Page - 102 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945

II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 102 len berufen die Redner sich auch schlicht ( und diffus ) auf „entscheidende ethische Werte“ oder „die hohen sittlichen Ziele unseres volklichen Daseins“.259 Wenngleich im burschenschaftlichen Denken die Verbundenheit mit dem ‚Vaterland‘ als ‚natür- lich‘ und das ‚Volk‘ als überhistorische Kategorie ( und beides somit als weder hinter- fragbar noch begründenswert ) gilt , handelt es sich dabei freilich um höchst politische Kategorien , wie schon der DB-interne Streit um ihre Auslegung ( und deren politi- sche Konsequenzen ) zeigt. Der politische Charakter eines „ ‚Decorum est pro pat- ria mori‘ “260 wird spätestens offenbar , wenn damit der selbstaufopfernde Einsatz im natio nalsozialistischen Vernichtungskrieg gerechtfertigt , ja geradezu verklärt wird. Sehr plastisch macht dies folgendes Zitat , in dem sich gleich mehrere der in diesem Kapitel erwähnten argumentativen Manöver konzentriert finden : Wie für jeden tap- feren Soldaten gelte demnach auch für jenen im grauen Rock der deutschen Wehrmacht , dass seine über alle Kritik erhabene , hervor- ragende soldatische Leistung , nicht aus einem verbohrten , ideologischen Fanatismus und Hurra patriotismus , sondern aus echter Heimatliebe , Pflichtgefühl und einer natürlichen Wehrgesinnung mit idealistischem Schwung gewachsen ist.261 Dieses Zitat muss in seiner entpolitisierenden ( rassistische , imperialistische u. Ä. Motive der Handelnden leugnenden ) Stoßrichtung als für burschenschaftliche Gedenk reden typisch , als weniger typisch dagegen in seiner eher defensiven Grundhaltung gelten. Nationalsozialistische Ideologie und Zielsetzungen werden darin nicht offen bejaht , je nach Lesart sogar kritisiert ; gleichzeitig bezeugt die Aussage , dass diese sich offenbar allzu reibungslos mit burschenschaftlichen Werten in Deckung bringen ließen , ohne dass dieser Umstand in irgendeiner Weise problematisiert würde. Die Kongruenz burschenschaftlicher und nationalsozialistischer Ideologie wird be- sonders deutlich dort , wo der Kriegseinsatz als nicht bloß soldatische , Männer- oder allgemein völkische Pflicht , sondern als spezifisch burschenschaftliches Gebot darge- stellt wird  – als gleichsam konsequente Fortsetzung burschenschaftlicher Arbeit mit anderen Mitteln. „( W )ie sie einst Mütze und Band in Ehren getragen hatten , trugen sie [ die gefallenen Korporierten , Anm. B. W. ] jetzt in Ehren den Stahlhelm“, hieß es in diesem Sinne beim Heldengedenken des WKR 1958.262 Die in den Korporationen vermittelte „Erziehung zur Bundesbrüderlichkeit“ habe die Voraussetzung geschaffen , „dass sie in Kameradschaft und Treue ihren Soldateneid hielten  – bis zuletzt“.263 In 259 Ebd., 1 bzw. AUW , S 259.67 , WKR 1957 , 3. 260 AUW , S 259.67 , WKR 1957 , 3. 261 AUW , S 259.158 , Gothia 1966 , 2. 262 AUW , S 259.67 , WKR 1958 , 2. 263 Ebd., 4.