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IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn
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Dass just um diese Zeit ‚neurechte‘ Konzepte verstärkt Resonanz in burschen-
schaftlichen Kreisen in Österreich fanden308 , lässt sich über mehrere Faktoren er-
klären. Zum Ersten ebbte der studentische Politisierungstrend der 1970er-Jahre im
Folgejahrzehnt ab , was Schwung aus den unmittelbaren politischen Auseinander-
setzungen nahm und Raum für nicht im engeren Sinn politische Betätigung auf der
Ebene von Einstellungen und Werten bot. Gleichzeitig erwies sich die Marginalisie-
rung der universitären Rechtsaußen-Kräfte als nachhaltig309 , was ebendiesen Kräften
Bemühungen anempfahl , ihr äußeres Erscheinungsbild zu modernisieren und kon-
krete politische Anliegen zurückzustellen , bis das universitäre Meinungsklima wie-
der zu ihren Gunsten verschoben wäre. Drittens ließen die unter IV.2.3 behandelten
geschichtspolitischen Debatten weitere diskursive Terrainverluste für das ‚natio nale‘
Lager in Österreich möglich erscheinen. So dieses Lager Zukunft gestalten wollte ,
glaubte es sich dem Kampf um Deutungsmacht über Vergangenes nicht länger ver-
weigern zu können. Unabhängig von den konkreten Zeitumständen verlieh – vor
dem Hintergrund des elitären Selbstverständnisses der Burschenschaften – auch der
‚neurechte‘ Anspruch der Intellektualisierung rechter Politik und der dabei gepflegte
Habitus des nonkonformistischen Kämpfers mit den Waffen des Geistes der ‚Neuen
Rechten‘ einigen Appeal.310
Die Zeichen der Zeit standen für metapolitische Offensiven von rechts durchaus
nicht ungünstig. Was als ‚Entpolitisierung‘ an den Hochschulen interpretiert werden
kann , nahm nicht nur der Linken ihr Momentum , sondern entsprach nach Einschät-
zung mancher ZeitzeugInnen tatsächlich einer Rechtsentwicklung im Sinne einer
( ARGE WBL ) organisiert worden ( vgl. ebd., 137 ). Wenn zudem Perner/Schiedel/Zellhofer ( 1994 , 49 )
u. a. die „Betonung von Wissenschaftlichkeit“ und die „Diskussionsbereitschaft sogar gegenüber ‚Lin-
ken‘ “ als Merkmale ‚neurechter‘ Strategie bezeichnen , ist festzuhalten , dass der RFS solchen Maximen
schon unter Obergermanen-Führung in den 1970er-Jahren folgte.
308 Als zur selben Zeit entstehendes metapolitisches , nicht aber ‚neurechtes‘ Projekt ist der Academische
Corporationsclub ( ACC ) zu nennen. Jenseits der traditionellen Verbändestrukturen , aber dennoch als
„Zusammenschluß ‚Alter Herren‘ national-freiheitlicher Korporationen“, konstituierte sich dieser 1987.
Ein Vereinsregisterauszug vom 18. 1. 2011 weist als Funktionäre u. a. die Burschenschafter Peter Kapral
( Gothia Wien , FPÖ-Bundesrat 1961–1966 ) und Rainer Mauritz ( Alania Wien , Beteiligter am Südtirol-
terror , später FPÖ-Bezirkschef in Korneuburg und Korrespondent diverser rechtsextremer Zeitschrif-
ten ) aus. Der Vereinszweck besteht u. a. in der Unterstützung von „Hochschulgruppen“ im Sinne der
„Verbreitung freiheitlichen Gedankengutes im Bereich der Hochschulen und insbesondere unter der
Studentenschaft und der ständischen ( … ) Organisationen“ ( Kapral im Vorwort zu Novak/Haidinger
1999 , 6 f. ).
309 Eine Zeitzeugin spricht – wohl auf Basis eines umgangssprachlichen Faschismusbegriffes – vom Ab-
stieg des Studententypus der „Faschisten“ vom Normalfall der 1960er-Jahre zu einer überschaubaren
Gruppe von „Außenseiter( n )“ ( zit. bei Stoffl/Urbas 1980 , 300 ).
310 Vgl. zu diesem Anspruch Jürgen Hatzenbichlers Zielformulierung , die Linke auf deren „scheinbar ur-
eigenste( m ) Gebiet ( zu ) schlagen , in der Theorie“ ( Aula Nr. 9 / 1991 , zit. in Gärtner 1996 , 42 ).
„ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
Entnommen aus der FWF-E-Book-Library
- Title
- „ IM NATIONALEN ABWEHRKAMPF DER GRENZLANDDEUTSCHEN“
- Subtitle
- Akademische Burschenschaften und Politik in Österreich nach 1945
- Author
- Bernhard Weidinger
- Publisher
- Böhlau Verlag
- Location
- Wien
- Date
- 2015
- Language
- German
- License
- CC BY-NC 3.0
- ISBN
- 978-3-205-79600-8
- Size
- 17.0 x 24.0 cm
- Pages
- 634
- Keywords
- Burschenschaft, Studentenverbindung, Männerbund, Deutschnationalismus, Nationalismus, Rechtsextremismus, Konservatismus, Südtirol, Hochschulpolitik, VDU (Verband der Unabhängigen), FPÖ (Freiheitliche Partei Österreichs)
- Categories
- Geschichte Nach 1918
Table of contents
- I. Einleitung 11
- II. Nationalsozialismus und postnazistische Restauration 45
- II.1 Völkische Korporierte im (und für den) Nationalsozialismus 45
- II.2 Korporationen und ‚Entnazifizierung‘ 52
- II.3 Die Wiedererrichtung der Bünde 56
- II.4 Rückeroberung von Öffentlichkeit 71
- II.5 Burschenschaftliche Vergangenheitsbewältigung 80
- II.5.1 Die erste Bestandsaufnahme Günther Berkas (1950/51) 83
- II.5.2 Die Auseinandersetzung um das ‚burschenschaftliche Geschichtsbild‘ (ab 1956) 90
- II.5.3 Burschenschaftliche Gedenkpolitik 96
- Exkurs: Zur Spezifik burschenschaftlicher Vergangenheitsbewältigung in Österreich 107
- II.5.4 Die Feldpost-Anthologie der Oberösterreicher Germanen (1967) 110
- Exkurs: Die Sprache der Vergangenheit 112
- II.5.5 Generationenverhältnis zwischen Konflikt und Konformismus 114
- II.5.6 Vergangenheitsbewältigung um die Jahrtausendwende 124
- II.5.7 Schlussbetrachtungen 127
- III. Burschenschaftliche Ideologie in Österreich 133
- III.1 Die Burschenschaften in Österreich als politische Vereinigungen 133
- III.2 Der burschenschaftliche Auftrag an den Einzelnen 150
- III.3 Burschenschaftliche Erziehung 164
- III.3.1 Der burschenschaftliche Erziehungsauftrag 164
- III.3.2 Ebenen und Orte burschenschaftlicher Erziehung 171
- III.3.3 Funktionen und Konsequenzen 177
- III.4 Politisch-ideologische Heterogenität und burschenschaftlicher Corpsgeist 181
- III.4.1 Meinungsvielfalt und -hegemonie 181
- Exkurs: Zur relativen Abweichung der Oberösterreicher Germanen 186
- III.4.2 Konflikt und Kontroversen 191
- III.4.3 Die Außenwahrnehmung: Burschenschaften als Monolith 201
- III.4.4 Ursachen und Folgen burschenschaftlicher ‚Geschlossenheit‘ 210
- III.5 Wandel und Beharrung 213
- III.5.1 Burschenschaften zwischen Avantgarde und Reaktion 214
- III.5.2 Die Restaurationsphase: weiter (fast) wie bisher 220
- III.5.3 Die 1960er-Jahre: Weckrufe und Reformanläufe 225
- III.5.4 Der Streit um die Ehrenordnung 229
- Exkurs: Das Duellwesen in Österreich nach 1945 232
- III.5.5 Die 1970er-Jahre: Aufbruchsstimmung und Backlash 233
- III.5.6 Gründe der Wandlungsresistenz 236
- III.6 Selbstbild: Gegen-Elite 249
- III.7 Völkischer Nationalismus als weltanschaulicher Angelpunkt 273
- III.8 Burschenschaften und Demokratie 302
- III.8.4 Der Einzelbund: ein ‚Parlament im Kleinen‘? 319
- III.8.5 Individuum und Kollektiv 326
- IV. Praxis burschenschaftlicher Politik 335
- IV.1 Burschenschaftliche Betätigung im politischen Sinn 335
- IV.2 Burschenschaftliche Betätigung im metapolitischen Sinn 355
- IV.2.1 Gegen ‚Zeitgeist‘ und ‚Umerziehung‘: Frühe burschenschaftliche Metapolitik 355
- IV.2.2 Wider die ‚österreichische Nation‘ 360
- IV.2.3 Gegen ‚Geschichtslügen‘: Burschenschaftliche Geschichtspolitik 365
- IV.2.4 Einsatz für ‚das Deutschtum‘: die ‚Volkstumspolitik‘ der Burschenschaften 374
- IV.2.5 ‚ Nach außen wirken‘: burschenschaftliche Publizistik und Öffentlichkeitsarbeit 377
- IV.2.6 ‚Neue Rechte‘ gegen ‚Neue Linke‘? 386
- IV.2.7 Rezeption der ‚Neuen Rechten‘ 399
- IV.2.8 Burschenschaftliche Metapolitik um die Jahrtausendwende 412
- IV.3 Burschenschaftliche Südtirol-Politik 416
- V. Burschenschaften und politische Parteien 443
- V.1 Völkische Korporationen als freiheitliche Kaderschmieden: eine statistische Annäherung 448
- V.2 Zur Überparteilichkeit des Burschenschaftswesens in Österreich 476
- V.3 Flügelkämpfe und Personaldebatten 489
- V.4 Programmatik und Policy-Ebene 511
- V.5 Parteienkooperation und Koalitionsoptionen 521
- V.6 Funktionen der FPÖ für die völkischen Korporationen 532
- V.7 Funktionen des völkischen Korporationswesens für die FPÖ 541
- V.8 Völkische Verbindungen und FPÖ: prekäre Interessengemeinschaft auf Gegenseitigkeit 550
- VI. Abschließende Überlegungen 557
- Anhang
- Literatur, publizierte Quellen, Chroniken und Festschriften 581
- Archive und Archivalien 603
- Verbindungsstudentische, völkische und freiheitliche Periodika 608
- Tabelle und Diagramme 609
- Zitierte eigene Interviews 609
- Abkürzungsverzeichnis 610
- Glossar: Organisationen, Organe, verbindungsstudentische Begriffe 612
- Personenregister 619