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III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
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reichs von Deutschland im Sinne eines kulturellen Separatismus die Annäherung Ös-
terreichs an „nichtdeutsche( ), hauptsächlich slawische( ) Völker“ befördern.691 Entlang
dieser Linie argumentierte auch Berkas Zeitgenosse Gärtner :
Wenn wir uns zu der sogenannten österr. Nation bekennen würden , würde eine Unterwan-
derung aus dem Osten nicht aufzuhalten sein. Davor schützt uns heute nur der Stacheldraht
an den Grenzen. Ein slavisiertes Österreich würde reif für den Satelittenstaat [ sic ] werden ;
Die Westmächte hatten fast ganz Europa den [ sic ] Bolschewismus ausgeliefert und eine ge-
fahrvolle Leere geschaffen.692
Der Silese Zimmermann sah wiederum im Falle einer Entfremdung Österreichs von
der BRD beide dem Verderben ausgeliefert : „Für das Deutsche Reich [ gemeint ist die
BRD , Anm. B. W. ] ist es eine Lebensfrage , daß in Österreich Menschen leben , die
nicht nur deutsch sprechen , sondern auch deutsch fühlen und denken ; das Reich wäre
sonst an seiner 400 Kilometer langen Südostflanke tödlich bedroht.“ Österreich wie-
derum wäre „– als Siebenmillionenstaat gegenüber dem mit dreißigfacher Übermacht
andringenden Osten – rettungslos verloren“. Die Propagierung einer österreichischen
Nation sei vor diesem Hintergrund „nicht nur als heller Wahnsinn , sondern als Verlei-
tung zum politischen Selbstmord“ zu verstehen.693
Die Vorstellung , dass allein der deutsche Nationalismus ( und nicht etwa der öster-
reichische ) Österreich gegen ‚Slavisierung‘ und/oder eine bolschewistische Machtüber-
nahme immunisieren könne , liegt mutmaßlich in der Pionierrolle der Kommunistischen
Partei Österreichs ( KPÖ ) bei der Propagierung des österreichischen Nationalgedankens
begründet. Eine elaborierte Darlegung , wie die prophezeite Angliederung Österreichs
an den östlichen Machtblock vonstattengehen und wie das Deutschtumsbekenntnis
sie effektiv obstruieren könnte , wird in den Quellen nicht gegeben , was auf die eigent-
liche Funktion der Prophezeiung – die zusätzliche Untermauerung und Rationalisie-
rung der ohnehin verfochtenen völkischen Programmatik
– verweist. Die Bestimmung
nationalistischer Formierung als Gegenmittel zur drohenden ‚Gefahr aus dem Osten‘ ,
derungen eines Aldanen von 1927 : „In zähem Kampfe mit Hunnen und Magyaren , mit Tschechen und
Slowenen ward der blauen Donau Strand für deutsche Art gewonnen und erhalten. Dem Volksfremden
zum Trutz entstand an unseres Volksbodens Grenze das stolze Wien.“ ( Zit. in Aldania 1994 , 118 ) Vgl.
ferner Otto Scrinzi : „Durch mehr als 1000 Jahre hat Deutsch-Österreich einen gesamtdeutschen und
europäischen Auftrag in Abwehr von Awaren , Ungarn , Mongolen , Türken und zuletzt des Bolschewis-
mus erfüllt und ungeheure Opfer gebracht.“ ( Aula Nr. 3 / 1978 , 17 )
691 PBW , Berka 1964 , 8.
692 Alemannia 1962 , 22. Vgl. auch Fred Duswalds Diagnose , wonach „Feinde des deutschen Volkes ( … ),
den Österreichern ihr deutsches Bewußtsein zu rauben“ versuchten , um „sie ihren Zwecken dienstbar
machen zu können“ ( BAK , DB 9 , C. IV.2 [ A1 ], VaB-Mitteilungen [ Vorort Bremen ] Nr. 28 / 1961 , 5 ).
693 Burschenschaftliche Blätter Nr. 11 / 1957 , 269 f. ( Herv. entf. ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619