Page - 85 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945

II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 85 genheitsbewältigung nach innen wie auch ihrer Geschichtspolitik nach außen zentral werden sollte : Demnach habe der Nationalsozialismus burschenschaftliche Ideale we- niger verwirklicht als ihnen zuwidergehandelt , sie daher auch nicht obsolet gemacht ; die Burschenschafter hätten sich über seine wahren Absichten getäuscht bzw. seien darüber getäuscht worden. Eine Variante dieser Darstellung besteht in der Behaup- tung , der Nationalsozialismus selbst sei im Laufe seiner Realisierung verfremdet wor- den und habe somit unburschenschaftliche Ergebnisse produziert. In jedweder Variante zielt diese Argumentation darauf ab , den ‚nationalen Gedanken‘ in die Zweite Repu- blik zu retten , für dessen politische Konkretisierung nunmehr die Bekämpfung der Idee einer ‚österreichischen Nation‘ höchste Priorität genieße.189 Ebenso erlaubt sie , die Er- eignisse zwischen 1938 und 1945 kritisch zu betrachten und gleichzeitig der Hoffnung Ausdruck zu verleihen , „daß die Burschenschaften  – wie bisher auch weiterhin  – ihren Grundsätzen treu bleiben“ mögen.190 Nichtsdestotrotz ist Berkas Kritik am Nationalsozialismus in mehrerlei Hinsicht als bemerkenswert einzustufen : Sie geht , wie die restlichen Ausführungen dieses Ka- pitels deutlich machen werden , sowohl im Umfang als auch in ihrer Deutlichkeit weit über das hinaus , was als in burschenschaftlichen Stellungnahmen zu dieser Thema- tik ‚üblich‘ angesehen werden muss ; sie scheint , da sie einem unpublizierten , vor bur- schenschaftlichem Publikum gehaltenen Text entstammt , über den Verdacht taktisch motivierter Mimikry erhaben ; und sie steht in auffälligem Kontrast zu Berkas eigener Biographie zwischen 1938 und 1945. Mit erstem Oktober 1938 war er als Vizepräsident der Reichsbahndirektion Wien  – einem wichtigen Knotenpunkt der nationalsozialis- tischen Kriegs- und Vernichtungslogistik  – eingesetzt worden und war bis Kriegsende dort verblieben.191 Der „echten Kameradschaft der reichsdeutschen Beamten“ in die- sem seinem Wirkungskreis habe Berka , so Liberten-Chronist Hermann Peters , hernach „nur das beste Zeugnis ausstellen“ können.192 Die Kluft zwischen Berkas Handeln bis 1945 und seinem Reden 1950/51 lässt sich freilich bei genauerer Durchsicht seines Vortrages sowie späterer Texte ( vgl. Folge- 189 Vgl. ebd. 1951 , 10. 190 So Berka , paraphrasiert in BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Niederschrift des ADC-Tages 1959 , 3. 191 Über Berka stand in der Wiener Reichsbahndirektion nur Rudolf Töpfer , ebenfalls Burschenschafter ( Teutonia ) und zugleich mit Berka installiert ( vgl. Gottwaldt 2011 , 264 f. und Horn 1986 ). Zur Rolle der Bahn im Nationalsozialismus auf dem Gebiet des angeschlossenen Österreich  – einschließlich der Ausbeutung der Arbeitskraft von KZ-Häftlingen , Kriegsgefangenen und ZwangsarbeiterInnen  – vgl. Kogoj 2012 , darin die Seiten 11 und 107 zu Töpfer ; die auf den Seiten 88 f. faksimilierte Mitteilung Ber- kas an einen zum Tode verurteilten Widerständler über dessen „Ausscheiden auf dem Dienstver- hältnis“ dokumentiert exemplarisch Berkas Funktionieren im Sinne der NS-Bürokratie. Vgl. ferner zur mit anti semitischen Maßnahmen einhergehenden Eingliederung der Österreichischen Bundesbahnen in die Deutsche Reichsbahn Gottwaldt 2011 , 261–275 192 Libertas 1967 , 122 ( Paraphrase ).