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III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
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Bei den Liberten deponierte der spätere Hofrat des Verwaltungsgerichtshofes Ger-
hard Onder 1956 im Namen der Aktivitas den Wunsch , „daß die Altherrnschaft [ sic ]
der Aktivitas Richtung und Ziele geben , sie führen soll“. Dem entsprach der Alther-
renverband per Verfügung des Obmannes , der zufolge fortan an jedem BC ein Alter
Herr teilzunehmen habe. Dies wohlgemerkt nicht , um „die Entscheidungen des BC
diktatorisch beeinflussen zu wollen“
– vielmehr hätten die Alten Herren stets die „Ei-
genverantwortlichkeit des BC respektiert“.478 Der Wunsch der Aktiven nach Füh-
rung , mithin also ihre Weigerung , sich der ihnen formell zugestandenen Autonomie
auch real zu bedienen , dürfte den Alten Herren derartige Bekenntnisse zur Eigen-
verantwortlichkeit des Nachwuchses nicht unwesentlich erleichtert haben. Generell
fällt auf , dass Fälle , in denen den Jungen von Altherrenseite Entscheidungsfreiheit
eingeräumt wurde , in den Quellen öfters explizite Betonung finden479 – was darauf
hindeutet , dass es sich hierbei um außergewöhnliche oder jedenfalls nicht selbstver-
ständliche Erscheinungen handelte.
Im Sinne eines Zwischenresümees lässt sich konstatieren , dass Alte Herren in Bur-
schenschaften in Österreich über den Untersuchungszeitraum beträchtlichen Einfluss
auszuüben imstande waren. Damit ist freilich noch nichts darüber ausgesagt , ob und wie
sie sich dieser Möglichkeiten bedienten. Sowohl den an anderer Stelle zitierten Klagen
über mangelnde Teilnahme der älteren Generation am Bundleben als auch der über-
einstimmenden Aussage Friedhelm Frischenschlagers und Günter Cerwinkas zufolge
ist es nur eine Minderheit , die sich auch zwischen den jährlichen GC in bundinterne
Abläufe und Entscheidungsprozesse einbringt.480 Gerade der Umstand , dass die meis-
ten Alten Herren sich ihrer Möglichkeiten zur Einflussnahme weitgehend enthalten ,
erhöhe jedoch
– so Cerwinka
– die relative Wirkung der Einflussnahme jener paar , die
„besonders gute Kontakte zu den Jungen pflegen“. Diese seien sodann „nicht unmaß-
geblich an der Ausrichtung der Burschenschaft beteiligt“
– ohne allerdings notwendi-
gerweise in ein und dieselbe Richtung zu wirken. Manche Alte Herren hemmten Neu-
erungen , andere verstünden sich dagegen als „liberales Korrektiv“. Eine Darstellung des
burschenschaftlichen Generationenverhältnisses , welches die Altherrenschaften pau-
schal als Erstarrungsfaktoren ( und umgekehrt die Aktivitates als Triebkräfte für Wan-
1959 , 125 ). Dass Doktoren als ADC-/DBÖ-Amtsträger wirkten , war allerdings jedenfalls zu dieser Zeit
keine Seltenheit.
478 Zit. in Libertas 1967 , 62. Vgl. Zur Betonung der Aktiven-Autonomie auch ebd., 60 und 89.
479 Vgl. die Entscheidung über die unbedingte Satisfaktion bei den Obergermanen ( Oberösterreicher Ger-
manen 1967 , 155 ) oder jene bei den Innsbrucker Germanen über den künftigen Kurs des Bundes in den
1960er-Jahren ( Germanenmitteilungen , Juli 1964 , 6 ; PBW, Schreiben von Sprecher Carl Grisson an seine
Bundesbrüder vom 5. 6. 1967 , 2 ). Vgl. ferner Oberösterreicher Germanen 1994 , 13.
480 Vgl. die Einleitung zu Abschnitt III.2 bzw. die Interviews mit Frischenschlager vom 24. 2. 2010 und mit
Cerwinka vom 1. 7. 2011.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619