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IV. Praxis burschenschaftlicher Politik
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das völkische Korporationswesen die Hochschullinke als ein Hauptfeindbild der Bur-
schenschaften aktuell.282
Vor diesem Hintergrund wurde die Auseinandersetzung mit dem Gegenüber erneut
auch auf inhaltlicher und strategischer Ebene gepflegt. Am Kommers des DB-Burschen-
tages 1997 – eingeladen hatte Olympia als DB-Vorsitzende – referierte der Bonner ‚Ex-
tremismusforscher‘ Hans-Helmuth Knütter , der sich durch sein Buch ‚Die Faschismus-
keule‘ für diese Aufgabe empfohlen hatte. „( G )ehen Sie offensiv , nicht defensiv , gegen die
Feinde der Burschenschaften , des deutschen Volkes , der Freiheit , also den links
extremen
Feind vor“, rief er den Burschenschaftern zu. „Haben Sie keine Scheu , von den Metho-
den des Feindes zu lernen.“283 In Ermangelung einer Linken , die an gesellschaftlicher
Prägewirksamkeit mit jener von 1968 vergleichbar gewesen wäre , wandte man sich nun
gegen das vermeintliche Fortleben der Ideen von ‚68‘. Nach Ansicht vieler Burschen-
schafter hätte die einst von den revoltierenden Studierenden ausgegebene Parole vom
‚Marsch durch die Institutionen‘ Erfolg gezeitigt und eine linke Meinungshegemonie
etabliert. Als Wurzel des Übels wurde dabei verschiedentlich die neomarxistische Kriti-
sche Theorie identifiziert ( deren Hauptprotagonisten
– mit Ausnahme Herbert Marcu-
ses – freilich schon von der historischen Studierendenbewegung nur sehr selektiv rezi-
piert worden waren ). 2004 co-organisierten Olympia und Silesia in Verbindung mit dem
alljährlichen WKR-Kommers ein Symposion unter dem von Konrad Lorenz inspirier-
ten Titel „Frankfurter Schule
– Die 9. Todsünde“.284 Moderator Eike Lindinger machte
sich , gemeinsam mit Vater Bernd ( beide Olympia , Letzterer vormals FPÖ-Bundesrat ),
infolge auch um eine Fortsetzung dieses Symposions im Jahrestakt verdient , wobei die
Freiheitliche Akademie ( bzw. ab 2007 das FPÖ-Bildungsinstitut als deren Nachfolger ) der
FPÖ als tragende Körperschaft in Erscheinung trat.285 In ihrer Themensetzung – das
Menschen- und Gesellschaftsbild der Linken , Deutungshoheit über Begriffe , ‚Umerzie-
hung‘ und ‚Kulturrevolution‘ – offenbarte die Reihe ein klar metapolitisches Anliegen ,
das einerseits der Linken nachgesagt , andererseits selbst verfolgt wurde.
Zusammenfassend lässt sich sagen , dass die Burschenschaften in Österreich sich über
den Zeitraum der Zweiten Republik kontinuierlich mit der politischen Linken als Feind-
bild auseinandersetzten. Dies geschah in unterschiedlichster Form
– von Ideologiekritik
282 1995 bis 1997 übernahm erstmals eine linke Koalition die Exekutive des ÖH-Zentralausschusses. Als
Höhepunkte symbolischer Kämpfe zwischen Linken und Verbindungsstudenten lassen sich für Wien
die Auseinandersetzungen um die Verlegung des ‚Siegfriedskopfes‘ in den 1990er-Jahren ( vgl. dazu die
Dokumentation in Davy/Vašek 1990 ) und die Proteste gegen den WKR-Ball ab 2008 anführen.
283 Burschenschaftliche Blätter Nr. 3 / 1997 , 129–131 , hier : 131.
284 DÖW , ARGE Konrad Lorenz 2004 , o. S.
285 Von 2004 bis 2008 fanden insgesamt fünf Symposien statt. Das Podium der Erstauflage , gebildet von
den Rechtsextremen Rolf Kosiek , Bernd Rabehl , Friedrich Romig und Otto Scrinzi , gab den Kurs für
die Einladungspolitik der Folgejahre vor. Zu den Referaten und Debatten im Einzelnen vgl. Lindinger
2010.
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619