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IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn
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Gegen die Berücksichtigung der Tätigkeit des RFS an dieser Stelle ließe sich einwen-
den , dass das dortige Engagement von Burschenschaftern zum einen kein Ausdruck
‚burschenschaftlicher‘ Politik ( sondern Aktivismus im Rahmen einer intermediären
Instanz ) und zum anderen kein Fall kollektiver , sondern individueller politischer Be-
tätigung sei. Für die Einbeziehung des RFS spricht jedoch , dass dieser im Lauf sei-
ner Geschichte zu allermeist derart stark von Korporierten im Allgemeinen und Bur-
schenschaftern im Besonderen dominiert ( und nicht unwesentlich von den in den
Freiheitlichen Akademikerverbänden organisierten Alten Herren finanziert ) wurde , dass
er mit einiger Berechtigung als quasi-verbindungsstudentischer Kollektivakteur einge-
stuft werden kann.40 Umgekehrt wurde burschenschaftliche Hochschulpolitik fast aus-
schließlich im Rahmen des bzw. in engstem inhaltlichen und personellen Austausch mit
dem RFS vollzogen41 und wäre unter Ausklammerung desselben schlicht nicht sinn-
voll darstellbar. Auch wenn der WKR von Beginn an das gemeinsame Vorgehen der
Mitgliedsbünde „in allen rein hochschulpolitischen Fragen“ als seine Kernaufgabe de-
finierte , beschränkte er sich weithin auf couleur- und symbolpolitische Belange wie das
‚Aufzugsrecht‘ auf akademischem Boden in den 1950er-Jahren oder den Streit um den
‚Siegfriedskopf‘ in der Aula der Universität Wien in den 1990ern.42 Als kollektiv ist
40 Diese Dominanz ergab sich gleichsam logisch aus der seit jeher weitreichenden Überschneidung zwi-
schen ‚freiheitlichem‘ Akademikertum überhaupt und dem liberalen und völkischen Korporationsstuden-
tenwesen. Während die FPÖ seit der Ära Haider ihr WählerInnen- und Mitgliederprofil insgesamt we-
sentlich diversifizieren konnte , erwies sich im Bereich ihrer akademischen Eliten die Vormachtstellung
des Korporationswesens als vergleichsweise resistent. Gleichzeitig verweigerte sich der RFS , wie noch
ausgeführt werden wird , bis in die 1980er-Jahre dem direkten Zugriff der Partei und ( jedenfalls nach au-
ßen hin ) dem Status einer Vorfeldorganisation derselben. Zur ( Teil-)Finanzierung des RFS aus verbin-
dungsstudentischen Quellen vgl. etwa die Aula Nr. 6 / 1953 [ März ], 20 oder Oberösterreicher Germanen
1967 , 116 f.
41 Die hochschulpolitischen Initiativen burschenschaftlicher Dachverbände – Resolutionen , offene Briefe
in einschlägigen Belangen – waren , wie die Zusammensetzung der Hochschulpolitischen Ausschüsse
von ADC/DBÖ und DB über die Jahrzehnte zeigt , Angelegenheit weniger , die in aller Regel ohnehin
auch im RFS aktiv waren. Zur Alternativlosigkeit des RFS aus burschenschaftlicher Sicht vgl. u. a. BAK ,
DB 9 , E. 4 [ A1 ], Niederschrift des ADC-Tages 1956 , 5 und BAK , DB 9 , E. 4 [ B2 ], DBÖ-Rundschrei-
ben Nr. 4 ( Germania Graz ) vom 18. 3. 1963 , 1. Erst im Wintersemester 1980/81 wurde – wohl auf Drän-
gen der Corps bzw. der politisch unverbindlicheren Verbindungen – per WKR-Beschluss „( t )heoretisch
( … ) den Mitgliedern freigestellt , sich eventuell auch bei anderen Fraktionen als dem RFS zu engagie-
ren“; dies traf allerdings auf „heftige Kritik“ wohl nicht nur der Oberösterreicher Germanen und wurde
von Burschenschaftern offenbar auch kaum ausgenutzt ( Oberösterreicher Germanen 1994 , 97 ). Einzelne
hatten sich Ende der 1970er-Jahre in der Aktion Neue Rechte ( ANR ), auf die noch näher einzugehen sein
wird , oder während der RFS-Krise in Graz um 1980 in der Kritischen Studenteninitiative ( KRISTIN ) en-
gagiert. Zur Beteiligung an Letzterer vgl. Cerwinka 1994 , 26.
42 Zit. n. http://www.wkr.at/info.php ( letzter Zugriff am 30. 11. 2012 ), ebenso bereits in Marauschek 1960 ,
90. Der burschenschaftliche Widerstand gegen die ab 1990 im Raum stehende Verlegung des ‚Siegfrieds-
kopfes‘ vollzog sich – teilweise unterstützt durch Professoren ( Lothar Höbelt , Adam Wandruszka ) – in
Form von Kundgebungen , Flugblattaktionen und einer Petition , durchgeführt im Rahmen des WKR , der
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619