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III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich
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Wohl auf Initiative der Österreicher ( und unter dem Vorsitz der Oberösterreicher Ger-
manen ) „verurteilt( e )“ die DB auf ihrem Burschentag 1975 dementsprechend das kurz
zuvor vom Nationalrat beschlossene UOG 1975 „auf das Schärfste“
– u. a. eben deshalb ,
weil es Mitentscheidung durch Studierende in Bereichen vorsehe , für welche diese nicht
qualifiziert und nicht haftbar seien. Auch stelle „die überhohe Anzahl der Vertreter-
posten eine unzumutbare Belastung der Studierenden“ dar und begünstige eine „Aus-
lese zugunsten der politisch radikalen Gruppen“.777
Am selben Burschentag verabschiedete die DB auch eine von den Obergermanen
vorgelegte , grundsätzlichere Entschließung , die ein Bekenntnis zur „evolutionäre( n )
Weiterentwicklung der freiheitlichen und sozialen Demokratie“ enthielt. Die DB
unterstütze und bejahe „eine verstärkte Teilhabe und Mitsprache der Bürger in allen
Lebensbereichen , soferne dadurch der Freiheits- und Gestaltungsraum der Menschen
gestärkt und verbessert werden [ sic ].“ Es müsse jedoch „gewährleistet sein , daß nicht
neue Abhängigkeitsverhältnisse geschaffen und gesamtgesellschaftliche Ansprüche
oder die Funktionalität gesellschaftlicher Teilbereiche gefährdet werden“.778 Man be-
kannte sich also einerseits zu mehr Demokratie , versah dieses Bekenntnis aber gleich-
zeitig mit einer Einschränkung , die geeignet war , unter dem Verweis etwa auf sin-
kende Effizienz von Abläufen ( die mit der Ersetzung autoritären Entscheidens durch
demokratische Aushandlungsprozesse nahezu zwangsläufig einhergeht ) jeden kon-
kreten Demokratisierungsversuch zu hintertreiben.
Mitunter ging der RFS noch einen Schritt weiter und hielt den gängigen Slogans
jener Zeit von der ‚Demokratisierung aller Lebensbereiche‘ und der ‚Durchflutung der
Gesellschaft mit Demokratie‘ entgegen , dass manche Bereiche bzw. Institutionen –
darunter auch die Universitäten – per se nicht demokratisierbar seien. Demokratie
gäbe es nur als Staatsform , einzelne gesellschaftliche Teilbereiche dagegen ließen sich
„nicht als demokratisch legitimieren , sondern nur etikettieren“.779 Eine quasi-liberale
Ausformung dieser Behauptung bestand darin , dass die Ausweitung des Mitbestim-
mungsprinzips auf verschiedenste Bereiche dem Individuum überall ein geringes Mit-
konferenz ( IVK ) im Sommersemester 1970 durch „eine große Abordnung des RFS“ besiegelte das Ende
dieses außerhalb der ÖH-Strukturen angesiedelten , basisdemokratischen Gremiums ( Fischer-Kowal-
ski 1977 , 606 ): Es hatte den Freiheitlichen Studenten als zu links gegolten ( vgl. auch Keller 1983 , 107 ).
777 BAK , DB 9 , B. VI., Burschentage ( a ), Niederschrift des DB-Burschentages 1975 , 12. Vgl. auch Ober-
österreicher Germanen 1994 , 51.
778 BAK , DB 9 , B. VI., Burschentage ( a ), Arbeitsunterlagen zum DB-Burschentag 1975 , 31. Schon 1973 hat-
ten die Oberösterreicher die Ergänzung eines Antrages der Hilaritas Stuttgart zur Mitbestimmungsdebatte
mit der Einschränkung erwirkt , dass Mitbestimmungserweiterung nicht „einen gesamtgesellschaft
lichen
Anspruch oder die Funktionalität gesellschaftlicher Teilbereiche ( … ) gefährden“ oder „Funktionärs-
macht etablieren“ dürfe ( BAK , DB 9 , B. VI., Burschentage [ a ], Niederschrift des DB-Burschentages
1973 , 43 ).
779 Der Ring Nr. 3 / 1973 , 6. Eine Begründung dieser Sichtweise liefert der Artikel nicht.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619