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II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung
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Gesetz , Gehorsam und treue Kameradschaft waren ihre Stärke“253 ; in ihrem „Opfergang“
hätten sie „ihr Mannestum ( … ) bewiesen“254 ; und glücklich schätzen könne sich ein Volk ,
dessen Söhne bereit sind , sein Leben zu verteidigen. Wehe dem Volke , das ( … ) nur der Ruhe ,
dem Wohlstand [ sic ] und Frieden leben möchte. Wenn es aber heißt zu den Waffen zu grei-
fen , dann wird dieser Kampf und dieses Bemühen eine gerechte und gute Sache sein , für die
es sich lohnt , einzutreten.255
Dieses Zitat macht die moralische Selbstgenügsamkeit des Wehrgedankens deutlich :
In dieser Logik hat jeder Waffengang als gut und rechtens zu gelten , der unter Anru-
fung von ‚Volk‘ und ‚Vaterland‘ vonstattengeht. Eine objektive Funktion ( und wohl der
nicht unwesentlichste Zweck ) der Würdigung erwähnter Sekundärtugenden bestand
somit darin , den Tod im Rock von Wehrmacht oder SS zu entpolitisieren , indem man
ihn von den Kriegs- und Vernichtungszielen entkontextualisierte , für die die NS-Füh-
rung ihre Truppen aufmarschieren ließ , und dabei unterschlug , dass nicht wenige Bur-
schenschafter diese Absichten aus Überzeugung geteilt hatten. Auf dieser Ebene konnte
burschenschaftliche Gedenkpolitik , wie noch zu zeigen sein wird , sich mit katho-
lisch-verbindungsstudentischer Gedenkpraxis treffen und problemlos das Placet kon-
servativer Rektoren finden.
Eine abgeschwächte Variation dieser – mithin auch durch die Vorab-Zensur der
Redetexte geförderten
– gedenkpolitischen Entpolitisierung bestand darin , dem Lob
der Tugendhaftigkeit der gefallenen Burschenschafter nähere Angaben zu jenen ‚hö-
heren Werten‘ beizustellen , für die sie den Tod in Kauf genommen hätten ( und da-
mit ihre Darstellung als nationalsozialistische Überzeugungstäter zurückzuweisen ,
ohne die Selbstzweckhaftigkeit ihres ‚Opfers‘ zu behaupten ). Die Liste jener Werte
und hehren Ziele , für die Burschenschafter im Zweiten oder beiden Weltkrieg( en )
gekämpft haben und gefallen sein sollen , umfasst u. a. „Freiheit , Ehre , Vaterland !“256 ,
„Volk , Vaterland und Heimat“257 oder „friedliche Verhältnisse in Europa“.258 Biswei-
253 AUW , S 259.67 , WKR 1957 , 2.
254 AUW , S 259.131 , Gothia 1961 , 3.
255 AUW , S 259.158 , Gothia 1972 , 1. Vgl. auch AUW , S 259.67 , WKR 1957 , 3.
256 AUW , S 259.63 , Albia 1955 , 2. Nur Vaterland : AUW , S 259.67 , WKR 1957 , 2. Nur Freiheit : AUW , S 259.63 ,
Albia 1955 , 1 und AUW , S 259.67 , WKR 1957 , 1 ; nur Ehre : AUW , S 259.63 , Albia 1955 , 1. Vgl. dazu Peit-
lers Bemerkung über die Uniform , „die wir als das graue Ehrenkleid bezeichneten und ( … ) mit voller
Überzeugung auch heute noch so nennen !“ ( AUW , S 259.67 , WKR 1958 , 4 , Herv. i. O. ).
257 AUW , S 259.67 , WKR 1958 , 1 ; fast ident AUW , S 259.67 , WKR 1957 , 3. Nur Heimat und Volk : AUW ,
S
259.128 , WKR 1960 ; AUW , S 259.143 , WKR 1963 , 1 ; AUW , S 259.70 , Alemannia/Oö. Germanen 1967 ,
1 ; nur Volk und Vaterland : AUW , S 259.144 , Aldania/VDSt Sudetia 1964 , 1 sowie AUW , S 259.158 ,
Gothia 1972 ; Volk und Land : AUW , S 259.158 , Gothia 1966 , 2.
258 AUW , S 259.70 , Alemannia/Oö. Germanen 1967 , 2.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619