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III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
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Tat“ bzw. „Verpflichtung“ erklärt wurde , der kein Burschenschafter und kein Bund
sich entziehen dürfe.325
Verkümmerung infolge von Homogenisierungsstreben ist auch der innerbündischen
und ( zumindest auf österreichischer Ebene ) innerverbandlichen Demokratie zu attes-
tieren , bildet doch der Idee nach gerade die Entscheidungsfindung im möglichst ( herr-
schafts-)freien Widerstreit von Meinungen und Argumenten die Grundlage demo-
kratischer Prozesse.326 Nicht zuletzt beschränkten der Wunsch nach und die effektive
Herstellung von Homogenität mit der Virulenz , Reichweite und schieren Existenz von
Debatten auch die Wahrscheinlichkeit einer zeitgemäßen Weiterentwicklung burschen-
schaftlicher Ideologie und Praxis. Anders gewendet , begünstigten sie ( wie im folgen-
den Abschnitt III.5 herausgearbeitet wird ) in wesentlichem Maße die Erstarrung des
Burschenschaftswesens in der Zweiten Republik in Form und Inhalt.
Resümierend lässt sich festhalten , dass die Burschenschaften in Österreich über den
Untersuchungszeitraum große ideologische Geschlossenheit aufwiesen , wenn auch we-
niger umfassend , als eine oberflächliche Außenansicht es nahezulegen scheint. Rele-
vante Differenzierungsachsen verliefen zwischen ( im taktischen Vorgehen ) pragmati-
scheren und kompromissloseren sowie zwischen ( in Hinblick auf die Auslegung der
burschenschaftlichen Idee ) geselligkeitsorientierteren und idealistischeren Burschen-
schaftern. Als vergleichsweise schwach ausgeprägt erwiesen sich die Bruchlinien zwi-
schen ( inhaltlich ) moderateren und fundamentalistischeren Kräften sowie zwischen
den Generationen. Vor allem völkisch-fundamentalistische Burschenschafter waren
es , die das Ideal ‚geistiger Einheit‘ und eines entsprechenden Auftretens aller Bur-
schenschafter propagierten. Auch über den weltanschaulich harten Kern hinaus war
im Burschenschaftswesen Österreichs von dessen Restauration an die Wahrnehmung
weit verbreitet , an Durchsetzungskraft gewinnen und hierfür als geeinter Block auf-
treten zu müssen. Das ohnehin geringe Ausmaß an inhaltlichem Dissens wurde damit
jedenfalls nach außen hin zusätzlich verschleiert. Bemühungen externer BeobachterIn-
nen , vorhandener Heterogenität angemessen Rechnung zu tragen , finden ihre Grenze
in der Bereitschaft von Burschenschaftern , diese Heterogenität nach außen sichtbar
bzw. über Meinungsvielfalt Aufschluss gebende Quellen einer kritischen Öffentlich-
keit zugänglich zu machen.
325 So der niedersächsische Landtagsabgeordnete ( CDU ) und Burschenschafter ( Brunsviga Göttingen )
Werner Hofmeister im Zuge der Anbahnung einer Fusion von DB und DBÖ ( AAG , Korresponden-
zen , DB , Rundschreiben 1950–62 , Hofmeister 1960 , 2 ).
326 Diese Aussage entspricht evidenterweise einem radikalen ( und mit Abstrichen einem liberalen ) Ver-
ständnis von Demokratie , nicht aber ‚organischen‘ , ‚identitären‘ oder ‚elitären‘ Auffassungen dersel-
ben , wie sie in faschistischen bzw. allgemein rechtsextremen Kreisen kursieren ( vgl. Schiedel 2007 ,
27 f. und 33 f. ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619