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II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus
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sozialismus zuwandte.9 Stimmer unterstreicht in diesem Zusammenhang die Bedeu-
tung der „unbedingte( n ) Priorität der Anschlußidee“ unter den „deutschnationalen
Elitegruppen“.10 Auch Gehler , dem zufolge Burschenschaften und Corps in Öster-
reich sich ab 1933 voll und ganz in den Dienst des Nationalsozialismus gestellt hät-
ten , argumentiert ähnlich :
Die ‚Bewegung‘ war ihnen für die Realisierung ihrer traditionellen Ziele : Anschluß und Groß-
deutschland , alles. Für sie vernachlässigten sie auch ihren sonst so wichtigen Verbindungs-
betrieb , installierten an Stelle des Convents- das Führerprinzip und gaben nach dem ‚An-
schluß‘ sogar ihre für sie so wertvollen Bünde ‚für Volk und Führer‘ ganz auf.11
Die anfängliche , in sozialem Dünkel ( vgl. Kapitel III.6.3 ), der hochschulpolitischen
Konkurrenzsituation und teilweise auch in Unterwanderungsversuchen begründete
Reserviertheit der völkischen Verbindungen gegenüber den NS-Studenten wurde
durch die gemeinsame ideologische Basis schnell überwunden. Ab 1932 wurden Lis-
tengemeinschaften für Wahlen zur Deutschen Studentenschaft gebildet und mancherorts
bereits Beitrittsverpflichtungen zu NS-Wehrformationen verhängt.12 Ab 1936 galt –
wie Stimmer moderat überpauschalisierend festhält – ( selbst verhängte ) „Zwangs-
mitgliedschaft aller Waffenstudenten“ im Nationalsozialistischen Deutschen Studenten-
bund ( NSDStB ).13
Die organisatorische Eingliederung in das nationalsozialistische Organisationen-
gefüge ergänzte somit die Stimmer zufolge zu diesem Zeitpunkt bereits vollzogene
9 Vgl. Stimmer 1997 ( Band I ), 500–511 , zur Heimwehr ferner Band II , 792. Zu den ideengeschichtlichen
Traditionslinien , welche die völkischen Korporationen dem Nationalsozialismus zuführten , sowie gene-
rell zu den Gründen ihrer Hinwendung zu selbigem vgl. weiterführend Band I , 500–511 und 573–575 sowie
Gehler 1997a , 151–157 ; kritisch zur Annahme einer seit dem 19. Jahrhundert währenden , kontinuierlichen
Entwicklung hin zum Nationalsozialismus ( allerdings nicht mit explizitem Bezug auf die österreichi-
sche Situation ) Lönnecker 2009a , 118 f. Zur tragenden Rolle von Akademikern bei der Durchsetzung des
( Rassen-)Antisemitismus in der österreichischen Monarchie und Ersten Republik vgl. Pauley 1993 , 64–
68 , 132–146 und 167–177.
10 Stimmer 1997 ( Band I ), 508.
11 Gehler 1997a , 155.
12 Vgl. Witzmann 1940 , 143 , oder die im selben Jahr erschienene Chronik der Grazer Burschenschaft Stiria
( referiert von Stimmer 1997 , Band I , 509 ). Die Stiren beantragten 1933 „in der Vertreterbesprechung der
Grazer wehrhaften Korporationen ( VB ), daß alle Mitglieder ihrer Bünde bis zum 7. Semester der SA , SS
oder dem Heimatschutz angehören müssen“ ( Cerwinka 1984 , 12 ). Ebenfalls 1933 beschloss Moldavia Wien
einstimmig , „von ihren Mitgliedern politische Betätigung in den der Führung Hitlers unterstellten Par-
teien und Verbänden“ zu fordern , da „( h )eute ( … ) einzig das Programm Hitlers“ den urburschenschaft-
lichen Anliegen in umfassender Weise Rechnung trage ( zit. n. Hein 1984 , 76 ).
13 Vgl. Stimmer 1997 ( Band I ), 573–575 , Zitat : 575. Von solch geschlossenen NSDStB-Beitritten berichten
etwa die Chroniken der Wiener Alben ( vgl. Albia 2005 , 11 ) und Teutonen ( vgl. Teutonia 1968 , 93 ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619