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II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration
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opfer zu beklagen hatten , trug wohl dazu bei , dass die Erörterung des Werts soldati-
scher ‚Pflichterfüllung‘ und ‚Opferbereitschaft‘ bei ihnen geringeren Raum einnahm.
Für inhaltliche Varianz auch innerhalb des katholischen Lagers spricht die Rede
Nordgaus von 1955 : Auf einer Linie mit den ‚Schlagenden‘ erinnert der Redner dieser
Verbindung , die der Historiker Reinhold Knoll dem „katholisch-nationalen Flügel“
des ÖCV zuordnet281 , dass „die ‚Sieger im Unendlichen ( … ) immer wieder die Ver-
lierer im Endlichen‘ “ seien282. Auch hier bekennt man sich dazu , „die Opfer , die das
Vaterland von uns verlangt , freudigen Herzens auf uns zu nehmen und sie als Ehren-
pflicht erfüllen zu wollen“ – wobei mit ‚Vaterland‘ in diesem Fall Österreich gemeint
ist.283 Dennoch wird auch der Kampf unter dem Banner NS-Deutschlands vom Red-
ner als ‚Pflichterfüllung‘ „bis zum letzten Atemzug“ gewürdigt – nicht obwohl , son-
dern gerade auch weil die Protagonisten dabei teilweise gegen ihre eigene Überzeugung
handelten.284 In derselben Logik werden das NS-Regime und sein „mörderische( r )
Vernichtungskrieg“ zwar kritisiert285 , die in ebendiesem Krieg gefallenen Bundesbrü-
der aber zu Vorbildern in Sachen Unbeugsamkeit und Einsatzbereitschaft für „Recht
und Wahrheit“ geadelt : Sie hätten schließlich Österreich im Herzen getragen , wäh-
rend sie in den Reihen der NS-Truppen ihre ‚Pflicht‘ erfüllten.286 In Summe über-
wiegen bei Nordgau die inhaltlichen Gemeinsamkeiten mit der zuvor beschriebenen
burschenschaftlichen Gedenkpraxis gegenüber den Differenzen , zumal auf der Ebene
abstrakter Werthaltungen ( soldatische Tugenden , Nationalismus ).
Die Gedenkpraxen sowohl der völkischen wie auch der katholischen Verbindun-
gen sind gleichwohl auch im Kontext des allgemeinen politischen Klimas an den
österreichischen Hochschulen zu sehen. In diesem Zusammenhang kann darauf ver-
wiesen werden , dass auch die Jubiläumsfeiern der Wiener Universität ( 600 Jahre ) und
Technischen Hochschule ( 150 Jahre ) im Jahr 1965 nicht ohne ‚Totenehrungen‘ als Teil
der offiziellen Festprogramme vonstattengingen.287 Erstgenannte Feier fand – in der
Diktion des von der Universität Wien vorgelegten Festberichts – am „Ehrenmal für
die gefallenen Helden der Universität“ ( dem ‚Siegfriedskopf‘ ) statt und wurde gemäß
korporationsstudentischem Proporz sowohl von der katholischen Sängerschaft Waltha-
ria als auch von ihrem deutschnationalen Widerpart Barden musikalisch umrahmt.288
Gedacht wurde dabei zwar allgemein der „Verstorbenen der Wiener Universität“, Rek-
281 Interview vom 21. 4. 2010.
282 AUW , S 259.106 , Nordgau 1955 , 1.
283 Ebd., 6.
284 Ebd., 2.
285 Vgl. ebd., 1–3 ( Zitat : 2 ).
286 Ebd., 3.
287 Vgl. dazu Universität Wien 1965 , 106–108 sowie zur TH Sequenz 1966 und 1967.
288 Universität Wien 1965 , 108 bzw. 106.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619