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II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde
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lich erwirkt Allemannia Graz einen Beschluss der inzwischen im Allgemeinen Dele-
gierten Convent ( ADC ) vereinigten Burschenschaften in Österreich , wonach binnen
eines Jahres sämtliche Mitgliedsbünde „die offizielle Bezeichnung ‚Burschenschaft‘ zu
führen“ hätten , da „bisher in dieser Richtung eventuell bestandene Hindernisse durch
die Entwicklung der letzten Zeit weggefallen sind“.109 Als einzigem Bund wurde da-
bei Alemannia Wien eine Ausnahmeregelung gewährt , da anerkannt wurde , dass im
Rückgabeverfahren um deren Haus eine Namensänderung „Komplikationen hervor-
rufen könnte , umsomehr [ sic ], wenn die Bezeichnung ‚Burschenschaft‘ angenom-
men werden würde“.110
Generell lässt sich festhalten , dass die Sicherheitsvorkehrungen in Umfang und
Dauer regional unterschiedlich gehandhabt wurden. Hatte sich in den von den West-
mächten besetzten Landesteilen bereits einer burschenschaftlichen Beurteilung von
1950 zufolge „ein annehmbares Verhältnis entwickelt“111 , wurde nordöstlich der Stei-
ermark noch länger größte Vorsicht walten gelassen. Dies unterstreicht ein Schreiben
des ‚Sachbearbeiter( s ) für Österreich-Fragen‘ der DB , Walter Reich , von Ende 1952.112
Begleitend zur Übersendung eines Anschriftenverzeichnisses österreichischer Bünde
an verschiedene burschenschaftliche Organe und Amtsträger in der BRD gab Reich
darin Auskunft über die damals geltenden Richtlinien im grenzüberschreitenden bur-
schenschaftlichen Schriftverkehr : Wiener Bünde bzw. Adressaten in der sowjetischen
Zone durften nur über „Relaisstellen“ in Graz , Linz , Salzburg oder Tirol angeschrie-
ben werden , wobei zwei Umschläge zu verwenden waren , von denen der innere die An-
schrift des Bundes zu tragen und tunlichst frei von Aufdrucken oder Absenderangaben
zu sein hatte.113 Auch der Bezug der Burschenschaftlichen Blätter erforderte in Öster-
reich besonderen Aufwand : Das in Burschenschafterkreisen laut Reich „überall sehr er-
sehnt( e )“ DB-Periodikum war in der Nachkriegszeit zunächst „nur ( … ) bei Privatbe-
ziehungen zum Buchhandel zu bekommen“, bis ein Alter Herr aus Salzburg die Rolle
eines Distributors übernahm.114
109 BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Protokoll des ADC-Tages 1954 , 20.
110 Ebd., 20 f.
111 BAK , DB 9 , B. VI.15 [ A ], Brief Walter Mayers an Heinz Amberger vom 12. 11. 1950 ( Abschrift ), 1.
112 Die Funktionsbezeichnung geht aus dem schon zitierten Reisebericht des ‚Doppelbändermannes‘
Reich ( Libertas Wien und Franconia Münster ) hervor – ebenso wie die Information , dass die Posi-
tion im DB-Ausschuss für burschenschaftliche Arbeit ( AfbA ) angesiedelt und Reich darin Sigurd
Weyringer nachgefolgt war ( vgl. BAK , DB 9 , B. VI.15 [ A ], Beilage zum Brief Reichs an den Vorort
der Vereinigung alter Burschenschafter vom 23. 12. 1952 , 1 f. ). 1954 taucht Reich an anderer Stelle als
„Verbindungsbeauftragte( r ) der DB zum ADC“ auf ( BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Protokoll des ADC-Ta-
ges 1954 , 2 ).
113 BAK , DB 9 , B. VI.15 [ A ], Brief Walter Reichs an den Vorort der Vereinigung alter Burschenschafter
vom 23. 12. 1952 , 2.
114 Ebd. bzw. vgl. BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Protokoll des ADC-Tages 1954 , 6.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619