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IV. Praxis burschenschaftlicher Politik
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che Standpunkte einer breiten Öffentlichkeit zur Kenntnis gebracht“, heißt es in einer
DBÖ-Broschüre von um 1994.179 Die Gängigkeit der hier angesprochenen Vermitt-
lungsformen wird durch die bisherigen Ausführungen bestätigt. Insbesondere das Me-
dium des Flugblattes fand vielfache Verwendung – vor allem ab den 1970er-Jahren ,
der Zeit , in der die studentische Linke ihrerseits ihre Wahrnehmbarkeit stark erhöhen
konnte. Nach Darstellung der Obergermanen stellte jedenfalls der politische Aktivis-
mus ( einschließlich reger Flugblattverteilung ) der von ihnen 1970 initiierten ÖB „ein
Novum im Kreis der Wiener Korporationen“ dar.180 Treibende Kraft waren dabei die
Germanen selbst , die zu Beginn des Studienjahres 1974/75 gar zwei Wochen lang einen
Stand mit burschenschaftlichen Publikationen und Werbematerial in der Universitäts-
aula betreuten , „um einerseits burschenschaftliches Gedankengut an die studentische
Öffentlichkeit heranzutragen und andererseits mit jungen Kollegen in Kontakt treten
zu können“.181 Auch auf Dachverbandsebene zeigten die Oberösterreicher sich initiativ
und veranlassten ( nach eigenem Bekunden ) 1975 die DB zu einer Empfehlung an alle
Örtlichen Burschenschaften , auf Burschentagen gefasste politische Beschlüsse hinkünf-
tig an ihren Universitäten in Flugschriften kundzumachen.182 Über erhöhte Sichtbar-
keit an den Hochschulen sollte so eine darüber hinausgehende mediale Wahrnehm-
barkeit erzielt werden.183
Die von den Germanen vertretene aktivistische Linie konnte sich in Österreich aller-
dings auf breiter Front nicht recht durchsetzen , wie das Scheitern der Initiative von 1977
zeigt , den WKR zur regelmäßigen Verbreitung politischer Flugschriften im Rahmen
seines ‚Farbenbummels‘ zu veranlassen.184 Auch mit der Idee , die gesammelten Referate
der Burschenschaftlichen Abende eines Semesters in Broschürenform vorzulegen , um
damit „an die Öffentlichkeit , vor allem aber an junge Studenten heranzutreten“, erlit-
ten die Obergermanen Schiffbruch – diesmal aus eigenem Verschulden. Allerdings war
bei ihnen die Absicht , mit der sie umgebenden Welt in Dialog zu treten , „den Bezug
zum politisch Andersdenkenden“ zu suchen , durchaus vorhanden – im Kontrast zur
im burschenschaftlichen Lager vorherrschenden Abschließung nach außen.185 Diese
Dialogbereitschaft fand auch Ausdruck in einer Veranstaltungspolitik , die sich ( inner-
DBÖ-Werbeflugblatt von 1977 oder die auch von österreichischen Bünden verwendete DB-Broschüre
Deutsche Burschenschaft 1961 [ alle : AVSt ]).
179 AVSt , DBÖ 1994 , 17.
180 Oberösterreicher Germanen 1994 , 21. Zu konkreten Aktionen in den 1970er-Jahren vgl. ebd., 30 , 43 und 45.
181 Ebd., 42. Nichtsdestotrotz „blieb der erwünschte Keilerfolg aus“.
182 Vgl. BAK , DB 9 , B. VI. Burschentage ( a ), Arbeitsunterlagen zum DB-Burschentag 1975 , 42 f. und die
Niederschrift desselben , 35 f.
183 So die Argumentation Norbert Gugerbauers in einem zeitgenössischen Bericht
– vgl. Oberösterreicher
Germanen 1994 , 65.
184 Vgl. ebd., 83 bzw. Kapitel III.1.2.
185 Ebd., 82 ( Zitat : Fritz Eichhorn ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619