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Zeitwesen - Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
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| 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus336 erobert worden, nachdem es 1914 von der russischen Armee eingenommen wor- den war.77 Kokoschka war somit Teil einer Offensive der k.  u.  k. Armee, die russi- sche West- und Südwestfront im Bereich der gefürchteten Prypjatsümpfe weiter zu durchbrechen. Diese Offensive sollte die k.  u.  k. Truppen gegenüber der Obersten Heeresleitung des Deutschen Reichs wieder in eine bessere Position bringen, das Gegenteil war aber der Fall: Das Vorhaben endete in einem Desaster, bei dem die k.  u.  k. Armee insgesamt 230.886 Männer verlor, etwa 100.000 gerieten in russische Gefangenschaft.78 Etwa zwei Wochen nach seiner Ankunft schrieb Kokoschka an Loos von einem Zwischenfall, bei dem er erstmals in unmittelbarer Gefahr gewesen sei. Während einer Patrouille „in dem endlosen Wald und Sumpf hier“ sei er mit sei- ner Truppe in einen Hinterhalt geraten, bei dem er sich nur knapp auf seinem Pferd retten können habe. Kokoschka schloss den Brief mit einem Postskriptum: „Nichts sagen zuhause! Ich bin so froh, daß ich noch lebe.“79 Von dem Vorfall berichtete er – zwei Tage später – auch Albert Ehrenstein. Die Erzählung des Ereignisses an sich ist ähnlich, aber anders als in dem Brief an Loos scheint er bereits wieder gefasster gewesen zu sein: „Aber ich habe sehr gute Nerven und fühle mich, seitdem ich heraußen bin, damisch wohl. Ich bin Kadett geworden.“80 An die Schwester schrieb er zur selben Zeit Folgendes: „Dein Brief hat mir eine große Freude gemacht, nur hast du ganz abenteuerliche Vorstel- lungen vom Krieg, wenigstens wie er hier ist wo ich bin. Wir sitzen rund um einen großen Wald, hinter Stachelzaun und Deckung, und die Kosaken trauen sich nicht heraus und werden eines schönen Tages gefangen sein. Von Gefahr ist keine Rede, höchstens dass ich mir den Magen verderbe, weil ich jetzt so üppig esse, wie es im Hinterland unmöglich ist.“81 Diese eklatante Beschwichtigung der Situation passt in Kokoschkas Bemühen, seine Familie nicht zu beunruhigen. Den Eltern schrieb er – auch in späteren Karten von der Isonzofront im Jahr 1916 – vom Aufenthalt in der „Sommerfrische“, berichtete 77 Vgl. Wolfdieter Bihl, Der Erste Weltkrieg 1914–1918, Wien-Köln-Weimar 2010, 112. Vgl. zur Rück- eroberung Lembergs auch die Polemik von Karl Kraus: „Is denn Lemberg schon wieder noch in unserem Besitz?“ Karl Kraus, Die letzten Tage der Menschheit. Tragödie in fünf Akten mit Vorspiel und Epilog, Frankfurt am Main 1986 [EA 1922], 4. Akt, 43. Szene im Kriegspressequartier, 546. 78 Vgl. Rauchensteiner, Der Erste Weltkrieg, 475. 79 OK an Adolf Loos, [Galizien] 6.8.1915, zit. nach Kokoschka, Briefe I, 226. 80 ZBZ, NL O. Kokoschka, Fasz. 31.27, Feldpostkarte OK an Albert Ehrenstein 8.8.1915, vgl. auch Kokoschka, Briefe I, 226. 81 OK an Berta Patočka-Kokoschka [Galizien] 8.8.1915, zit. nach Kokoschka, Briefe I, 227. Open-Access-Publikation im Sinne der Lizenz CC BY 4.0
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Zeitwesen Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
Titel
Zeitwesen
Untertitel
Autobiographik österreichischer Künstlerinnen und Künstler im Spannungsfeld von Politik und Gesellschaft 1900–1945
Autor
Birgit Kirchmayr
Verlag
Böhlau Verlag
Ort
Wien
Datum
2020
Sprache
deutsch
Lizenz
CC BY 4.0
ISBN
978-3-205-23310-7
Abmessungen
17.3 x 24.5 cm
Seiten
468
Kategorie
Kunst und Kultur

Inhaltsverzeichnis

  1. Einleitung 11
  2. Fragestellung und Ausgangsthesen 11
  3. Theoretische Bezugsrahmen 14
  4. Quellen 17
  5. „Zeitwesen“ oder: die ProtagonistInnen 20
  6. 1 Auto/Biographieforschung – KünstlerInnenforschung 33
    1. 1.1 Auto/Biographieforschung 33
      1. 1.1.1 Lebenslauf, Biographie, Autobiographie oder Auto/Biographie? 34
      2. 1.1.2 Auto/Biographie und Geschichtswissenschaft 39
      3. 1.1.3 Auto/Biographie und Geschlecht 47
    2. 1.2 Künstlerauto/biographie 51
      1. 1.2.1 Von Vasaris Viten bis „Inventing Leonardo“: Zur Geschichte der Künstlerbiographik 51
      2. 1.2.2 „Biographische Formeln“: Die „Legende vom Künstler“ 54
      3. 1.2.3 Geniekonzept und Autobiographical Life 59
    3. 1.3 Auto/Biographische Quellen 63
      1. 1.3.1 Autobiographie 65
      2. 1.3.2 Brief 66
      3. 1.3.3 Tagebuch 72
  7. 2 KünstlerInnen über sich 79
    1. 2.1 Alfred Kubin – ein autobiographical life 80
      1. 2.1.1 Der Künstler, sein Archivar und sein Nachlass 80
      2. 2.1.2 Die Autobiographie „Aus meinem Leben“ (1911–1952) 83
    2. 2.2 Oskar Kokoschka – der biographische „Jongleur“ 105
      1. 2.2.1 Der Künstler als Erzähler 105
      2. 2.2.2 Die Autobiographie „Mein Leben“ (1971) 109
    3. 2.3 Aloys Wach – Selbstbespiegelungen eines Suchenden 136
      1. 2.3.1 Autobiographisches in Tagebüchern und Briefen 136
      2. 2.3.2 „Biographische Notizen“ (1929) 138
    4. 2.4 Erika Giovanna Klien – Autobiographische Fragmente 150
      1. 2.4.1 Erklärungen zu einem Negativbefund 150
      2. 2.4.2 Die „Klessheimer Sendboten“ (1927) 154
    5. 2.5 Margret Bilger – Autobiographisches wider Willen 164
      1. 2.5.1 Versuch einer Verweigerung 164
      2. 2.5.2 Der „Lebensbericht“ (1968) 166
    6. 2.6 Erstes Resümee oder: Wie KünstlerInnen über sich schreiben und dabei „biographische Formeln“ verwenden 175
  8. 3 KünstlerInnen und gesellschaftliche Diskurse 179
    1. 3.1 Der Geschlechterdiskurs des frühen 20. Jahrhunderts 180
      1. 3.1.1 Alfred Kubin und die Misogynie der Moderne 185
      2. 3.1.2 „Mörder, Hoffnung der Frauen“: Oskar Kokoschka und die (modernen) Amazonen 206
      3. 3.1.3 Erika Giovanna Klien – schwierige Emanzipationswege einer „neuen“ Frau 214
      4. 3.1.4 Zerrissenheit und Identitätssuche – Geschlechterbilder bei Margret Bilger 220
    2. 3.2 Geschwindigkeit – Fortschrittseuphorie versus Kulturpessimismus 232
      1. 3.2.1 Alfred Kubins Traumstadt „Perle“ als Versuchsstation der Fortschrittsverweigerung 236
      2. 3.2.2 „Im Riesengefängnis New York“: Erika Giovanna Klien und ihr Verhältnis zu Stadt, Geschwindigkeit und Technik 245
      3. 3.2.3 Der Rückzug aufs Land: Alfred Kubin und Margret Bilger 256
      4. 3.2.4 „Haste nicht und raste nie. Sonst hastet die Neurasthenie“: ein Exkurs zum Nervendiskurs 264
    3. 3.3 Esoterik – Spirituelle Sinnsuche im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert 271
      1. 3.3.1 Alfred Kubin: Von der Ariosophie zum Buddhismus 277
      2. 3.3.2 Aloys Wach, die Kabbala und Jesus Christus als „Okkultist“ . . . . . . . 284 Exkurs: Die „Affäre Schappeller“ 291
    4. 3.4. Zweites Resümee oder: Welche Diskurse der Moderne die KünstlerInnen bewegten 308
  9. 4 KünstlerInnen und Politik – Von der Monarchie bis zum Nationalsozialismus 313
    1. 4.1 Die Legende vom unpolitischen Künstler – Zum Verständnis von Kunst und Politik bis 1945 315
    2. 4.2 Erster Weltkrieg und das Ende der k. u. k. Monarchie 319
      1. 4.2.1 Kubin, der Krieg und das Ende der „alten Ruhe“ 321
      2. 4.2.2 „Ich bin so froh, dass ich noch lebe“: Oskar Kokoschka und der Erste Weltkrieg 328
    3. 4.3 Zwischen den Kriegen: Revolution(en), Republik(en), „Ständestaat“ 349
      1. 4.3.1 Der „Kunstlump“ – Oskar Kokoschka und die (deutsche) Revolution 353
      2. 4.3.2 Aloys Wach und die Münchner Räterepublik 360
      3. 4.3.3 Aus der Distanz: Erika Giovanna Klien und die österreichische Zwischenkriegszeit 368
      4. 4.3.4 „Weil ich nicht in der Vaterlandspartei bin“: Positionen zum „Ständestaat“ bei Oskar Kokoschka und Alfred Kubin 373
    4. 4.4 Nationalsozialismus 382
      1. 4.4.1 „… diese stummen Geister der Auflehnung“: Alfred Kubin und der Nationalsozialismus 385
      2. 4.4.2 Oskar Kokoschka: Selbstbildnis eines „entarteten“ Künstlers 397
      3. 4.4.3 „22° Waage“: Aloys Wach und der Nationalsozialismus 404
      4. 4.4.4 „… hätte ich aber die conträren Gesinnungen“: Margret Bilger und der Nationalsozialismus 409
    5. 4.5 Drittes Resümee oder: Wie politisch waren die „unpolitischen“ KünstlerInnen? 422
  10. Dank 426
  11. Abkürzungsverzeichnis 428
  12. Tabellen- und Abbildungsverzeichnis 429
  13. Quellen- und Literaturverzeichnis 431
  14. Archive und Sammlungen 431
  15. Zeitungen/Zeitschriften/Jahrbücher 432
  16. Literatur und gedruckte Quellen 432
  17. Personenregister 463
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