen 136
      2. 2.3.2 „Biographische Notizen“ (1929) 138
    4. 2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente 150
      1. 2.4.1 Erklärungen zu einem Negativbefund 150
      2. 2.4.2 Die „Klessheimer Sendboten“ (1927) 154
    5. 2.5 Margret Bilger – Autobiographisches wider Willen 164
      1. 2.5.1 Versuch einer Verweigerung 164
      2. 2.5.2 Der „Lebensbericht“ (1968) 166
    6. 2.6 Erstes Resümee oder: Wie KünstlerInnen über sich schreiben und dabei „biographische Formeln“ verwenden 175
  8. 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche Diskurse 179
    1. 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
      1. 3.1.1 Alfred Kubin und die Misogynie der Moderne 185
      2. 3.1.2 „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Oskar Kokoschka und die (modernen) Amazonen 206
      3. 3.1.3 Erika Giovanna Klien – schwierige Emanzipationswege einer „neuen“ Frau 214
      4. 3.1.4 Zerrissenheit und Identitätssuche – Geschlechterbilder bei Margret Bilger 220
    2. 3.2 Geschwindigkeit – Fortschrittseuphorie versus Kulturpessimismus 232
      1. 3.2.1 Alfred Kubins Traumstadt „Perle“ als Versuchsstation der Fortschrittsverweigerung 236
      2. 3.2.2 „Im Riesengefängnis New York“: Erika Giovanna Klien und ihr Verhältnis zu Stadt, Geschwindigkeit und Technik 245
      3. 3.2.3 Der Rückzug aufs Land: Alfred Kubin und Margret Bilger 256
      4. 3.2.4 „Haste nicht und raste nie. Sonst hastet die Neurasthenie“: ein Exkurs zum Nervendiskurs 264
    3. 3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert 271
      1. 3.3.1 Alfred Kubin: Von der Ariosophie zum Buddhismus 277
      2. 3.3.2 Aloys Wach, die Kabbala und Jesus Christus als „Okkultist“ . . . . . . . 284 Exkurs: Die „Affäre Schappeller“ 291
    4. 3.4. Zweites Resümee oder: Welche Diskurse der Moderne die KünstlerInnen bewegten 308
  9. 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus 313
    1. 4.1 Die Legende vom unpolitischen Künstler – Zum Verständnis von Kunst und Politik bis 1945 315
    2. 4.2 Erster Weltkrieg und das Ende der k. u. k. Monarchie 319
      1. 4.2.1 Kubin, der Krieg und das Ende der „alten Ruhe“ 321
      2. 4.2.2 „Ich bin so froh, dass ich noch lebe“: Oskar Kokoschka und der Erste Weltkrieg 328
    3. 4.3 Zwischen den Kriegen: Revolution(en), Republik(en), „Ständestaat“ 349
      1. 4.3.1 Der „Kunstlump“ – Oskar Kokoschka und die (deutsche) Revolution 353
      2. 4.3.2 Aloys Wach und die Münchner Räterepublik 360
      3. 4.3.3 Aus der Distanz: Erika Giovanna Klien und die österreichische Zwischenkriegszeit 368
      4. 4.3.4 „Weil ich nicht in der Vaterlandspartei bin“: Positionen zum „Ständestaat“ bei Oskar Kokoschka und Alfred Kubin 373
    4. 4.4 Nationalsozialismus 382
      1. 4.4.1 „… diese stummen Geister der Auflehnung“: Alfred Kubin und der Nationalsozialismus 385
      2. 4.4.2 Oskar Kokoschka: Selbstbildnis eines „entarteten“ Künstlers 397
      3. 4.4.3 „22° Waage“: Aloys Wach und der Nationalsozialismus 404
      4. 4.4.4 „… hätte ich aber die conträren Gesinnungen“: Margret Bilger und der Nationalsozialismus 409
    5. 4.5 Drittes Resümee oder: Wie politisch waren die „unpolitischen“ KünstlerInnen? 422
  10. Dank 426
  11. Abkürzungsverzeichnis 428
  12. Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 429
  13. Quellen- und Literaturverzeichnis 431
  14. Archive und Sammlungen 431
  15. Zeitungen/Zeitschriften/Jahrbücher 432
  16. Literatur und gedruckte Quellen 432
  17. Personenregister 463
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