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IV. Praxis burschenschaftlicher Politik
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senschafterInnen wurden Protegés der Nationalsozialisten oder ihres autoritären Vor-
gängerregimes ( wieder-)eingesetzt83. Auch über den Lehrkörper und die akademische
Verwaltung hinaus sprechen ZeitzeugInnen noch für die 1960er-Jahre von einer un-
angefochtenen rechten bis „rechtsradikal( en )“ Hegemonie.84 Dieser Eindruck scheint
angesichts etwa der konservativen Solidarisierungsfront mit dem antisemitischen Pro-
fessor Taras Borodajkewycz 1965 subjektiv durchaus nachvollziehbar. Zu relativie-
ren ist er unter Verweis darauf , dass die studentische Rechte zu keinem Zeitpunkt
einen einheitlichen ( schon gar nicht einen einheitlich ‚rechtsradikalen‘ ) Block dar-
stellte , sondern von der Rivalität zwischen dem katholisch-konservativen und dem
deutsch-völkischen Lager geprägt war. Was von außen als rechte bis ‚rechtsradikale‘
Hegemonie erschien , entsprach aus burschenschaftlicher Sicht der Wiederaufnahme
eines innerrechten Hegemoniekampfes mit dem hochschulpolitischen Katholizismus
( unter allerdings gegenüber der Monarchie und Ersten Republik umgekehrten Kräf-
teverhältnissen ).85
Als nunmehr zweitstärkste verbindungsstudentische Kraft saßen die völkischen Kor-
porationen an den österreichischen Hochschulen zunächst noch fest im Sattel. Auch
die österreichische Nachkriegsgesellschaft war ihnen insgesamt nicht allzu feindlich
gesinnt. Trotz häufiger Klagen über unfaire Behandlung insbesondere durch die sozial-
demokratische und kommunistische Parteipresse war man sich bewusst , verglichen mit
den bundesdeutschen Burschenschaften eine privilegierte Situation vorzufinden. Nicht
nur standen die Hochschulbehörden den österreichischen Bünden wesentlich konzilian-
ter gegenüber als den bundesdeutschen86 , auch die allgemeinen politischen Verhältnisse
begünstigten Erstere , wie ein Berliner Armine 1961 ausführte : Aufgrund der relativen
Bedeutungslosigkeit Österreichs und dessen erfolgreicher Externalisierung des Nati-
onalsozialismus sowie harmonischerer innenpolitischer Verhältnisse könne die DBÖ
„ihre Grundsätze offen darlegen“ und in Sachen etwa des Antisemitismus in einer Weise
„öffentlich unangefochten ( … ) Stellung beziehen“, die der DB fraglos „ernste Konflikte
mit der Öffentlichkeit“ eintrüge.87 Angehörige österreichischer Bünde sahen die deut-
schen einer „Umerziehung durch die Besatzungsmächte“ und „bewußte( r ) Fälschung
83 Für die Universität Wien vgl. Pfefferle/Pfefferle 2013 sowie Weinert 1986 , 269.
84 Zit. n. Stoffl/Urbas 1980 , 293. Die Verhältnisse in Graz und Innsbruck seien denen in Wien ähnlich ge-
wesen , allerdings noch „viel krasser“ ( ebd., 294 ).
85 Vgl. dazu Weidinger 2010 , v. a. 165–167. Der Burschenschafter Fritz Gärtner berichtet zudem von einem
schweren Stand der „völkischen Gruppe an den Hochschulen“ aufgrund materieller Benachteiligung und
chronischen ‚Missverstanden-Werdens‘ ( Alemannia 1962 , 26 ).
86 Vgl. etwa BAK , DB 9 , E. 4 [ A1 ], Protokoll des ADC-Tages 1954 , 15. Auch die im Archiv der Universität
Wien einzusehende Korrespondenz zwischen Rektorat(-skanzlei ) und Korporationen bezeugt eine neu-
trale bis entgegenkommende Haltung der akademischen Behörden jedenfalls dieser Universität. Für die
Situation in Deutschland vgl. die Aula Nr. 1 / 1955 [ Oktober ], 1.
87 BAK , DB 9 , C. IV.2 [ A1 ], VaB-Mitteilungen Nr. 28 / 1961 ( Vorort Bremen ), 18.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619