Page - 73 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945

II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 73 tionswesen. Vielerorts organisieren sie Kommerse  – erstmalig am 2. Dezember 1950 in Wien144  – , Sommerfeste , Jul- oder Sonnwendfeiern , die sich häufig zu dauerhaf- ten Einrichtungen entwickeln. Deutlich erkennbar ist ein verbreitetes Bemühen , festliche Veranstaltungen in mög- lichst repräsentativen Räumlichkeiten abzuhalten. In Linz übersiedelt man 1954 vom Bahnhofsrestaurant ins Kaufmännische Vereinshaus , in Salzburg werden die Repräsen- tationsräume des lokalen Hauptbahnhofs im selben Jahr gegen das Festspielhaus ein- getauscht. Der WKR-Ball bleibt dem Konzerthaus länger verbunden , erschließt sich dafür aber letztlich mit der Wiener Hofburg die mondänste Ballkulisse des Landes. Diese Umzüge von der relativen Peripherie ins jeweilige Stadtzentrum versinnbild- lichen eine Funktion der betreffenden Veranstaltungen , die über bloße Repräsentation hinauswies : die offensive Reklamierung und Besetzung jenes Platzes in der ‚Mitte der Gesellschaft‘ , der ihren Veranstaltern nach eigener Ansicht zustand. Mit der erfolg- reichen Einmietung in die exklusivsten Hallen der Republik wurde gesellschaftliche Respektabilität in einem eingefordert und zur Schau gestellt. So attestiert Schödl dem Innsbrucker Ball von 1949 „( besondere ) Bedeutung“ u. a. aufgrund der Tatsache , dass hier „junge und alte Akademiker in großer Zahl ( … ) erstmals wieder vor die Öffent- lichkeit ( traten ), die von ihnen Kenntnis nehmen mußte“.145 Den steirischen Akade- mikerverbands-Obmann Marauschek paraphrasierte die Aula Ende 1952 wiederum mit der Erfolgsmeldung , dass sich sowohl der Verband als solcher als auch die Korporationen in gesellschaftlicher und ide- eller Hinsicht nicht nur auf den steirischen Hochschulen , sondern auch in der Öffentlich- keit durch eine Reihe gesellschaftlicher , kultureller und hochschulpolitischer Veranstaltun- gen durchsetzen ( konnten ).146 Von strategischem Handeln im Sinne einer Politik der Reklamierung öffentlichen Rau- mes zeugt auch ein Aufruf der Grazer Sängerschaft Gothia anlässlich ihres 90. Stif- tungsfestes 1953 , gerichtet an die „Waffenstudenten in Graz und Umgebung“: Diese mögen an einer „Feierstunde“ auf Universitätsgelände samt gemeinsamem Aufmarsch teilnehmen , um öffentlich zu dokumentieren , „daß Graz noch immer eine freiheitliche Studenten-Stadt ist. ( … ) Farbe tragen , heißt Farbe bekennen.“147 144 Vgl. Dvorak 1959 , 81. 145 Suevia 1958 , 108. 146 Aula Nr. 3 / 1952 [ Dezember ], 19. Ähnlich lautende Bestandsaufnahmen wurden auch auf der Jahreshaupt- versammlung des oberösterreichischen Akademikerverbandes 1952 und am Murecker ‚Grenzlandkom- mers‘ des AV für Kärnten und die Steiermark 1953 getätigt ( vgl. Der freiheitliche Akademiker Nr.  4 / 1952 [ April ], 14 bzw. Aula Nr. 2 / 1953 [ November ], 19 ). 147 Aula Nr. 9 / 1953 [ Juni ], 20.