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II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit
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lichen Korporationen sind von der Bevölkerung allgemein akzeptiert , die meist sehr gehäs-
sigen Rufe aus der linkslinken Ecke des Sozialismus werden nicht ernstgenommen. 1968 ist
noch nicht wahrzunehmen , aber es kündigte sich an175.
In Zusammenfassung der bisherigen Ausführungen dieses Kapitels lässt sich mit Ger-
not Stimmer konstatieren , dass sich in Österreich nach 1945 eine „Restauration des ge-
samten Korporationswesens in einem nicht erwarteten Ausmaß“ vollzog , was auch die
mit dem Nationalsozialismus eng assoziierten deutsch-völkischen Verbindungen mit
einschloss.176 Aus der prekären Position heraus , in der diese sich aufgrund der erwähn-
ten ideologischen wie personellen Verstrickung unmittelbar nach Kriegsende befanden ,
konnten sie
– unter geschickter Abschätzung der politischen Rahmenbedingungen und
ebensolcher Ausnutzung der dadurch je gegebenen Spielräume – in rascher Abfolge
Terraingewinne bzw. Erfolgserlebnisse verzeichnen. Diese reichten von der Wieder-
aufnahme geregelter Aktivbetriebe über die vereinsrechtliche Legalisierung und den
Wiederaufbau der alten Verbändestrukturen bis hin zur erfolgreichen Wiederaneignung
von Räumen und Sichtbarkeit an den Hochschulen und darüber hinaus. Die Restaura-
tion wurde in Form und Inhalt und den Quellen zufolge unter bemerkenswert gerin-
gem Diskussionsaufkommen vollzogen. Sie setzte umgehend ein , nahm ab den Massen-
amnestien von 1948 Fahrt auf , erbrachte ab 1950 greifbare institutionelle Ergebnisse in
rascher Abfolge und konnte bereits vor Ende der alliierten Administration als de facto
abgeschlossen angesehen werden. Tempo und Umfang der Restauration erstaunten zum
Teil auch die Restaurateure selbst. Getrübt wurde die Erfolgsbilanz der ( Wieder-)An-
fangsjahre durch relative politische Bedeutungslosigkeit ( vgl. dazu Kapitel IV ) und
durch Schwierigkeiten in der Nachwuchsrekrutierung , die in manchen Bereichen eine
Redimensionierung der wiedererrichteten Strukturen notwendig machten. Speziell im
Fall der Burschenschaften blieb auch der Wunsch nach einem Zusammenschluss mit
den bundesdeutschen Bünden in einem gemeinsamen Dachverband vorerst unerfüllt.
Generell sah die Wiedererrichtung des völkischen Verbindungswesens , gleich Parallel-
erscheinungen wie der Rückkehr des ‚Dritten Lagers‘ in die österreichische Politland-
schaft , sich eingebettet in einen gesamtgesellschaftlichen Restaurationsprozess , der sich
auf Ebene der Hochschulen auch in der Wiedereingliederung NS-belasteter Studie-
render und Professoren , Provinzialisierung und prolongierter intellektueller Ödnis nie-
derschlug. Unter den konkreten Begünstigungsfaktoren der Wiedererrichtung zu nen-
nen sind u. a. die Solidarität konservativer Eliten , der Antiklerikalismus als einigende
Klammer mit der Sozialdemokratie und der akademische Personalbedarf der Letz-
teren ( vgl. hierzu Kapitel V.5 ), das Interesse beider Großparteien an der gesellschaft-
175 Lindinger 2009 , 73 f.
176 Interview in Junge Freiheit Nr. 8 / 1997 , 7.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619