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IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn
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des Interesse“ zurück. Ihm zufolge lag inzwischen auch für die Obergermanen-Aktivi-
tas „das Schwergewicht auf Veranstaltungen bezüglich Bundesheer , Südtirol , Sieben-
bürgen , 17. Juni“68 – und damit auf Linie des burschenschaftlichen Mainstreams in
Österreich. Ein anderer damals aktiver Obergermane , Kurt Eichhorn , diagnostizierte
1989 , dass der RFS nach dem Ausstieg seines Bundes „zu einer rechtsradikalen Split-
tergruppe“ verkommen sei.69 Der sukzessive Rückzug auch der anderen Verbindun-
gen ( bedingt nicht zuletzt durch deren eigene Nachwuchsprobleme , aber auch durch
die inzwischen manifeste Bedeutungslosigkeit des Verbandes ) brachte personelle Aus-
dünnung und fortgesetzte Wahldebakel mit sich.70 1986 waren es jedoch erneut Bur-
schenschafter , die ihn reaktivierten. Der gesamte Vorstand wurde ausgewechselt und
„in fast alle Vorstandsposten Olympen gewählt“, womit deren „ganze Aktivitas ( … )
in irgendeiner Form für den RFS eingesetzt“ war.71 Ihre Energien investierte die neue
Mannschaft nach eigenem Bekunden weniger in die Erarbeitung hochschulpolitischer
Konzepte als in die Veranstaltung „durchaus auch brisanter ( … ) Vorträge an der Uni-
versität und die Herausgabe der Studentenzeitung ‚Der Ring‘ “.72 In einer Situation , in
der der RFS innerhalb der ÖH jegliche Relevanz eingebüßt hatte ( und das studenti-
sche Interesse an Politik im Allgemeinen eher nachzulassen schien73 ), wurde offenbar
ein metapolitisches Projekt der ideologischen Diffusion verfolgt. Nicht nur faktisch ,
sondern gezielt und explizit nahm der RFS ( als Freiheitliche Studenteninitiative/FSI )
um 1990 Anleihen bei ‚neurechten‘ Politikkonzepten ( vgl. Abschnitt IV.2.7 ).
Eine weitere Neuheit bestand in der engen Anlehnung an die
– nunmehr von einem
Burschenschafter und vormaligen ÖB-Mitbegründer geführte
– FPÖ , zu der die Frei-
68 Hans Christ in einem Brief an Friedrich Tulzer vom Sommer 1989 , zit. n. Oberösterreicher Germanen
1994 , 127 f.
69 Brief an Tulzer vom Frühjahr 1989 , zit. ebd., 135 f. Bemerkenswert an dieser augenscheinlich eher indivi-
duellen Distanzierung ist , dass die Chronik im weiteren Verlauf von den Veranstaltungen dieser „rechts-
radikalen Splittergruppe“ mit den ‚Neurechten‘ Pierre Krebs und Reinhold Oberlercher 1986 bzw. 1987
berichtet und dabei die Beteiligung der Germanen selbst an der Organisation beider Vorträge – im ers-
teren Fall über die ARGE WBL – erwähnt ( vgl. ebd., 137 und 141 ). Im Wintersemester 1986/87 wohn-
ten die Germanen auch einem FAV-Vortrag des britischen Holocaustleugners David Irving bei , auf dem
dieser „auf interessante Weise ( veranschaulicht )“ habe , „wie Geschichtsfälschung betrieben wird“ ( ebd.,
139 ) – womit allerdings nicht Irvings eigene Arbeiten gemeint gewesen sein dürften.
70 Vgl. den Beitrag des RFS-Bundesvorsitzenden Michael Steinwender von 1985 in ‚Der RFS – die Studen-
tenvertretung des Dritten Lagers‘ , ( Wahlwerbe-)Beilage zu Aula Nr. 5 / 1985 , 4 ( der Beilage ) bzw. Ober-
österreicher Germanen 1994 , 100 und 121.
71 Dvorak 1996 , 69. Vgl. zur Geschichte des RFS von 1985 bis 1995 aus der Innenperspektive H. Stefan 2009 ,
kritisch Schiedel/Zellhofer 1995.
72 Dvorak 1996 , 69 ; die Einstufung als Metapolitik wird in diesem Fall auch dadurch unterstrichen , dass
der RFS sich sowohl in seiner Veranstaltungspolitik als auch in seiner publizistischen Tätigkeit eng am
Vorbild der ‚Neuen Rechten‘ orientierte ( ebd., 70 ).
73 Vgl. Weidinger 2010 , 155 f.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619