Page - 263 - in „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“ - Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Image of the Page - 263 -
Text of the Page - 263 -
III.6 Selbstbild: Gegen-Elite
263
hin prekär gewordenen eigenen Elitenstatus – argumentiert , dass ein Studium allein
noch nicht zur Elite ausbilde , ein Diplom allein nicht die Befähigung zum Führen aus-
weise. Vielmehr erfordere ‚wahres Akademikertum‘ einen besonderen Ethos und Kom-
petenzen , die allein in der studentischen Korporation vermittelt würden ( vgl. Abschnitt
III.3.1 sowie die weiteren Ausführungen in diesem Abschnitt ).
Burschenschaftliche Besorgnis über ‚Vermassung‘ , ‚Elitenschwund‘ und ‚Negie-
rung der Autoritäten‘ auf universitärem Boden gründete nicht nur auf deren Öff-
nung für breitere Bevölkerungsschichten , sondern auch auf ihrer Demokratisierung.
Dass nun neben Ordinarien auch der akademische Mittelbau , Studierende und so-
mit ( langsam ) zunehmend Frauen in akademischen Angelegenheiten mitentscheiden
sollten , stieß im völkischen Akademikermilieu auf scharfe Ablehnung. „Beide Re-
formen zusammengenommen : die ‚soziale Öffnung‘ und die ‚Demokratisierung‘ der
Universitäten haben dieser [ sic ] einen Stoß versetzt , der sie bis ins Innerste erschüt-
tert und verletzt hat“, resümierte die Aula 1989 per Nachdruck eines Textes des deut-
schen Literaturwissenschafters Horst Albert Glaser.548 In etwa zeitgleich beklagte
Gunther Pendl den Verlust des Elitären als Kernproblem der österreichischen Hoch-
schulen : Dass „die heutige GEWI FAK mit der ‚Geisteswissenschaftlichen Fakultät
der Universität Wien‘ genauso viel zu tun“ habe , „wie ein Würstelstand mit dem Ho-
tel Sacher“, liege daran , dass „( d )er Würstelstand ( … ) halt wie die GEWI für alle
da“ sei.549 Nichtsdestotrotz finden sich in den Quellen – wie bereits gezeigt – auch
Verurteilungen dünkelhafter Haltung. Die Liberten verpflichteten sich beispielsweise
Anfang der 1950er-Jahre dazu ,
im Verkehr mit der nichtakademischen Bevölkerung ( … ) wohl ein Sichgemeinmachen zu
vermeiden , aber mit wertvollen Menschen aller Volksschichten ( auch anderer Richtung ) in
Verkehr zu kommen , sich von jedem Klassendünkel und engstirnigem Klassengeist fernzu-
halten , denn eine solche Einstellung würde von vornherein eine Einflussnahme in nationa-
ler Hinsicht unmöglich machen.550
Vandalia führte in ihren Satzungen bei Wiedererrichtung ( damals unter dem Tarn-
namen Vindomina ) als eines ihrer Ziele die „Bekämpfung von Übertreibungen und
Überhebungen , die das Gemeinschafts-Volksgefühl [ sic ] verletzten , Kampf gegen Stan-
Oberösterreicher Germanen 1994 , 44. Schiedel/Wollner ( 2009 , 103 ) weisen auf den Zusammenhang
zwischen Misogynie und dem Ressentiment gegen die ‚Masse‘ hin. Vgl. zur burschenschaftlichen Ab-
wehrhaltung gegenüber dem Frauenstudium weiters Fichter 2009 , 206–208.
548 Aula Nr. 6 / 1989 , 22. Vgl. auch den Exkurs zur Hochschuldemokratisierung in Abschnitt III.8.2.
549 Zit. n. Oberösterreicher Germanen 1994 , 146.
550 Libertas 1967 , 93. Vgl. auch ebd., 19.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619