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III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
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der Volkszugehörigkeit unabdingbar. Ein bloßes subjektives Bekenntnis qualifiziert in
dieser Sichtweise nicht zum Volksgenossen bzw. zur Volksgenossin. Seit jeher , erläu-
tert eine Broschüre der DBÖ , hätten Burschenschaften den „westliche( n ) d. h. fran-
zösische( n ) und später auch angloamerikanische( n ) Entwurf einer Willensnation“ ab-
gelehnt , „in die der Einzelne nach Belieben ein- bzw. wieder austreten kann“.620 Die
„deutsche( ) Volksgemeinschaft“ gründet der Idee nach stattdessen auf der „Gemein-
samkeit des Blutes , der Sprache , der tausendjährigen Geschichte und der Sitte“.621
Wer „blutsmäßig“ nicht zum Volk gehöre , sei als Staatsbürger zu achten , nicht aber
als „Volksangehöriger“ anzuerkennen , erläuterte DBÖ-Vertreter Karl Claus ( Alania )
1960 auf der DB-DBÖ-Verbändetagung.622 Diese Position , innerhalb der DB durch-
aus umstritten , wird vom fundamentalistischen Flügel der DB ( unter zumindest wei-
testgehendem Einschluss der österreichischen Bünde ) bis heute aufrechterhalten , wie
die DB-internen Streitigkeiten um rassistische Zugangskriterien zur Burschenschaft
am und um den Burschentag 2011 zeigten.623
selbst heraus gewachsene Schicksalsgemeinschaft , ein überdimensionales Individuum , dem man nicht
willkürlich Glieder amputieren kann , ohne daß es darunter leidet oder schließlich gar zugrunde geht“
( Ansprache von Dieter Weber anlässlich der BG-Gründung , wiedergegeben in BAK , DB 9 , C. IV.2
[ A1 ], VaB-Mitteilungen Nr. 30 / 1961 [ Vorort Bremen ], 7 ). Das Volk erscheint hier geradezu anthropo-
morph , als mit Eigenschaften eines Lebewesens wie Entwicklungs- , Leide- und Sterbefähigkeit aus-
gestattet.
620 AVSt , DBÖ 1994 , 28. Die Volkszugehörigkeit ist in dieser Sichtweise eine zwanghafte , individueller
Entscheidung enthobene – und bringt Aufgaben mit sich. So spricht Berka von der „Pflicht ( … ) eines
jeden Menschen , dem Volke , dem er zugehört , treu zu bleiben und die aus dieser Zugehörigkeit sich
ergebende Eigenheit zu erhalten“ ( PBW , Berka 1964 , 16 ). Entschlagung von den vermeintlichen Impe-
rativen der Natur gilt dieser Position als illegitim.
621 BAK , DB 9 , E. 4 [ B1 ], Dringlichkeitsantrag D ( Silesia , Stiria , Suevia , Libertas ) zum ( ord. ) ADC-Tag
1958 , Beilage zu ADC-Rundschreiben Nr. 8 ( Albia ) vom 14. 4. 1958 , 2.
622 BAK , DB 9 , B. VI.15 [ B ], Protokoll der Verbändetagung 1960 , 4. Vgl. auch das Gründungsprotokoll der
BG , Artikel 1 ( wiedergegeben in AVSt , Burschenschaftliche Gemeinschaft 1976 , 35 ). Für eine Wähl-
barkeit der Volkszugehörigkeit sprach sich dagegen – bemerkenswerterweise auf der Gründungsver-
anstaltung der BG und ungeachtet seines zuvor zitierten , organischen Volksbegriffes – der Münchner
Cimber und spätere FDP-Politiker Dieter Weber aus ( vgl. BAK , DB 9 , C. IV.2 [ A1 ], VaB-Mitteilun-
gen Nr. 30 / 1961 [ Vorort Bremen ], 8 ). Auch Scheichl wandte sich 1966 gegen eine biologistische Fun-
dierung deutscher Kultur , die ignoriere , dass „Kultur ( … ) mehr eine sozial und geistige als biologisch
bestimmte Tatsache“ sei ( Germanenmitteilungen , März 1967 , 11 ).
623 Die Debatte kreiste um einen einschlägigen Antrag der rechtsextremen B ! der Raczeks zu Bonn , der in
Duktus und Inhalt einer geringfügig modernisierten Form völkischer Rassentheorie entsprach ( vgl. Pe-
ham 2012 , 41 f. oder http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/rechtsruck-im-dachverband-burschen-
schafter-streiten-ueber-ariernachweis-a767788.html , Artikel vom 15. 6. 2011 , Florian Diekmann ). Den
letztlich gefundenen Kompromiss sahen laut Verbandsorgan „( i )nsbesondere Verbandsbrüder aus Ös-
terreich ( … ) als rückständig an , denn nach dem nun müßte beispielsweise ein Südtiroler ( … ) gutachter-
lich geprüft werden , ein Türkischstämmiger mit deutschem und vielleicht sogar türkischem Paß nicht“
( Burschenschaftliche Blätter Nr. 3/2011 , 108 ). In einer Erklärung hatten sich zuvor völkisch-fundamen-
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619