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II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit
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demikerverband schon drei Wochen früher die Zeit gekommen , zum „1. Große( n ) Far-
benaufstieg“ nach Kriegsende aufzurufen , der eine prominente Marschroute durch die
Innenstadt vorsah. Der zu erwartenden Resonanz offenbar unsicher , wies der Aufruf
vorsorglich darauf hin , dass die Teilnahme „für alle Grazer Corporationen laut VB.-Be-
schluß [ vermutlich : Vertreterbesprechung , Anm. B. W. ] verpflichtend“ sei.154 In Wien
häuften sich 1952 die Ansuchen ‚nationaler‘ Verbindungen an die Bundespolizeidirek-
tion , in der Öffentlichkeit Mütze und Band als
– im formalen Sinne
– Vereinsabzeichen
tragen zu dürfen.155 Zugleich begannen Der freiheitliche Akademiker bzw. ( ab Oktober )
die Aula , manche Veranstaltungsankündigung mit dem expliziten Hinweis zu ver sehen ,
dass Korporierte in Farben erscheinen möchten – und animierten so ihre Leser , die
während der Entnazifizierungsjahre noch angeratene Deckungshaltung zugunsten ei-
nes offen zur Schau getragenen neuen Selbstbewusstseins aufzugeben.
Weitere Beispiele für Farbenpolitik als Politik symbolischer Raumaneignung lieferte
der jährlich abgehaltene ADC-Tag , an dessen jeweiligem Veranstaltungsort , wann im-
mer möglich , auch ein Umzug der Burschenschafter durch die Stadt nebst öffentlicher
‚Heldenehrung‘ veranstaltet wurde. Seine dritte Auflage 1955 in Gmunden war zwar als
„in erster Linie Arbeitstagung“ konzipiert , sollte daneben jedoch nach Ansicht der da-
maligen ADC-Vorsitzenden , Germania Innsbruck ,
auch repräsentativen Charakter tragen , da der CV im Sommer ebenfalls in Gmunden eine
Tagung hält. Die uns nahe stehenden Bevölkerungskreise Gmundens erwarten daher von
uns eine eindrucksvolle und disciplinierte Kundgebung unserer Existenz. ( … ) Aufmarsch
zum Kriegerdenkmal tunlichst in Vollwichs mit Musik unter Teilnahme der völkischen Ver-
eine Gmundens156.
Die Zusammenkunft der ADC-Bünde 1957 erforderte wiederum aus anderen Grün-
den ein „besonderes Gepräge“157 : Auf Antrag Olympias fand der ADC-Tag erstmals
an „eine( m ) Tagungsort in der ehemals russisch besetzten Zone“ ( nämlich in Krems )
statt , was dem Auftreten dort aus burschenschaftlicher Sicht offenbar eine beson-
dere Symbolwirkung verlieh.158 Zusätzlich unterstrichen wird die symbolisch-politische
154 Der freiheitliche Akademiker Nr. 1 / 1952 [ Jänner ], 13.
155 Vgl. beispielhaft AUW , S 259.55 , Schreiben des Rektorats der Universität Wien an die Bundespolizei
in Sachen Moldavia vom 23. 2. 1952.
156 BAK , DB 9 , B. VI.15 [ A ], Rundschreiben der Germania Innsbruck an ihre „Herren Verbandsbrüder“
vom 25. 3. 1955 , 2 f. ( Herv. i. O. ). ‚Vollwichs‘ bezeichnet die uniformartige verbindungsstudentische Fest-
tracht und damit eine Form der Ganzkörperkostümierung.
157 BAK , DB 9 , B. VI.15 [ A ], Brief der Vereinigung alter Burschenschafter Salzburg an Rudolf Wihan
( Alania Wien , damalige ADC-Vorsitzende ) vom 24. 7. 1956 , 2.
158 Vgl. BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Niederschrift des ADC-Tages 1956 , 17.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619